Fürs liebe Geld will eine Gemeinde im Saarland den einzigen intakten Wechselweg unseres bedrohten Rotwilds zwischen Frankreich und Deutschland opfern. Lukrative Klimamaßnahmen sind halt wichtiger als Tierwohl.
picture alliance / imageBROKER | Friedhelm Adam
Wie Borussia Dortmund und Schalke 04. Wie Hund und Katze. Wie Feuer und Wasser. So kann man ohne Gewissensbisse das grundlegende Verhältnis des Deutschen Jagdverbands (DJV) und des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) beschreiben.
Wenn ausgerechnet diese beiden gemeinsame Sache machen, dann ist klar, dass es sich um eine außergewöhnliche Sache handelt. Und um eine besonders wichtige.
Im äußersten Westen des Saarlands, keine 200 Meter von der Grenze zu Frankreich entfernt, verläuft die Autobahn A8 für etwa einen halben Kilometer durch den „Tunnel Pellinger Berg“. Die Gegend ist dünn besiedelt. Die Autobahn zerschneidet hier auf ganzer Länge, quasi von Schengen bis nach Saarlouis, ausgedehnte Waldgebiete.
Vor allem für Rothirsche ist die A8 ein unüberwindliches Hindernis – außer am Tunnel Pellinger Berg. Auf dem Tunnelrücken, sozusagen über das Dach, können die Tiere von Frankreich nach Deutschland und wieder zurück wandern. Es ist die einzige funktionierende Wildbrücke im gesamten Saarland – und die einzige noch verbliebene lückenlose Verbindung zwischen dem saarländischen Hochwald und dem französischen Massif de la Canner.
Oder besser: Es war. Denn ausgerechnet hier will die Gemeinde Mettlach eine riesige Freiflächen-Photovoltaikanlage bauen lassen: den „Solarpark Wehingen“, rund 25 Hektar groß, so viel wie etwa 25 Fußballfelder. Bei so einem Solarpark kalkuliert man gemeinhin pro Jahr und Hektar mit einem Erlös von zwischen 30.000 und 50.000 Euro. Für die Gemeinde ist das also absehbar ein gutes Geschäft.
Für die Hirsche eher weniger.
Genetische Verarmung bedroht die ganze Art
Das Rotwild in Deutschland ist akut gefährdet. Auf den ersten Blick erscheint das paradox, denn die absolute Zahl an Tieren steigt sogar. Derzeit liegt sie bei schätzungsweise etwa 200.000 Hirschen, Kühen und Kälbern. Das wahre Drama zeigt sich erst auf den zweiten Blick.
Die Rotwildbestände bei uns leben quasi auf Inseln. Zum Beispiel in den großen Flächenländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind sogenannte Rotwildbezirke ausgewiesen. Nur dort dürfen sich die Tiere aufhalten. Das Konzept soll die Forstwirtschaft schützen, weil Rotwild gerne an Baumrinden schält und so den Ertrag der Waldbesitzer schmälert. Die für Rotwild freigegebenen Gebiete machen nur etwa ein Viertel der Gesamtfläche Deutschlands aus.
Verlässt ein Tier so einen Bereich, darf es abgeschossen werden. Oder besser: Es soll abgeschossen werden. Denn „Wald vor Wild“ ist das offizielle Motto der Politik in Deutschland. Das grüne Mantra des Klimaschutzes als oberstes Gebot – gerne auch zu Lasten des Umweltschutzes, des Naturschutzes und des Tierschutzes – hat diese Haltung über Jahre verfestigt. Förster und Waldbesitzer drängen die Politik (und die Jäger) dazu, Rotwild außerhalb der ausgewiesenen Gebiete konsequent zu beseitigen.
Das wäre noch nicht einmal so ein großes Problem – wenn die Rotwildbezirke nicht so zersplittert wären. Das sind sie aber. Viel zu selten gelingt es vor allem Hirschen, zwischen den vielen kleinen Inseln zu wandern. Dadurch bleiben die Tiergruppen auf jeder Insel sozusagen unter sich.
Das Ergebnis: Inzucht – mit katastrophalen Folgen.
Massenweise entdecken Jäger Rotwild mit verkürzten Oberkiefern, verkrümmten Wirbelsäulen und anderen massiven Missbildungen. Immer mehr Kälber werden ohne Augen geboren. Der Genpool ist schlicht zu klein, das hat erst jüngst eine Studie der Universität Göttingen wieder gezeigt. Die sogenannte „effektive Populationsgröße“ zeigt an, wie viele genetisch unterschiedliche Tiere an der Fortpflanzung beteiligt sind. Bei gesunden Beständen sind es zwischen 500 und 1.000 Tiere. Lediglich zwei (!) Populationen in Deutschland erreichen diesen Wert. Überall sonst ist die Gen-Armut schon „bedrohlich“ oder sogar „höchst bedrohlich“.
Der Wildbiologe Frank Zabel vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein sagt klipp und klar: „Wir sind am Anfang eines Aussterbeprozesses.“
Umso wichtiger ist jeder Weg, auf dem Rotwild zwischen den Gebieten wandern und so den Gen-Pool anderer Populationen auffrischen kann. Vor allem Autobahnen und das Schienennetz der Bahn zerschneiden unsere Landschaften, da sind Wildbrücken Gold wert.
So wie oben auf dem Tunnel Pellinger Berg. Bisher jedenfalls.
Schulterschluss der Konkurrenten
Mettlachs Bürgermeister Daniel Kiefer (SPD) verweist kühl auf einen Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats. Es ist klar: Man will nicht auf die erhofften Zusatzeinnahmen verzichten wegen irgendwelcher Hirsche.
Zu deren Schutz hat sich eine ungewöhnliche Koalition gebildet: Der Deutsche Jagdverband DJV und der NABU, die sich ansonsten selten grün sind, kämpfen hier Seite an Seite für das Rotwild. „Das hat es noch nicht gegeben“, sagt DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke. Man will jetzt gemeinsam gegen den Solarpark klagen. Im Planfeststellungsbeschluss für die A8 aus dem Jahr 1990 ist der Pellinger Berg als Wildtierquerung ausdrücklich vorgesehen.
Auch Landesjägermeister Josef Schneider hofft, dass das Projekt noch gestoppt werden kann: „Damit wir Rotwild nicht demnächst nur noch von Bildern kennen.“

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Das ist doch alles kein Problem. Einen Hirschbullen narkotisieren und umsiedeln. Das macht man in Afrika schon seit der Beschaffung für Tiere in europäischen Zoos. vom Affen bis zum Elefantenbullen.
Es besteht dann natürlich die Gefahr, dass diese umgesiedelten Hirsche in Berlin die Affen verdrängen, die sich da ausgebreitet haben.
Die Grünen waren noch nie Umwelt- und Naturschützer. Das war nur das Vehikel für die Kommunisten, um an die Macht zu kommen.
> Man will nicht auf die erhofften Zusatzeinnahmen verzichten wegen irgendwelcher Hirsche.
Für diese Hirsche wurde für viel Geld der Tunnel gebaut. Kann die Gemeinde nicht woanders ihren Park zum Steuergeld-Kassieren bauen?
Doch, aber diese Flächen sind schon für Windmühlen verplant.
„Die Planwirtschaft“, Max Krarl
Habe mir das mal auf Maps angesehen. Der Bereich ist natürlich am äußersten Rand der Gemeinde, weit weg von den Augen der Bürger oder Gäste. Dabei gäbe es noch so viele andere freie Flächen. Da wäre das Dach von Villeroy und Boch, oder der Park von Schloss Saareck.
….ok, den Schlosspark… doch, der muss als erstes dran glauben. Damit die Bürger sehen, was für Fehlentscheidungen die Politiker in Mettlach treffen
Der gesamte Linksblock bestehend aus SPD ; Grünen und Union haben keinerlei Interessen an Umwelt- und Naturschutz. Aus unterschiedlichen Gründen folgen sie einer Ideologie . Die Einen aus Dummheit , die Anderen aus reinen kommerziellen Interessen , und beide Gruppen verkaufen es als Klimaschutz.
Ich würde mal ketzerisch sagen, was interessiert denn (die meisten) Städter und viele Entscheidungsträger in Politik das Rotwild im Speziellen und die Natur im Allgemeinen? Die kennen diese Viecher bestenfalls noch aus dem Zoo oder einen Wild-Tierpark, falls sie jemals einen Schritt durch den Eingang wagen. Ansonsten fühlt man sich eher in und zwischen sterilem Beton wohl. Da ist es wichtig, dass die Straßen bis an die Haustüre führen. Diese sogenannten Grünbrücken über Autobahnen oder Straßen wurden ganz speziell als Querungshilfen für Wildtiere angelegt, hierfür wurde auch viel Steuergeld ausgegeben. Es geht hierbei nicht nur um Rotwild, sondern um alle… Mehr
Den grünen Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.
Hirsche auch nicht.
Aber den Kapitalismus kann man mit ein paar Krötenlügen aufhalten. Wurde schon sehr oft praktiziert!
Es gab mal eine Zeit , da war der Wald noch heilig.
Aber gut , da gab es auch noch Deutschland.
Wetten an dem Aussterbeprozess wird Klimawandel schuld sein. Weil ohne Klimawandel keine Solarparks notwendig wären. Das man Subventioniert wird vom Steuerbürger ist dabei ein schöner Nebeneffekt. Nur die Hirsche haben die Loserkarte.