Vieles ist in Bewegung, nur das Wahlverhalten nicht

Wenn alles, was in diesen Tagen und Wochen passiert, praktisch keine nennenswerten demoskopischen Auswirkungen hat, wie kann noch jemand denken, dass sich durch Änderung des Wahlverhaltens etwas ändern wird?

oto: Robert Habeck und Annalena Baerbock (über dts Nachrichtenagentur)

Die Grünen fallen im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut INSA wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt, auf 16 Prozent, das ist ein Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche, sieben Prozentpunkte weniger als vor einem halben Jahr und der niedrigste Stand seit April 2022. Die FDP verliert einen Punkt und kommt in dieser Woche auf 7 Prozent, die SPD wie in der Vorwoche auf 20 Prozent. Die Union kann einen Prozentpunkt zulegen und erreicht 28 Prozent. Die AfD bleibt bei 15 Prozent, die Linke bei 5 Prozent. Die sonstigen Parteien könnten 9 Prozent der Stimmen auf sich vereinen (+1).

Für die „Bild am Sonntag“ hatte das Meinungsforschungsinstitut 1.508 Personen im Zeitraum vom 16. bist zum 20. Januar 2023 befragt (TOM). Frage: „Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, wie würden Sie wählen?“

Die Grünen demoskopisch bei 16, die AfD bei 15, die Union bei 28 und die SPD bei 20 – aber die zentralen Grün-Botschaften in den ÖRR und fast allen anderen Medien bei einer Art Zweidrittelmehrheit.

Da drängt sich dem langjährigen Beobachter die Frage auf: Wenn alles, was in diesen Tagen und Wochen passiert, praktisch keine nennenswerten demoskopischen Auswirkungen hat, wie kann noch jemand denken, dass sich das Wahlverhalten ändern wird und sich dadurch etwas ändern lässt?

Obwohl die Mehreren von „ihrer“ Partei schon lange nicht mehr viel halten, sagen sie einem, die anderen Parteien wären ja auch nicht besser und dann bliebe man doch bei der, wo einem selbst das Versagen vertrauter wäre.

Die Leute wählen (oder nicht) diese oder jene Partei, nicht weil sie sich von ihr eine Änderung der Politik erwarten, sondern weil die Allermeisten ihre Stimme so abgeben wie „immer schon“ – aus Gewohnheit, aus Bekundung ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Milieus und so weiter: So wie Viele sonntags in die Kirche gehen, nicht weil sie „glauben“, sondern weil sie zeigen wollen, dazu zu gehören.

Anders und für viele besorgte Bürger enttäuschend ausgedrückt: Veränderungen im Wahlverhalten hinken mit großem Zeitverzug hinter den Änderungen der Wirklichkeit nach, vollziehen die Veränderungen bei Wahlen nachträglich – aber bewirken sie nicht.

(Auf Basis von dts)

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Kommentare ( 73 )

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Waldorf
1 Jahr her

Tja, Herr Goergen, so ist das wohl – nur warum? Gehe ich einen Schritt zurück und versuche den Wald der Lebens-Rätsel mit etwas mehr Abstand zu betrachten, hängt scheinbar viel mit den Lebensumständen im Hier und Jetzt zusammen. Geht es einem gut, will natürlich jeder, daß es möglichst lange so bleibt, also wählt man denjenigen, wo dem man am ehesten erwartet, dass er möglichst wenig verschlechtert oder manches sogar verbessert. Merkel scheint mit diesem diffusen Versprechen („Sie kennen mich“) ganz gut gefahren zu sein, egal wie wenig ehrlich sie jeden Tag ihrer politischen Existenz war. Ihre Maßnahmen in Richtung Verschlechterung… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Waldorf
Oneiroi
1 Jahr her

Der 0815 Deutschen geht vermutlich eher von „seiner“ Partei hin zur Nichtwählerschaft. Viele sind noch mit Linearfernsehen und Tagessschau aufgewachsen und auf dem alltäglichen Ritual 20.00 Uhr hängengeblieben. Wer noch in den 2000ernaufewachsen ist, gehört zur letzen Fernseh-Kohorte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit über Eltern 20 Jahre lang durch das Ritual abgerichtet wurden.
Mich würde interessieren, ob sich bei einigen auch ein körperliches Unwohlgefühl einstellt, wenn sie über längeren Zeitraum die ÖR Nachrichten verpassen. Pawlow hatte da einige interessante Experiment.

Haeretiker
1 Jahr her

Ich denke es ist ein Irrtum anzunehmen, dass die Menschen in Deutschland mit ihrem Wahlverhalten diese Zustände selbst zu verantworten hätten.
So wie die Deutschen 1933 nicht die Nazis durch Wahlen an die Macht brachten, so herrschen die Grünen nicht durch den Willen der deutschen Wähler. Man betrachte sich doch nur einmal den Stimmenanteil der Grünen und deren Gewicht in der Regierung.
Meinungsumfragen sind unter diesen Herrschaftsverhältnissen ohne jeden Belang.

Gisela Fimiani
1 Jahr her

Wahre menschliche Freiheit schließt immer die Eigenverantwortung ein. Um der Furcht vor Letzterer zu entgehen, bevorzugt es das Land sich dieser Freiheit entledigen. Der Trägheit, Bequemlichkeit, Infantilität, der Weigerung, der Wirklichkeit zu begegnen, fällt die Fähigkeit zum eigenen Denken zum Opfer. „Lieber tot als Sklav’, lieber stehend sterben, als auf Knien leben“ spricht für das Bewusstsein eigener Menschenwürde. Der Freie macht sich derzeit frei-willig zum Sklaven. Er wirft seine Menschenwürde von sich, da jeder, der es vorzieht auf den Knien zu leben, auf den Knien stirbt, denn niemand ist leichter zu morden als ein Sklave. (Wahl-)Verhalten läßt immer auch auf… Mehr

caesar4441
1 Jahr her

Der kraut ist leider sehr schwer von Begriff,er kann zukünftige Entwicklungen nicht vorhersehen selbst wenn man sie ihm erklärt er muß die persönliche Erfahrung machen.
Die Grünen haben es v o r der Wahl versprochen : „Kein Strom,kein Gas,kein Öl,kein Holz ,keine Kohle,keine Heizung,kein Auto,kein Haus,kein Fleisch,keine Arbeit,kein Einkommen ,kein etc.Das Paradies ist nahe.Sie halten Wort im Gegensatz zu den anderen Parteien.Und der kleine Masochist ist beglückt.
Der kraut wird solange grün wählen bis das Kind im Brunnen ist.Dann wird das Gejammere groß sein.

rainer erich
1 Jahr her

Ein Blick auf die Verfasstheit der deutschen Gesellschaft und der Mehrheit der Individuen erklaert hinlänglich, warum wer gewaehlt oder nicht gewaehlt wird. Die Kriterien der Stimmabgabe sind bekannt. Sie ähneln denen, von den Motiven der Transformatoren und der Opportunisten (z. B. aus dem Staatsdienst) abgesehen, die Menschen, ein Geschlecht etwas mehr als ein anderes, anlegen, wenn sie Menschen waehlen. Denn natuerlich waehlen die wenigstens nach dem politischen Programm, soweit vorhanden, sondern nach dem, was ihnen ihr limbischen System eingibt. Die Entscheidung rationalisieren sie danach, rational ieS ist sie nicht. Die Mechanismen, die hier wirken, fuehren schon vor 2500 Jahren zu… Mehr

Michael Schulz
1 Jahr her

Lieber Herr Goergen, ich schätze Ihre Analysen sehr, insbesondere Ihre „TE-Wecker“ zum Jahreswechsel waren toll. Aber hier versagt meiner Meinung nach Ihre Analyse. Die Wähler haben absichtlich und strukturell keine Chance sinnvoll abzustimmen. Niemals bewerten Stimmen die Vergangenheit. Jeder hat nur eine Stimme, die er NUR so vergeben kann, dass er für sich den ohnehin zu erwartenden Schaden seitens der kommenden Regierung so klein wie möglich hält. Wobei durchaus strategisch vorgegangen wird und Koalitionswahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden. Und dabei kommen die Menschen selbstverständlich oft immer wieder zu denselben Einschätzungen, wie bei ihrer letzten Wahl. Denn die Fehler der Vergangenheit wurden, wie… Mehr

humerd
1 Jahr her

16 Prozent der Wählerschaft gehören zu den Profiteueren der grünen Subventionspolitik, gern als Förderungen bezeichnet.
Erfahrungsgemäß gehören zur großen Gruppe der Nichtwähler nicht unbedingt viele aus der saturierten Wohlstandsecke. Die Nichtwähler sind die große Stütze der Grünen, leider begreifen das die wenigsten und sehen Nichtwählen auch noch als Protestform.

caesar4441
1 Jahr her
Antworten an  humerd

Mit den Nichtwählern ist es wie mit dem trotzigen Jungen :“Geschieht meinem Vater recht wenn ich mich in den Finger schneide ,hätte er mir doch kein Messer geschenkt“

AHamburg
1 Jahr her

wenn man überlegt welche Medien Macht die Grünen haben. Alleine über 8 Milliarden verprassen die grünen beim Staatsfunk, damit täglich grüne Propaganda den Leuten in die Hirne gepflanzt werden! Die vielen spendablen Gönner, Zeitungen, NGOs die für die Grünen trommeln mit eingerechnet und dann nur lächerliche 17 Prozent! Die AFD die nix davon hat und entweder totgeschwiegen oder niedergeschrieben wird ist mit 15 Prozent fast gleichauf.

Teiresias
1 Jahr her

Der Zusammenhang zwischen Wahlergebnis und Politik wird auf breiter Front nicht verstanden. Alle haben über Merkels Politik geschimpft, während sie durchgehend beliebteste Politikerin war. Politiker werden von den Meisten scheinbar gar nicht mit Politik in Verbindung gebracht. Bei Wahlen ordnet sich der Wähler einer Gruppe zu. Man will zu den Guten gehören, und wer die Guten sind, erfährt man aus den Mainstreammedien. Der Mensch ist ein Herdentier. Politik ist dann etwas ganz Anderes, etwas, das wie ein Naturereignis über uns kommt und das man nicht ändern kann. Daß man eine Partei als Interessenvertretung wählt, auf die Idee kommen 90% der… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Teiresias
Michael Schulz
1 Jahr her
Antworten an  Teiresias

Auf Umfragen muss man gar nichts geben. Natürlich kann Merkel die beste sein, weil der Rest noch viel unfähiger ist. Jeder der ansatzweise Kompetenz hatte wurde nach Merkels Machtübernahme aus der CDU gedrängt. Was übrig blieb war blass und inkompetent, wie nach Merkels Abgang bei der Wahl 2021 bewiesen wurde. Aber dieses Merkel-Verhalten hat System. Kein Parteiführer will hinter sich Leute haben, die intelligenter, gerissener oder einfach nur besser sind. Das Risiko einer vorzeitigen Ablösung wäre mit solchen potentiellen Nachfolgern viel zu hoch. Also werden gute Leute rechtzeitig aus dem System herausgedrängt. Das geht bei allen Alt-Parteien schon seit Jahrzehnten… Mehr

Teiresias
1 Jahr her
Antworten an  Michael Schulz

Das Phänomen, Merkels Politik abzulehnen, aber Merkel ganz toll zu finden, kenne ich aus eigener Anschauung vor allem von älteren Frauen.

Die Evolution zum Schlechten ist sicher real, da haben sie völlig recht. Leider beschränkt sich das Phänomen nicht auf die Politik, in der Wirtschaft findet man das genauso.