Sag mir, wo sind sie geblieben, die Milliarden für Masken, die niemand brauchte

Die Bilder aus Bergamo, New York und London hätten einen Handlungsdruck erzeugt, der keine Zeit für reguläre Verfahren gelassen habe: „Wir hatten am Anfang von allem zu wenig und am Ende von allem zu viel – besser als andersherum.“

picture alliance/dpa | Soeren Stache

Ort: Paul-Löbe-Haus, großer Sitzungssaal.
Auftritt: Spahn, Jens.
Es war kein Routineauftritt, auch wenn Jens Spahn an diesem Montag im Paul-Löbe-Haus äußerlich Gelassenheit demonstrierte.

Der heutige Vorsitzende der Unionsfraktion war als Ex-Bundesgesundheitsminister vor die Corona-Enquete-Kommission in Sachen „Maskenbeschaffung in der Pandemie“ geladen. Das entwickelte sich bekanntlich zu einem der teuersten und umstrittensten Kapitel staatlichen Krisenhandelns in der Geschichte der Bundesrepublik.

Wo ist das Geld? Weg

Schon der Rahmen machte klar: Hier ging es nicht um politische Sonntagsreden, sondern um Milliarden, Verantwortung und die Frage, ob „Krise“ als Entschuldigung für alles gelten kann. Neben Spahn saßen mit der Juristin Margaretha Sudhof und dem Vertreter des Bundesrechnungshofs Oliver Sievers zwei Sachverständige, die der Maskenpolitik des Ministeriums ein verheerendes Zeugnis ausgestellt hatten.

Spahns zentrale Verteidigungslinie („Lieber Geld ausgeben als Menschenleben riskieren“) zog sich durch die gesamte Anhörung: die außergewöhnliche Lage im Frühjahr 2020. Es habe keine Blaupause gegeben, sagte er. Die Bilder aus Bergamo, New York und London hätten einen Handlungsdruck erzeugt, der keine Zeit für reguläre Verfahren gelassen habe. „Wir hatten am Anfang von allem zu wenig und am Ende von allem zu viel – besser als andersherum“, so Spahn.

Mehrfach betonte er, die Entscheidung sei politisch wie moralisch eindeutig gewesen: Im Zweifel koste Vorsorge eben Geld – aber keine Menschenleben. Klinikleiter hätten verzweifelt angerufen, Ministerpräsidenten Masken gefordert, der internationale Markt sei leergefegt gewesen. In dieser Situation habe er sich persönlich eingebracht. „Da konnte ich schlecht auf Referatsebene anrufen lassen.“

Genau hier setzte jedoch die scharfe Kritik der Sachverständigen an. Margaretha Sudhof, die im Auftrag von Spahns Nachfolger Karl Lauterbach die Maskenbeschaffung untersucht hatte, sprach von einem „Drama in Milliardenhöhe“. Spahn habe sich nachweislich über den Rat seiner Fachabteilungen hinweggesetzt und Beschaffungsvorgänge an sich gezogen, für die weder Mandat noch fachliche Vorbereitung bestanden hätten.
Die Verträge seien teils rudimentär gewesen, widersprüchlich, ohne klare Leistungsbeschreibungen und beschäftigen den Bund bis heute vor Gericht. Sudhofs Befund: Es sei nicht als „Team Staat“, sondern als „Team Ich“ agiert worden.

Der Bundesrechnungshof bestätigte diese Linie. Oliver Sievers legte Zahlen vor, die die Dimension des Problems deutlich machten: Rund 5,8 Milliarden Masken wurden beschafft, aber nur etwa 1,7 Milliarden tatsächlich verteilt. Mehr als drei Milliarden Masken wurden vernichtet oder stehen vor der Entsorgung. Der reine Warenwert der unbrauchbaren Masken liegt bei rund 3,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen Lager-, Logistik- und Vernichtungskosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Spahn widersprach der Darstellung einer planlosen Beschaffung nicht grundsätzlich. Ja, es sei zu viel bestellt worden, räumte er ein, nicht nur bei Masken, sondern auch bei Desinfektionsmitteln, Beatmungsgeräten und Schutzkleidung. Doch er stellte dem stets die damalige Unsicherheit entgegen: Niemand habe gewusst, wie viele Infektionswellen kämen, wie lange Lieferketten aus China ausfielen oder wie groß der Bedarf im Gesundheitswesen tatsächlich sein werde.

Er verwies darauf, dass zu Beginn der Pandemie sogar Masken aus Kliniken gestohlen worden seien. „Keiner im Ministerium wollte Masken beschaffen. Wir mussten Masken beschaffen“, sagte Spahn. Dass der Rechnungshof die Beschaffung spätestens ab April 2020 für sachlich nicht mehr notwendig hielt, ließ er so nicht gelten.

Besonders kritisch traten die Grünen auf. Die Abgeordnete Paula Piechotta sprach von einem Steuerschaden in Milliardenhöhe und dem Eindruck vieler Bürger, ihr Geld sei „ohne Verstand durch den Schornstein gejagt worden“. Der Höhepunkt der Anhörung folgte mit einer direkten Frage: Ob Spahn sich persönlich bereichert habe.
Spahns Antwort war knapp, kühl und deutlich: „Nein.“ Zugleich forderte er, mit „verleumderischen Mutmaßungen“ aufzuhören. Das Vertrauen in die Politik sei wichtig – aber es werde nicht dadurch gestärkt, dass Verantwortung mit persönlicher Bereicherung gleichgesetzt werde.

Auffällig war, dass die AfD die Maskenbeschaffung kaum thematisierte. Stattdessen lenkten ihre Abgeordneten die Befragung auf Themen wie die Herkunft des Virus oder Gefahren der mRNA-Impfstoffe. Die SPD warf der AfD offen vor, kein Interesse an seriöser Aufklärung zu haben, sondern nur an provokanten Videoclips.

Spahn verteidigte sich unbeirrt mit der Ausnahmesituation – und fand dafür teilweise durchaus Verständnis im Raum.
Spahn ab.
Licht aus.
Kommission Ende. Biertrinken.

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Kommentare ( 67 )

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GefanzerterAloholiker
4 Stunden her

Natürlich hat die AfD recht, wenn sie auf verlässliche Statistiken drängt. Die werden nicht mehr aufgenommen. Damit wird nicht gearbeitet. Und das ist verloren gegangen. Man kann das tun. Eine ungeimpfte und überwachte Kohorte hat man hier nicht gebildet. Katar hat die Pandamie ohne jede Wirkung überstanden. Dann heißt es halt, „ja, deren Bevölkerung ist jung“. Aber bei uns sollen die Kinder gespritzt werden. „Ja, hier scheint die Sonne nicht so oft.“. Es gibt keine Statistiken, aus denen wir Aussagen ablesen können. Und dann heißt es immer Korrelation ist keine Kausalität. Das ist eine höfliche Art einem geistige Umnachtung zu… Mehr

Casta Diva
5 Stunden her

Stephan Kohn (* 1962) ist ein deutscher Verwaltungswissenschaftler. Er war bis Anfang Mai 2020 im Bundesinnenministerium im Rang eines Oberregierungsrates im Referat Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz tätig (Referat KM4, Abteilung 4 Schutz kritischer Infrastrukturen). Öffentlich bekannt wurde Kohn bereits 2010 als einer der Geschädigten im Ahrensburger Missbrauchsskandal. Am 8. Mai 2020 versandte Kohn einen auf der Grundlage verschiedener Gutachten verfassten „Auswertungsbericht“ mit dem Titel Coronakrise 2020 aus Sicht des Schutzes Kritischer Infrastrukturen, Ergebnisse der internen Evaluation des Corona Krisenmanagements an führende Beamte im Innenministerium, darunter auch den Staatssekretär Hans-Georg Engelke und an die Innenministerien der Länder. Das BMI distanzierte sich direkt nach dem Schreiben in Mitteilungen an die Gutachter und am 10. Mai auch öffentlich von Kohns Handlungsweise und von… Mehr

BKF
5 Stunden her

Es habe keine Blaupause gegeben, sagte er.“ Es gab aber einen Pandemieplan, der auch noch speziell auf ein pendemisches Coronavirus abgestellt war, die Blaupause nach der man hätte vorgehen können und müssen, war also vorhanden.

Casta Diva
5 Stunden her

Jens Spahn, der nur Gutes Wollende … Wer’s glaubt, wird selig. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich an Stephan Kohn (* 1962) ist ein deutscher Verwaltungswissenschaftler. Er war bis Anfang Mai 2020 im Bundesinnenministerium im Rang eines Oberregierungsrates im Referat Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz tätig (Referat KM4, Abteilung 4 Schutz kritischer Infrastrukturen). Öffentlich bekannt wurde Kohn bereits 2010 als einer der Geschädigten im Ahrensburger Missbrauchsskandal. Am 8. Mai 2020 versandte Kohn einen auf der Grundlage verschiedener Gutachten verfassten „Auswertungsbericht“ mit dem Titel Coronakrise 2020 aus Sicht des Schutzes Kritischer Infrastrukturen, Ergebnisse der internen Evaluation des Corona Krisenmanagements an führende Beamte im Innenministerium, darunter auch den Staatssekretär Hans-Georg Engelke und an die Innenministerien der Länder. Das BMI distanzierte sich direkt nach dem… Mehr

PaulKehl
5 Stunden her

Übermäßig interessierte Kreise ventilieren natürlich, daß es für hochgestellte Politiker keine Haftung gibt. Das ist falsch. Der rheinland-pfälzische Minister Ingolf Deubel wurde wegen Untreue bei der Finanzierung des Nürburgrings verurteilt. Erinnert sei auch an den Ffm-er Ex-Bürgermeister Feldmann und an die Bonner OBB Dieckmann. Spahn hat hier gegen sämtliche Regeln und gegen seine Fachabteilungen gehandelt. Dies lag außerhalb seiner Amtstätigkeit. Die Finanzierung seiner Villa im Grunewald wurde nie geklärt. Also bitte, Staatsanwaltschaft Bamberg, nehmen Sie Ermittlungen auf. – Erstaunlicherweise fangen dann Juristen, die sich noch mit der abstrusesten Rechtsfrage im Aylrecht beschäftigen, das Stöhnen an, das sei alles so schwierig… Mehr

Juergen Schmidt
6 Stunden her

Den Auftritt von jens Spahn sollte jeder gesehen haben, es ist ein wichtiges Zeitdokument. Die infame Niedertracht, die schamlose, kalte Verlogenheit ist abstoßend und faszinierend zugleich.
Dass so jemand in unserem Land über Macht, Einfluss und Reichweite verfügt, bringt uns alle in höchste Gefahr.
Die Episode zeigt aber auch, wenn früher Leute gewarnt haben »Es drohen Orwellsche Verhältnisse!«, so muss man spätestens jetzt erkennen: wir sind schon voll drin im Roman »1984«.

Last edited 6 Stunden her by Juergen Schmidt
Klaus D
7 Stunden her

Auffällig war, dass die AfD die Maskenbeschaffung kaum thematisierte….könnte mir gut vorstellen das da auch wer mit abkassiert hat.

Privat
7 Stunden her

Die alte Merkel hat ab 2015 70 Milliarden Euro deutsches Steuergeld an die Pleitegriechen verschenkt. Darüber spricht niemand mehr, auch kein Politbonze
Wie wäre es denn, wenn Griechenland das Geld der Steuerzahler zurückzahlt.
70 Milliarden Euro sind in unserem Land besser angelegt.

PaulKehl
6 Stunden her
Antworten an  Privat

Das Geld ist nie bei den Griechen gelandet, sondern bei französischen Banken, die Griechenland großzügig Anleihen gewährt haben. Dies angesichts der schwachen sSabilität, welche auch Kohl bei der EU-Einführung in Griechenland ignoriert hat. – Der Euro war von vorneherein auf Betrug angelegt.

GermanMichel
6 Stunden her
Antworten an  Privat

Wurde das nicht direkt an französische Banken weitergeleitet? Der zentrale Schurke ist immer das Geld und Bankensystem, Politiker sind dagegen meist ausgesprochene intellektuelle Grobmotoriker. Schulden innerhalb der EU könnten mit einem Federstrich um 70% reduziert werden, da gegenseitige Schulden. Wird nicht gemacht, da französische Banken (und nicht Frankreich) Italien Kredite geben, und italienische Banken (und nicht Italien) Frankreich Kredite geben Die Schuldenkrise dreht sich also darum, die Interessen von privat Bankern zu wahren, die Geld aus den Nichts schöpfen und gegen Zinsen verleihen (eigentlich Privileg des Staates). Einfach Banker in den Knast, gegenseitige Schulden aufrechnen, und die europäische Staatsschuldenkrise ist… Mehr

Lars Baecker
7 Stunden her

Soso, es war also niemals das Ziel der Impfung, Infizierung und Ansteckung anderer zu verhindern.
Hatte ich anders in Erinnerung. Aber ich kann mich auch täuschen…

Zack
7 Stunden her

„…. Die Bilder aus Bergamo, New York und London hätten einen Handlungsdruck erzeugt…“ Dieser Lügner! Jeder in der Regierung wusste schon frühzeitig, was heute auch normale Bürger wissen! Das z.B die „Bilder von Bergamo“ getürkt waren! Die Panikmache war gewollt, Das hat auch das Papier belegt , in dem empfohlen wurde die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu halten! Dieser Mann hat sich mit Sicherheit bereichert und ein nicht unerheblicher Teil wird wohl in seine Villa geflossen sein. Als Bankkaufmann dürfte er aber auch klug genug sein das über so viele Kanäle laufen gelassen zu haben dass man das nicht… Mehr