Volker Beck trat wie Nancy Faeser bei Linksextremen auf

Beck verteidigt Faeser, indem er Auftritte auf Veranstaltungen des kommunistischen Herausgebers der linksextremen Zeitschrift „antifa“ zugibt. Faeser wehrt sich gegen „durchschaubare Vorwürfe“. Linke Medienvertreter versuchen, den Fall umzudeuten.

IMAGO / epd
Die Affäre um die linksextreme Zeitschrift antifa zieht immer weitere Kreise. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte im Sommer vergangenen Jahres einen Gastbeitrag im Blatt veröffentlicht, dessen Herausgeber im aktuellen Jahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes geführt wird. Es handelt sich dabei um die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, kurz VVN-BdA.

Laut Verfassungsschutzbericht arbeitet die Organisation „mit offen linksextremistischen Kräften“ zusammen und betrachtet letztlich auch die parlamentarische Demokratie als „faschistisch“, was als Legitimation zu deren Bekämpfung dient. Die Affäre war von der Jungen Freiheit aufgedeckt, von der Bild-Zeitung verbreitet und durch Oppositionspolitiker massiv kritisiert worden. TE berichtete ebenfalls.

Faeser hat am Sonntagmorgen Stellung bezogen. Statt sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, unterstellte sie der Jungen Freiheit, der AfD, der Bild-Zeitung und der Union eine Kampagne. Die Vorwürfe seien „durchschaubar“, sie habe immer „klare Kante gegen Rechtsextremismus und alle Feinde der offenen Gesellschaft gezeigt“. Selten hat ein Innenminister mit so wenigen Worten so viel gesagt: keine Stellungnahme zur Kumpanei mit verfassungsfeindlichen Kräften, stattdessen wird dies mit ihrem „Kampf gegen Rechts“ entschuldigt. Das ist in etwa so, als würde man nach dem misslungenen Management einer Flutkatastrophe darauf hinweisen, dass man sich keine Vorwürfe machen lasse, man habe doch jahrelang in den Erdbebenschutz investiert.

Diese typische Art des linken Meinungskampfes hatte sich schon am Vortag abgezeichnet: niemals entschuldigen, der anderen Seite den Fehler anlasten. Nicht nur SPD und Linke verwiesen auf eine Kampagne oder bezeichneten die Einsortierung der VVN-BdA als verfassungsfeindlich als Fehler. Vielfach tauchte das Argument auf, man bekämpfe gar Holocaustüberlebende und ihre Nachfahren. Dass dieses Signet der VVN schon Ende der 1940er von der SPD durchschaut wurde, weswegen man einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den offen agierenden Kommunisten verabschiedete, findet dabei kaum eine Erwähnung.

Dass nur Bayern die VVN im Jahresbericht führt, bedeutet übrigens nicht, dass andere Bundesländer die Organisation nicht beobachten. So musste der rote Senat in Hamburg eingestehen, dass man die Linksextremen im Jahr 2015 mit Zuwendungen von 5.000 Euro bedacht hatte – obwohl Hamburg die VVN immer noch beobachten lässt. Auch der hessische Verfassungsschutz beobachtet die VVN weiterhin. Es handelt sich also in Bayern um keine Ausnahme. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Innenministerium unterstellt ist, deren Chefin sich aber nicht nur am Flirt mit Linksextremen stört, sondern diesen sogar öffentlich verteidigt, zeigt ein besonderes Amtsverständnis: Wer Extremist ist, bestimme ich.

Man könnte sich von dem medialen, politischen und ideologischen Spektakel abwenden, das mittlerweile die Junge Freiheit mit der antifa vergleichen will, um vom eigentlichen Skandal abzulenken (Auflösung: im Gegensatz zur antifa wird die JF nicht vom Verfassungsschutz beobachtet), oder das eine angeblich zu Unrecht verfolgte DKP-nahe Organisation nun von unausgesprochenen Nazi-Medien und Nazi-Parteien verfolgt wird. Das ist sie, die schöne neue Welt linker Deutungshoheit, nicht nur am extremen Rand, sondern auch im Herz der SPD. Doch hat die ganze Sache auch ihr Gutes: Jeder muss Haltung zeigen, sich bekennen – und zieht damit die sprichwörtliche Maske vom Gesicht.

Im allgemeinen Reigen, Faeser zu verteidigen, den Ball zurückzuspielen und die VVN zu verharmlosen, entlarvte sich ganz ungewollt Volker Beck, bis 2017 Abgeordneter für die Grünen im Bundestag. Er gilt als bekennender Israelfreund im linken Lager. Er war Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages. Er verteidigte Israels Politik im Gaza-Streifen und sprach sich gegen die Kampagne von Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) aus, die versucht, israelische Produkte zu boykottieren. An Becks honorigem Einsatz gegen Antisemitismus und für die deutsch-israelische Freundschaft kann eigentlich kein Zweifel bestehen.

Wäre da nicht dieser merkwürdige Tweet von Beck am Sonntagmittag, in dem der grüne Israelfreund ganz unumwunden zugibt: Auch er hatte Kontakt zur VVN und es sei nichts Schlimmes dabei. „Die Vorwürfe gegen Nancy Faeser sind wirklich absurd. Ich gestehe, ich habe auch schon auf VVN-BdA-Veranstaltungen gesprochen und ihnen Grußworte geschickt. Ich hoffe niemand käme auf die Idee, mich deshalb für einen Kommunisten zu halten.“

— Volker Beck (@Volker_Beck) February 6, 2022

Wie bei Faeser bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat Beck nicht gewusst, mit wem er sich einlässt, oder er hat es gewusst und damit Linksextreme zu legitimieren versucht. Selbst Otto Schily hat in der Zeit der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder sich nicht davon abbringen lassen, die VVN in den Jahresberichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu erwähnen. Erst mit Wolfgang Schäuble brach diese Tradition ab. Noch bis 1989 hatte die VVN-BdA „Israel als imperialistischen Handlanger der USA und die Palästinenser und ihre Verbündeten einschließlich Hizbullah, Hamas & Co. als honorige ‚antifaschistische‘ Widerstandskämpfer bezeichnet“, so der Politikwissenschaftler Rudolf van Hüllen noch 2009.

Tatsächlich hat die Organisation ihren antizionistischen Kurs offenbar beendet. Aber etwas mehr Vorsicht würde man bei einem Israelfreund wie Beck schon erwarten – insbesondere, wenn alte Muster bei den Linksextremen im „Wording“ auftauchen. So etwa in einem Artikel vom Herbst 2019, in dem antifa schrieb: „Ausgangspunkt der Boykottbewegung [BDS] war sicherlich die Absicht, mit dem Boykott Druck auszuüben, der zur Beendigung des Besatzungsregimes und der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung beitragen soll.“ Von gewissen Bezeichnungen und Mentalitäten kann man sich offenbar immer noch nicht trennen, wenn die VVN immer noch den in antizionistischen Kreisen üblichen Ausdruck „Besatzungsregime“ beibehält, obwohl man längst auf der anderen Seite steht.

Aber auch ansonsten müsste Beck sich im Nachhinein einige unangenehme Fragen stellen. Etwa, dass die Kommunisten auch diesen Staat nur als Vorstufe zum Faschismus sehen. Van Hüllen: „Eine Organisation, die Zivilgesellschaft bekämpft, statt sie gegen Rechtsextremismus zu mobilisieren, kann kein Bündnispartner für Demokraten sein. Glaubwürdige Arbeit gegen Rechtsextremismus sollte auf trojanische Pferde nicht hereinfallen.“

Nicht nur, dass die VVN die parlamentarische Demokratie abwertet – sie versucht tatsächliche Unrechtsstaaten mit einem historischen Revisionismus reinzuwaschen. Wohlwollend rezensiert die antifa das Buch „Rechte Geschichtspolitik unter linker Flagge“ und hebt dabei lobend hervor: „Was seine Schrift aber wertvoll und verbreitungswürdig macht, ist seine Analyse der Mechanismen, mit denen die Politik der BRD seit 28 Jahren darauf zielt, die DDR unter dem Vorwand von ‚Geschichtsaufarbeitung‘ systematisch zu delegitimieren, zu kriminalisieren und zu denunzieren und so den eigenen Sieg im Kalten Krieg immer wieder zu manifestieren – wenn auch mit zweifelhaftem Erfolg.“

Beck hat Faeser damit einen Bärendienst erwiesen. Im Taumel linker Selbstherrlichkeit, der sich so mächtig anfühlt, dass man glaubt, selbst ein offen linksextremes Blatt zu verteidigen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung offensiv infrage stellt, nimmt man kein Blatt mehr vor den Mund. Machiavelli riet dem guten Fürsten: Jeder sieht, was du scheinst, wenige fühlen, was du bist. Faeser und ihre Mitfaeseristen zeigen das komplette Gegenteil. Viele fühlten schon immer, was sie waren, bevor sie sahen, was sie sind.

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