SPD diktiert, CDU gehorcht: Winter des Missvergnügens statt Herbst der Reformen

CDU und SPD beschwören den Zusammenhalt, während ihr gemeinsames Reformversagen das Land in den Abgrund führt. Leere Phrasen, Politik für Apparatschicks. Und die CDU merkt nicht einmal, dass sie lediglich als Befehlsempfänger fungiert.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr

Unions- und SPD-Politiker wetteifern momentan darin, den Zusammenhalt der Koalition zu beschwören. Denen muss das Wasser inzwischen bis zum Hals stehen, denn aus dem Herbst der Reformen wurde der Winter unseres Missvergnügens.

„Auf andere Art so große Hoffnung“: So betitelte der kommunistische Dichter Johannes R. Becher sein Tagebuch 1950 und seine Eintragungen 1951. Mit großer Ignoranz suchte er, an der brutalen Durchsetzung der kommunistischen Diktatur, und damit an der Wirklichkeit vorbeizusehen. Auch die Generalsekretäre der CDU und der SPD, Carsten Linnemann und Tim Klüssendorf, empfinden „auf andere Art so große Hoffnung“, um so größere übrigens, um so weniger die Bürger zu hoffen haben. Für die gilt eher Dantes Vers: „Lasciate ogni speranza, voi ch’intrate“ – Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren.

Alles an dem Text, den die beiden Generalsekretäre veröffentlichten, um ihre Verbundenheit zu dokumentierten, ist falsch. Falsch der Ton, falsch der Ort, an dem er erschien, im rotgrünen Zentralorgan T-Online, falsch das Pathos, so falsch wie die Phrasen, die zuvor nicht einmal Worte waren.

Klüssendorf und Linnemann nennen SPD und CDU „Volksparteien“. Das ist falsch, denn die SPD mit ihren 14 bis 15 Prozent ist längst keine Volkspartei mehr und die CDU mit ihren 22 bis 23 Prozent eigentlich auch nicht mehr. Sie sind eher Parteien gegen das Volk, aber keine Parteien des Volkes. Sie vertreten nur noch die Apparatschicks beider Parteien, die SPD mit einer Ideologie, die Grünspan angesetzt hat, die CDU mit Blockparteien-Biegsamkeit. Hauptsache jemand hält die Tür des Wagens auf und sagt: „Guten Tag, Herr Minister.“, Hauptsache man kann die goldene Bahncard oder die Fahrbereitschaft des Bundestages nutzen.

Es ist eine alte Erfahrung: um so weniger man bewerkstelligen kann, um so größer muss der Wortbombast sein. Denn unter Maos „Großem Sprung“ machen es die beiden Generalsekretäre nicht, die ihren gemeinsamen Beitrag mit „Bereit, den großen Fortschritt zu wagen“ betiteln. Unklar ist und bleibt, worin der große Fortschritt bestehen und wer dafür bereit sein soll.

Es ist schon jämmerlich, wenn einem für die Überschrift nur ein inzwischen ausgelutschter Wahlslogan der Grünen zur Bundestagswahl von 2021 zur Verfügung steht, der nämlich lautete: „Bereit, weil ihr es seid“.

Andererseits ist es ehrlich, denn die Regierung Klingbeil-Merz setzt brav Habecks Projekte um: das GEG bleibt bestehen, Habecks Kraftwerksstrategie versucht die rotschwarze Regierung zu verwirklichen, Habecks Industriestrompreis soll kommen, auch Habecks Vernichtung des Gasnetzes wird inzwischen ernsthaft erwogen, das Verbrenner-Aus bleibt und Johann Wadephul dilettiert durch die Weltpolitik wie Annalena Baerbock nur mit Krawatte, verschleudert aber nicht weniger Steuergelder. Deutsche Interessen sind auch für ihn ein Fremdwort.

Die beiden Generalsekretäre, die Thomas Mann feuilletonistisch gesprochen als Vorbild für dessen Felix Krull hätten gedient haben können, nur dass Felix Krull viel sympathischer ist, zeigen ihre Missachtung den Bürgern gegenüber, indem sie über ihn wie die Gouvernante über einen Dreijährigen sprechen. Gewichtig verkünden sie in einfachster Sprache: „Die Welt verändert sich…“

Wann hat sie das mal nicht getan? Okay, man wird nicht Generalsekretär der SPD oder der CDU, wenn man historische Kenntnisse besitzt. Doch der aufdringliche Paternalismus nimmt erst Fahrt auf, denn: „Die Welt verändert sich in einem Tempo, das viele Menschen atemlos macht. Lieferketten, Zollstreit und internationale Krisen – was früher weit weg schien, hat heute unmittelbaren Einfluss auf unseren Alltag. Das hat Auswirkungen auf Sicherheit, Wohlstand, Arbeitsplätze. Vieles, was uns lange getragen hat, wirkt heute brüchig. Da sind die Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz, die steigenden Preise im Supermarkt und die Unsicherheit angesichts eines Krieges mitten in Europa. Und dazu kommt das Gefühl, dass vieles immer komplizierter wird, dass man sich selbst bei den einfachsten Dingen des Alltags durch immer neue Regeln und Verfahren kämpfen muss.“

Wie gut, dass dem armen, dummen, infantilen Bürger Geistesheroen wie Klüssendorf und Linnemann zu Hilfe eilen.

Freilich haben Klüssendorf und Linnemann vergessen zu erwähnen, dass sie all das aufgezählt haben, was CDU und SPD gemeinsam verursacht und ins Werk gesetzt haben, schon unter Merkel und Steinmeier, durch Merkels vier Sargnägel für Deutschland: Energiewende, Eurorettung, Turboeinwanderung in die deutschen Sozialsysteme und Abbau von Demokratie und Pandemie-Diktatur.

Angesichts dessen, dass Union und SPD unter freundlicher Mitwirkung und Ideengebung der Grünen den Niedergang Deutschlands zu verantworten haben, und zwar vollumfänglich, auch wenn beide Parteien und ihre Medien gern den Bösewicht der Woche ausrufen, der angeblich die Schuld an den Resultaten ihrer Politik tragen soll, ist es schon dreist, zu behaupten, „dass es jetzt auf unsere Parteien ankommt – miteinander, nicht gegeneinander.“ Miteinander waren die doch immer, seit 20 Jahren. Klingt ganz nach: Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter.

Und es klingt ganz nach einem mittelmäßigen Paartherapeuten in einer Vorabendserie, wenn die beiden Generalsekretäre sensibel formulieren: „Das bedeutet, dass jede Seite bereit sein muss, eigene Gewissheiten zu hinterfragen.“

Nur fragt man sich bei der Union, welche Gewissheiten das sein sollen – außer weiter Regierungspartei zu bleiben. Diese Partei steht für nichts mehr. Stimmt nicht, sie steht für gar nichts mehr. Und die SPD? Sucht wahrscheinlich ihre Gewissheiten in den Reden Otto Grotewohls.

Oh armer Carsten Linnemann. Ob ihm auch nur im Entfernten aufgegangen ist, dass er im Text nur Blockflöte zu Worthülsen der SPD spielt, wenn unter dem Stichwort Reformen sozialdemokratische Lyrik steht: Etwa eine „höhere Tarifbindung“, die „Sozialpartnerschaft“, dass „unsere sozialen Sicherungssysteme auch zukünftig leistungsfähig bleiben“. An intellektueller Schlichtheit ist es nicht mehr zu überbieten, wenn sie mit der Kühnheit von Volkstribunen ausrufen: „Alle müssen ihren gerechten Teil beitragen.“ Nur dass der Beitrag einiger gerechter zu sein hat, denn: Big Brother is watching you.

Und als wären sie nicht die Generalsekretäre der Parteien, deren Minister die Kommission zur Reform des Sozialstaates bestimmen, sondern Kinder, die einen Wunschzettel für den Weihnachtsmann schreiben, formulieren sie doch tatsächlich: „Seid mutig, liebe Kommissionsmitglieder!“ – und packt das große Auto auch noch für mich ein.

Doch in dem Moment, in dem sich die beiden Generalsozialstaatssekretäre vornehmen, den „ Staat klüger ( zu) denken“, gleiten sie vollkommen auf der Bananenschale des Populismus aus, denn : „Wer in Deutschland eine Idee hat, ein Unternehmen gründet oder einen Antrag auf soziale Unterstützung stellt, darf nicht an Bürokratie scheitern.“ Ein Unternehmen zu gründen, stellt für Klüssendorf und Linnemann dasselbe dar, wie Bürgergeld zu beantragen. Wer so denkt, wird bald keine Unternehmensgründer, sondern nur noch Bürgergeldempfänger haben.

Doch eines wissen die beiden Phrasenrecycler genau: „Es braucht jetzt die richtigen, mutigen Reformen, die Wachstum, soziale Sicherheit und Modernisierung verbinden.“ Gut, dass wir das jetzt endlich auch wissen. Denn: „was jetzt zählt, sind Mut, Vertrauen und gemeinsame Verantwortung.“

Doch wie soll Wachstum entstehen, wenn man nicht die Reformen im Energiesektor, in der Migration, in der Bildung angeht? Von Migration, von zu hohen Energiepreisen, vom Zerfall der inneren Sicherheit und von ausufernder Bürokratie zum Beispiel durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, von Steuersenkungen, die möglich wären, wenn man die Ausgabenorgie des Staates beendet, steht nichts im Text der beiden Gladiatoren.

Gladiatoren deshalb, weil über die Autoren des Textes Frank Kafka gespottet hätte: „Sein Ermatten ist das des Gladiators nach dem Kampf, seine Arbeit war das Weißtünchen eines Winkels in einer Beamtenstube.“


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Kommentare ( 41 )

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WGreuer
1 Monat her

Die beiden sind Musterbeispiele der Krall’schen Negativauslese in den Altparteien. Nur derartige Leute kommen weiter und „bringen es zu was“. Der Kordon der Dummen um sie herum steht natürlich auch fest. Das Wohl der Bürger ist denen – trotz der permanent schönen Worte und platitüden Reden – völlig schnurtzpiepsegal, ganz im Gegensazu zu den Forderungen der Konzerne und der Globalisten.
Ich darf hier nicht schreiben, wie sehr ich derartige Leute in allen Altparteien verachte.

DDRforever
1 Monat her

Die CDU ist ebenso Mitglied der Liste der nationalen Front wie alle anderen. Da muss niemand dirigieren, die machen das völlig freiwillig und mit Freude.

Micky Maus
1 Monat her

Als sich der Lügenfriedrich gleich nach der Bundestagswahl der SPD und den Grünen willig unterworfen hat, war er schon auf der Verliererspur.Es ist einfach erbärmlich wie dieses Lügenmännlein der linksrotgrünen Mafiabande Gehorsamkeit leistet. Jeder der diese Figur noch als deutschen Kanzler bezeichnet, sollte sich zutiefst dafür schämen.

Micky Maus
1 Monat her

Als sich der Lügenfriedrich gleich nach der Bundestagswahl der SPD und den Grünen willig unterworfen hat, war er schon auf der Verliererspur.Es ist einfach erbärmlich wie dieses Lügenmännlein der linksrotgrünen Mafiabande Gehorsamkeit leistet. Jeder der diese Figur noch als deutschen Kanzler bezeichnet, sollte sich zutiefst dafür schämen.

Kontra
1 Monat her

„Einfach mal ins Machen kommen“ hätte nur noch gefehlt. Zwei Nichtskönner tanzen die Untergangs Rumba. Es war mal so schön hier und nun ist Kehraus!

H. Priess
1 Monat her

Eines muß man den Politikerdarsteller lassen, sie öffnen eine Tür zu einem leeren Raum und rufen: Seht, wie toll wir möbliert haben! Was? Ihr seht die Möbel nicht? Ihr müßt nur ganz fest daran glauben dann seht ihr die tollen Designermöbel schon! Die CDU ist schon tod, nur zu faul zum umfallen. Wenn man den geistigen Horizont von der Größe eines Kreises mit Radius Null hat kann man die Realität nicht erfassen. Normalerweise sollte man als Politiker mit beiden Beinen fest im Leben stehen, vollständig Geerdet sein wenn man seinen Job ernst nimmt aber die spielen Freund Blase wie im… Mehr

eifelerjong
1 Monat her

Unions- und SPD-Politiker wetteifern momentan darin, den Zusammenhalt der Koalition zu beschwören“
Verdammt,sie wurden nicht dafür gewählt, eine krampfhaft zusammen geschusterte Koalition zu „beschwören“, sondern dieses heruntergewirtschaftete Land, übrigens unter einzig IHRER Verantwortung, wieder auf Vordermann zu bringen.

eschenbach
1 Monat her
Antworten an  eifelerjong

Die Sozis interessiert nicht, ob dieses Land heruntergewirtschaftet ist. Wirtschaft böse! Da legt man eher noch ein Brikett drauf. Die Bürokratie abschaffen? Das Millionenheer von „Beauftragten“ aus dem Verkehr ziehen? Da müsste man den eigenen Wählern den Garaus machen.

Britsch
1 Monat her
Antworten an  eschenbach

Zu welchem Klientel gehören denn die meisten Parteifunktionäre?
Auch der SPD?
Sage mal zum Klientel noch nie wirklich echt gearbeitet.
Die kennen nur Ihre Welt und setzen sich für Ihresgleichen ein.
Es wird vergessen daß es ohne Echtes Arbeiten nicht geht.
Aber Diejenigen die echt arbeiten werden ja als „minderbemittelte“ Unterschicht „Pleps“ angesehen?
Irre ich mich da? Oder doch nicht?

H. Priess
1 Monat her
Antworten an  eifelerjong

Sie glauben wirklich, daß man mit einer Abrißbirne etwas aufbauen kann?

Peter Gramm
1 Monat her

Alles hat seine Zeit und alles hat seine Ursachen. Die Geschichte schreiben immer die Sieger und vieles muß dann halt nicht so stimmen wie festgeschrieben. Erst sehr langsam und allmählich können die Entwicklungen und Geschehnisse zurecht gerückt werden. Davon leben die Medien, Mainstream ebenso wie alternative, ja. Es gibt immer was zu schreiben und diskutieren. Richtig muß es ja nicht sein. Hauptsache es nährt den Verleger, Redakteur und Journalisten. Bestes Beispiel Herr Weimar und seine „Group“.

Okko tom Brok
1 Monat her

Die CDU hat sich programmatisch und personell so stark ins Abseits manövriert, dass es kein Vor und kein Zurück mehr gibt, ohne zwischen Linksblock und AfD zerrieben zu werden. Geht man auf die AfD zu, droht die Parteispaltung und ein Medienfuror, dem die Herrschaften heutzutage nicht mehr gewachsen wären. Lässt man alles wie es ist, schmilzt die Zustimmung beim Wähler existenzbedrohend ab, ohne dass die Parteispaltung damit schon abgewendet wäre. In beiden Fällen also keine rosigen Aussichten. Auch krasse individuelle Verfehlungen aus der (viel zu) langen Regierungszeit seit 2005 (!) mögen für die Lähmung der Union ursächlich sein.

Minusmann
1 Monat her

„Und die CDU merkt nicht einmal, dass sie lediglich als Befehlsempfänger fungiert.“ – Natürlich merkt sie das. Es war ja auch so oder so ähnlich vor der Wahl abgesprochen. Erschreckend ist die totale Verantwortungslosigkeit, mit der beide Parteien den Niedergang begleiten. Es ist einfach nur schäbig. Wir werden von vaterlandslosen Gesellen regiert.