Russlands neue Atomwaffen und Cyberangriffe

Putins Verweis auf Russlands neues Atomwaffen-Arsenal ist nicht nur der russischen Präsidentenwahl geschuldet, sondern folgt konsequent aus der russischen Militärdoktrin vom 25. Dezember 2014. Von Norbert F. Tofall

© Sean Gallup/Getty Images
In February 2018 German authorities announced that administrative computers of the German government, including those of government ministries and parliament, had been infiltrated with malware. Authorities said they suspect the Russian hacker group APT28, also known as Fancy Bear.

Die russische Außenpolitik zielt darauf, ehemalige Sowjetrepubliken heim ins Russische Reich zu holen und den hegemonialen Einfluß auf ehemalige Staaten des Warschauer Paktes zurückzuerlangen. Putin ist es bereits gelungen, eine strategische Sicherheitslücke in Europa zu erzeugen.

Der russische Präsident Putin verkündete in seiner Rede vor Abgeordneten und anderen Regimeeliten in Moskau, dass Russland Ende des Jahres 2017 eine neue atomgetriebene Rakete getestet habe. Diese könne jeden Punkt auf der Erde erreichen und sei nicht von Raketenabwehrsystemen abfangbar. Darüber hinaus teste Russland neue Unterwasserdrohnen, die mit Atomwaffen bestückt werden könnten. Auch hätte Russland kleinere Atomsprengköpfe entwickelt, welche in nicht abfangbare Marschflugkörper passten.

In dieser Woche wurde auch bekannt, dass eine russische Hackergruppe massive Cyberangriffe auf die deutsche Bundesregierung durchgeführt hat. Der Hackergruppe, hinter der nach Erkenntnissen des deutschen Verfassungsschutzes russische Regierungsstellen stehen, sei es gelungen, in den Informationsverbund Berlin-Bonn einzudringen. Der Informationsverbund Berlin-Bonn umfasst das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien, den Bundesrechnungshof und die deutschen Sicherheitsbehörden.

Schon länger bekannt ist, dass russische Hackergruppen auch für die Cyberangriffe auf Hillary Clinton im US-Präsidentenwahlkampf 2016, auf Emmanuel Macron im französischen Präsidentenwahlkampf 2017, auf Regierungen von NATO-Staaten und auf den Deutschen Bundestag verantwortlich sein sollen.

Angesichts der russischen Annektierung der Krim, Russlands verdecktem Krieg im Osten der Ukraine, der russischen Intervention in Syrien auf Seiten des Diktators Assad, russischen Cyberattacken im US-Wahlkampf, im französischen Präsidentenwahlkampf und auf die deutsche Bundesregierung, angesichts der russischen Unterstützung von rechten und linken systemkritischen politischen Bewegungen in Europa und angesichts Russlands wiederholter und in dieser Woche erneuerter Verweise auf seine nuklearen Vernichtungsmöglichkeiten sollten die europäischen Regierungen endlich aufwachen: Das konventionelle und nukleare militärische Potential Russlands hat zusammen mit Russlands Willen zu „Neuen Kriegen“ und hybrider Kriegführung eine strategische Sicherheitslücke in Europa erzeugt, die zusehends größer wird.

„Das heutige Russland hat zwar nicht die Fähigkeit zu raumgreifenden Offensiven in den westlichen Teilen Europas, wohl aber dazu, in den baltischen Staaten und auch in Teilen Polens schnelle territoriale Gewinne zu erzielen. Die baltischen Staaten lassen sich mit den derzeitigen Kräften nicht verteidigen; sie wären – wie es ‚war games‘ auf amerikanischer Seite nahelegen – in wenigen Tagen überrannt.“

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In Anbetracht dieses militärischen Eroberungspotentials Russlands stellt sich für Europa und die USA die Frage, wie die NATO-Mitglieder Polen, Litauen, Estland und Lettland geschützt werden können. Diese Frage stellt sich desto dringender, als die Verweise von Putin auf Russlands nukleare Vernichtungsmöglichkeiten und sein neues Atomwaffen-Arsenal nicht nur der russischen Präsidentenwahl in zwei Wochen geschuldet sind, sondern konsequent aus der russischen Militärdoktrin vom 25. Dezember 2014 folgen. Russland hat mit dieser Doktrin die NATO und die USA zur militärischen Gefahr für Russland erklärt, weil erstens für Russland die Gefahr bestehe, dass die NATO neue Mitglieder aufnehme und die NATO Maßnahmen zur Rückversicherung der Verbündeten an der Grenze zu Russland ergreife. Zweitens hätten die NATO und die USA ein Raketenabwehrsystem auf der nuklear-strategischen Ebene entwickelt und würden die Fähigkeit zum Cyberwarfare besitzen. Dass Putin nun verkündet, Russland habe Atomwaffen entwickelt, die nicht abgefangen werden können, ist deshalb kein Zufall und kein Wahlkampfgetöse, sondern Teil seiner langfristigen geopolitischen und militärischen Strategie. Denn die russische Außenpolitik zielt mittel- und langfristig darauf, ehemalige Sowjetrepubliken heim ins Russische Reich zu holen und den hegemonialen Einfluß auf ehemalige Staaten des Warschauer Paktes zurückzuerlangen.

Spätestens seit dem 17. Oktober 2011 betrachtet Wladimir Putin die postsowjetischen Staaten als weggebrochene Teile eines einzigen Staates: „Die Sowjetunion ist zusammengebrochen. Doch woraus bestand die Sowjetunion? Aus Russland. Sie hieß nur anders.“ Und bereits 1994 erklärte der damals noch weithin unbekannte Putin bei den 101. Bergedorfer Gesprächen der Körber Stiftung in St. Petersburg, „dass Rußland im Interesse der allgemeinen Sicherheit und des Friedens in Europa freiwillig riesige Territorien an die ehemaligen Republiken der Sowjetunion abgegeben hat; darunter auch solche Territorien, die historisch immer zu Rußland gehört haben. Ich denke dabei nicht nur an die Krim oder an Nordkasachstan, sondern beispielsweise auch an das Kaliningrader Gebiet. Die Folge ist, dass jetzt plötzlich 25 Millionen Russen im Ausland leben, und Rußland kann es sich einfach nicht leisten – allein schon im Interesse der Sicherheit in Europa;-, daß diese Menschen willkürlich ihrem Schicksal überlassen bleiben“ (Rechtschreibung und Zeichensetzung im Original).

Putin äußerte dies im Zusammenhang mit Fragen von doppelten Staatsbürgerschaften und Minderheitenschutz. Wie der Schutz von Minderheiten mit russischer Abstammung im Ausland dann in der Praxis abläuft, wurde vor dem Einmarsch Russlands in Georgien im Jahr 2008 und der Annektierung Südossetiens durch Russland mit der Ausgabe von russischen Pässen an die Bewohner Südossetiens vorexerziert.

Und mit der Annektierung der Krim 2014 und dem weiterhin andauernden verdeckten Krieg im Osten der Ukraine hat Putin de facto die ersten Schritte unternommen, um die Ukraine heim ins russische Reich zu holen. Durch die Annektierung der Krim hat Russland sowohl die Schlussakte von Helsinki von 1975 verletzt als auch die Charta von Paris für ein neues Europa von 1990 sowie das Budapester Memorandum von 1994. Ein Land, das diese fundamentalen Verträge hinsichtlich der Ukraine verletzt, wird auch vor der Verletzung dieser Verträge bezüglich anderer Staaten nicht zurückschrecken, wenn sich dafür Gelegenheiten bieten sollten.

Das Regime Putin wird die desolate Lage des Westens für sich zu nutzen wissen, um diese Gelegenheiten wahrscheinlicher werden zu lassen. Eine strategische Sicherheitslücke in Europa konnte Putin bereits erzeugen. Von Wirtschaftssanktionen wird sich Putin auch weiterhin nicht abschrecken lassen. Und ob die sehr begrenzten Truppenstationierungen im Baltikum und Polen auf Russland dauerhaft abschreckend wirken, muss leider bezweifelt werden. Es liegt in den Händen der europäischen Regierungen und der USA, die strategische Sicherheitslücke in Europa schnell und entschieden zu schließen.

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Kommentare ( 109 )

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Someone
6 Jahre her

Und Recht hat er, der Herr Putin! – Das ist wenigstens noch ein Präsident welcher versucht sein Land und seine „schon länger hier lebende“ Bevölkerung zu schützen – im Gegensatz zu gewissen Trullas hierzulande! Außerdem wem wunderts, nachdem die Nato seit 1989 immer weiter an die russischen Grenzen vorgerückt ist. – Heute stehen wieder deutsch Panzer vor Russlands Grenzen! – Was soll der Scheiss, sieht so etwa „Völkerverständigung“ aus?! https://www.welt.de/politik/ausland/article159078296/Deutsche-Leopard-Panzer-werden-an-russische-Grenze-verlegt.html Würde Putin, trotz allem, nicht noch so relaxed und umsichtig agieren, hätten wir schon längst einen viel größeren Krieg! – Im Gegensatz zu den USA mit Militärstützpunkten in über 50 Ländern,… Mehr

Rußland
6 Jahre her

Es gibt halt kein Machtvakuum auf der Erde. Europa kann sich entscheiden, ob es vom politischen System her zum Westen gehören will oder nicht (wobei ich das westliche System = USA immer vorziehen würde). Das hat aber nichts damit zu tun, dass nachbarschaftliche Verhältnisse zu Russland auch gepflegt werden müssen. Der Glaube an Neutralität oder Verzicht auf Macht wird in Europa aber m. E. nicht funktionieren.

Henni
6 Jahre her

Ja und! Ob die Balten zu den USA gehören oder zu Europa oder sonstiger dominanter Macht, ist doch im Grunde wurscht. Kleine, schwache Saaten können niemals unabhängig sein, siehe auch Tibet und China. Amerikaner leben nicht im Baltikum. Sehr viele Russen aber um so mehr. Und es liegt einfach zu nah an Moskau, als das man jemals Amis dort dulden könnte. Was den Giftgasanschlag in London betrifft wird vergessen, das es sich hier um einen hochgradigen Verräter handelt. Was würde mit solchen Verrätern in China, Iran, ja sogar in den USA passieren? Das er frei kam ist nur dem Umstand… Mehr

Ivan de Grisogono
6 Jahre her
Antworten an  Henni

Verbrechen durch Relativierung zu entschuldigen ist eine bekannte Methode um abzulenken von Fakten. Für Sie sind Kritiker der Putins Kleptokratie Verräter ! Wie entlarvend!

Klaus Müller
6 Jahre her

Russland unter Putin ist eine brutale, gewissenlose KGB-Diktatur: Auftragsmorde an Nemcov und Litvinenko, Haftstrafen für Oppositionelle, Krieg gegen die Ukraine.

ThurMan
6 Jahre her

Heee Moderation! Es ist ja unglaublich, dass hier Figuren auftreten dürfen, die ihren „Putin-Troll“-Mist ablassen. Ich hoffe, dass das zukünftig wegbleibt. Solche Beschimpfungen von Kommentatoren brauchen wir hier nicht!!!

Hans Meyer
6 Jahre her
Antworten an  ThurMan

Scheint der neue Trend zu sein, Kritik am Autor und seinem Fehlern sind Tabu und werden zensiert. Beleidigungen von Leuten, die nicht der Meinung des Autors sind, kommen durch

Joerge Schnyder
6 Jahre her

Oh, ein Wunder ist geschehen, Tichyseinblick wagt sich tatsächlich was gegen Putin zu publizieren, Hut ab! Mal schauen, ob die Redaktion das durchhält ober vom der Aufschrei der Horde von Putintrollen einknickt.
Was das schließen der evidenten Sicherheitslücke betrifft, hat leider Herr Lenin Recht: „die Europäer werden uns noch auch den Strick verkaufen, mit dem wir sie dann aufhängen“.

Fritz Goergen
6 Jahre her
Antworten an  Joerge Schnyder

Sie haben wohl wenig auf TE gelesen.

Joerge Schnyder
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

PS: ich bin gespannt, ob z.B. die neuerliche Bewerbung von Herrn Außenminister a.D. bei Herrn Putin Reflektion auf den Seiten des Tichyseinblicks findet. Schreiben Sie was dazu, Herr Goergen, gut und überzeugend schreiben können Sie ja, nur ob Sie dazu Mut haben? „Freundschaft“ der Trolle gibt dann haufenweise umsonst.

Heinstein
6 Jahre her

Es ist anhand der Beiträge und auch der Bewertung dieser ganz klar zu erkennen, daß sich jede Menge Putintrolle in diesem Forum tummeln. Ich finde den Beitrag von Herrn Tofall wohlrecherchiert und sehr informativ.
Es fällt auf, daß gerade hier die Forenbeiträge vor grammatikalischen und Rechtschreibfehlern und prorussischer Propaganda nur so strotzen, die allesamt hoch bewertet werden. Russlandkritische (und ich gehe jede Wette ein auch meiner) hingegen durch die Bank schlecht.
Bei uns in Bayern sagt man ’schleicht’s eich‘ ihr Putintrolle.

Bildungsferner Abgehängter
6 Jahre her
Antworten an  Heinstein

Es wäre äußerst hilfreich gewesen, Sie hätten einfach das eine, in vorliegendem Artikel formulierte, Argument benannt, welches Sie in der Sache am meisten beeindruckt hat.
Oder gilt Ihnen diese Bitte auch schon als eine prorussische Provokation?

Heinstein
6 Jahre her

Nein, ich halte die ‚Bitte‘ nur für ziemlich bescheuert.
Aber vll ist es in Russland ja ein gängiges Stilmittel, Argumente eines Artikels in einer Best of….-Aufzählung zu listen.

Bildungsferner Abgehängter
6 Jahre her
Antworten an  Heinstein

Argumente seien „bescheuert“- eine höchst bemerkenswerte Auffassung.

Zwackel
6 Jahre her

Ist das Realsatire? Oder zahlt da einer was dafür?
Hoffentlich gut – denn anders als beim Verbreiten von „Meinungsmache“ benötigt man für unabhängige und AUSGEWOGENE journalistische Arbeit eine seriöse Reputation – die jetzt ja wohl weg ist.

luise
6 Jahre her

In welche thinktanks geht der Journalist so?

Farbauti
6 Jahre her

Man könnte meinen Sie sind sauer, weil Putin sich was vorgenommen hat und das dann auch noch hinbekommen hat. Und das obwohl wir den bösen Russen keine Äpfel mehr schicken und die Bevölkerung auch noch ohne auskommt. Wäre es nicht schön, wenn auch wir hier Politiker hätten, die Pläne machen würden, die sie dann auch noch umgesetzt bekämen? Ich jedenfalls wäre froh wenn wir solche Politiker mit Hirn hätten.

Ivan de Grisogono
6 Jahre her
Antworten an  Farbauti

Entspricht die alte/neue Bundeskanzlerin Ihren Anforderungen nicht? Auch Sie arbeitet an mehreren epochalen Projekten. Und Äpfel bekommt Vova Putin von seinem Kumpel am Bosporus!