Friedrich Merz ist erstaunlich zeitgemäß

Ist Bernd Stromberg heute noch zeitgemäß? Diese Frage bestimmt derzeit das Fäuetong. Doch auf den Kanzler lässt sich diese Frage auch richten – und die spannende Antwort lautet: Ja, Friedrich Merz ist erstaunlich zeitgemäß.

IMAGO - Collage: TE

Dieser Tage läuft der zweite Stromberg-Film in den deutschen Kinos. Die Kritiken dazu sind dominiert von der Frage: Ist das noch zeitgemäß? Diese Art von Humor wie: „Nur dass eine Frau scheiße aussieht, heißt ja noch nicht, dass sie gleich intelligent ist.“ Oder: „Das Lied ist von John Lennon.“ „Ja, deswegen ist er ja dann auch erschossen worden.“ Auch den Film bestimmt diese Debatte. Alle zehn Minuten traut sich mal eine Pointe aus ihrem sicheren Versteck, worauf eine zehnminütige Debatte folgt, ob man einen solchen Witz heute noch machen darf. Weil moralinsaure Predigten ja unterhaltsam sind, wenn man sie nur künstlerisch einbindet.

Das Comedy-Format rund um die mittlere Führungskraft Bernd Stromberg stammt aus den Nullerjahren und aus dem Universum von Pro Sieben. Damals ein frecher Sender, der neue Formate wie Scrubs oder Two and a half Men zeigte. Heute ist Pro Sieben ein woker Mitläufer, der dem grünen Zeitgeist hinterherläuft, Erfolge meist nur noch feiern kann, wenn er Restruhm melkt – und der 20 Jahre später immer noch die gleichen Folgen von Scrubs und Two and a half Men zeigt.

Ist das heute noch zeitgemäß – müsste sich die Aktivistengruppe von Pro Sieben selbstkritisch fragen. Und das ehrlicherweise mit Nein beantworten. Doch dann taucht das nächste Problem auf: Was eigenes zu bieten haben grüne Aktivisten halt auch nie. Deswegen werden sie das größte Format aller Zeiten schaffen: Es wird unterhaltsam sein, innovativ, die Menschen zu einem besseren Leben bekehren, sodass die Eiscreme im Kühlschrank niemals schmelzen muss. Jetzt muss Pro Sieben nur noch eine Arbeitsgruppe gründen, um den eigenen Anspruch umzusetzen. Bis es soweit ist, fließen allerdings noch einige Soja-Latten die Helikopterkinderhälse runter.

Tagung des Koalitionsausschusses
Friedrich Merz ist der größte Reformkanzler aller Zeiten – denkt er von sich selbst
Womit wir fast nahtlos bei Friedrich Merz wären. Der sieht sich selbst als den größten Reformkanzler aller Zeiten und auch er ist nur noch einige Arbeitskreise davon entfernt, dass sein Selbstbild zur Realität wird. Wobei ansonsten große Unterschiede bestehen: Bernd Stromberg hat einen Bart. Steht nicht zu seiner Glatze, weswegen er hartnäckig sein kümmerliches Resthaar pflegt. Er hält sich für den Größten, lässt das jeden wissen, ist aber selbst mit einfachsten Aufgaben überfordert. Friedrich Merz ist ganz anders. Er hat keinen Bart.

Der 70 Jahre alte Kanzler muss sich die Frage stellen: Ist er noch zeitgemäß? Erstaunlicherweise heißt die Antwort: ja. Denn zeitgemäß wird immer als positives Adjektiv verstanden. Das hängt aber stark von den Zeiten ab. Für den Neandertaler war es völlig angemessen, dem anderen mit der Keule den Schädel einzuschlagen, um ihm dann die Frau zu stehlen. Der Hofstaat Ludwig des XIV hat seine Blase und seinen Darm in den Ecken des Schlosses von Versailles entleert. War normal. Und Anfang des 19. Jahrhunderts hat „die Wissenschaft“ Schädel von Menschen vermessen, um dadurch Rückschlüsse auf ihre genetisch bedingte, intellektuelle Potenz zu ziehen. Zeitgemäß kann auch richtig Mist sein.

Wie sieht denn die Politik dieses Landes aus? Sie besteht aus Bärbel Bas (SPD), die glaubt, die Rentenzuschläge kosten nichts, weil sie von Steuergeldern bezahlt werden. Aus Robert Habeck (Grüne), der meint, Unternehmen müssten nicht in die Insolvenz, wenn sie nur rechtzeitig aufhörten zu produzieren. Aus Heidi Reichinnek (Linke), die die Deutsche Bahn verstaatlichen will, obwohl die schon zu 100 Prozent staatlich ist. Aus Saskia Esken (SPD), die meint, der Öffentliche Dienst lasse sich aus den Steuern der Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes finanzieren. Aus Christian Lindner und Marco Buschmann (FDP), die beide meinen, sie würden von den Gegnern rot-grüner Politik gewählt, wenn sie rot-grüne Politik ermöglichen, aber dann „das Schlimmste“ verhinderten. Aus Jens Spahn (CDU), der überteuerte Maskendeals abschließt und schon währenddessen ankündigt, man werde ihm das später mal zu verzeihen haben.

Wobei die Kulturlandschaft auch nicht besser ist. Kulturschaffende, die bei jeder Erklärung gegen Israel hier schreien, um unterschreiben zu dürfen – aber zu den Kindermorden der Hamas bis heute kein einziges kritisches Wort geäußert haben. Aus Staatspunks, die Wehrdienst gut finden, weil Pflicht ja schon was Cooles sei. Und aus einem Staatsfernsehen, das Hautfarben-Tests macht, um Bürger in okay und nicht okay einzuteilen. Um es kurz zu machen: ja. Friedrich Merz ist zeitgemäß. Aber das spricht halt gegen die Zeiten.

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