„Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei“

Die Entdeckerin der Omikron-Variante behauptet, sie sei unter Druck gesetzt worden zu erklären, dass die Omikron-Variante ebenso gefährlich sei wie die vorherigen. Sie wirft westlichen Regierungen eine Überreaktion und „einigen in der Wissenschaft“ eine „eigene Agenda“ vor.

IMAGO / Westend61

Was bislang meist als Verschwörungstheorie abgetan wurde, erhält nun eine Unterfütterung aus erster Hand: Es habe politischen Druck aus westlichen Ländern gegeben, die Gefährlichkeit der Omikron-Variante als ebenso hoch darzustellen wie die vorherigen Corona-Varianten. Das sagt die südafrikanische Medizinerin Angelique Coetzee, die als Omikron-Entdeckerin gilt, im Interview mit der Welt: „Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei. Ich wurde gebeten, von derartigen Äußerungen Abstand zu nehmen und zu sagen, es sei eine ernste Erkrankung. Das habe ich abgelehnt.“

Ähnliche Aussagen machte Coetzee, die auch der südafrikanischen Ärztevereinigung vorsitzt, gegenüber dem britischen Daily Telegraph.: „Es gab viel Druck von europäischen Wissenschaftlern und Politikern, die sagten: ‚Bitte sagen Sie nicht, dass es eine milde Krankheit ist‘.“

— James Morrow (@pwafork) February 9, 2022

Auf die Frage, ob die Regierungen bei Omikron angesichts der niedrigeren Krankheitslast überreagiert hätten, sagt sie: „… sie haben definitiv überreagiert. Als wir darzulegen versuchten, dass es eine milde Erkrankung sei, sagten aufgrund der Anzahl von Mutationen alle, das stimme nicht. Die Leute wollten nicht glauben, dass es mild verlaufen kann.“

Coetzee wird in dem Interview nicht konkret über die Herkunft des politischen Drucks. Als der Interviewer fragt, ob dieser von der südafrikanischen Regierung oder von westlichen Regierungen kam, sagt sie: „nicht von der südafrikanischen“ und dann:

Ich beteilige mich nicht an politischen Kämpfen. Aber ja, von einigen Ihrer [der europäischen, Anm. d. Red] Länder wurde ich kritisiert. In den Niederlanden, in Großbritannien fragten Wissenschaftler: „Wie können Sie erklären, dass es eine milde Erkrankung ist? Es ist eine schwere Erkrankung. Schauen Sie sich die Mutationen an.“ Meine Berichte haben sie aus der Spur gebracht. Dabei muss man sich in einer Pandemie nun mal auch ansehen, was an der Basis passiert. Bei den Hausärzten, die täglich Erkrankte behandeln, muss nachgefragt werden, was sie erleben, wie sich das Krankheitsbild darstellt.“

Indirekt erhebt Coetzee schwere aber anonyme Vorwürfe gegen Wissenschaftler und Politiker im Umgang mit der Pandemie:

„Es hängt alles von der politischen Lage ab und davon, wie einige innerhalb der Wissenschaft ihre eigene Agenda voranbringen wollen.“ Man müsse, sagt sie, sichergehen, „dass sämtliche Wissenschaftler erklären, ob sie Verbindungen zu Pharmaunternehmen haben und ob sie finanziell belohnt werden, wenn sie bestimmte Produkte fördern. Man muss wissen, welche Interessen sie verfolgen.“

Eine grundsätzliche Kritik an allen politischen Maßnahmen übt Coetzee ausdrücklich nicht: „Die Lösung ist eine Kombination von Maßnahmen. Ja, das Impfen ist wichtig, aber wenn Sie eine Welle kommen sehen, ist die wichtigste Maßnahme zu Beginn, dass Menschen Masken tragen und Abstand halten, also nicht-pharmazeutische Maßnahmen. Das muss durchgesetzt werden.“

Dem Daily Telegraph sagte Coetzee über Omikron: „Ich habe schon oft gesagt, dass es eine ernte Krankheit sein kann, wenn man umgeimpft ist und Vorerkrankungen hat, aber für die Mehrheit der Menschen ist es eine milde Krankheit. Ich bin diejenige, die die Patienten selbst gesehen hat, aber die Politiker wollen nicht zuhören.“

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