Radikalisierung der Berliner SPD

Sozialdemokraten haben in der Berliner SPD keinen Platz mehr: Vernünftige Kräfte werden marginalisiert, die Partei will linker als die Linken und grüner als die Grünen sein. Dazu passt die Forderung, dass sich das Land Berlin im Bundesrat für ein AfD-Verbot einsetzen solle. Der Ball liegt nun bei der Berliner CDU.

picture alliance/dpa | Christophe Gateau
Kai Wegner (CDU), Raed Saleh (SPD) und Franziska Giffey (SPD), Berlin, 14.11.2025

Ausgerechnet der Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, will durchsetzen, dass das Land Berlin eine Bundesratsinitiative zum Verbot der AfD startet. Auf die Idee, einmal darüber nachzudenken, warum im Bund nur noch circa 14 Prozent der Wähler aktuell der SPD ihre Stimme geben würden, kommt Saleh nicht. Oder warum in Baden-Württemberg nur 10,5 Prozent, in Sachsen-Anhalt, wenn es hochkommt und mit viel Glück nur noch 6 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern, wo die SPD Regierungspartei ist, nur noch 19 Prozent, wo überhaupt die aktuelle Regierungskoalition aus SPD und Linken (31 Prozent) in der letzten Umfrage noch 7 Prozentpunkte hinter der AfD (38 Prozent) liegt, und selbst in Neu-Versailles, in Berlin, die SPD nur noch einen Prozentpunkt vor der AfD liegt. Saleh will lieber im Mielke-Stil verbieten.

Wenn der abgebrochene Medizinstudent Saleh sich mit der Bemerkung verstolpert: „Unser Grundgesetz ist in dieser Frage eindeutig: Schon Parteien, die nach ihren Zielen die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen, sind verfassungswidrig und damit aufzulösen und zu verbieten“, verbreitet er sichtlich Unfug und hat sich im Text geirrt. Denn es geht darum, dass sich die Handlungen gegen das Grundgesetz richten – und da muss Saleh schon aufpassen, dass sich seine Worte nicht gegen seine Partei und gegen ihn selbst richten. Aber vielleicht meint er auch gar nicht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, sondern sein „Grundgesetz“?

War es nicht Raed Saleh, der am 30. September 2015, zu einem Zeitpunkt als die Migrationskrise, als die islamische Landnahme in Deutschland Fahrt aufnahm und die Grenzen unwiderruflich für alle geöffnet worden waren, auf die Frage von Studenten der Universität Istanbul nach seiner Vision für Deutschland befragt antwortete, dass er sich wünsche, dass in anderthalb Jahrzehnten „die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Hariye Bayar, eine gläubige Muslima“ sein würde. Ginge diese Vision, für die der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende kämpft, in Erfüllung, dann stünden auf Islamhass schwere Strafen. Denkt man an Salman Rushdie, vielleicht sogar die Todesstrafe.

Hätte „eine gläubige Muslima“ sich nicht einer Fatwa zu beugen? Würde Salehs Vision nicht darauf hinauslaufen, dass das Grundgesetz durch die Scharia ausgetauscht wird? Diese Befürchtung verstärkte Saleh noch durch einen Essay im Tagesspiegel (TE berichtete) 2018, in dem er die krude Behauptung aufstellte: „Die Islamhasser von heute sind die Antisemiten von morgen.“

Wenn man sich daran erinnert, dass am 7. Oktober 2023 Palästinenser aus Freude über das Massaker der Hamas an Juden und die Verschleppung von Juden, von denen die letzten erst vor kurzem aus den Fängen der Hamas befreit werden konnten, Süßigkeiten auf Berliner Straßen und Plätzen verteilten, wenn man auf die Pro-Hamas-Aufmärsche, auf die gewaltsamen Besetzungen von Berlins Universitäten schaut, stellt sich Salehs gleißnerische Behauptung von selbst bloß. Schon 2018 hielt Michael Wolffsohn dieserart Aussagen die einfache Wahrheit entgegen: „Der gewalttätige Antisemitismus kommt heute nicht von rechts, auch wenn die irreführenden Statistiken etwas anderes sagen.“

Saleh ignorierte nicht nur damals wie heute den muslimischen Antisemitismus, sondern wollte in einem Ablenkungsmanöver thematisieren, dass „gewisse politische Kreise ganz bewusst die Problematik des Judenhass auf die geflüchteten (muslimischen) Flüchtlinge fokussieren wollen“. „Geflüchtete Flüchtlinge“ war nebenbei bemerkt eine beachtliche Wortschöpfung, die an sozialdemokratische Sozialdemokraten erinnert. Doch von denen dürfte Raed Saleh wenig wissen, von der großen Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, von ihrem Kampf nicht gegen, sondern für die Demokratie in Deutschland. Denn er forderte schon im Jahr 2018 in seinem Essay: „Wir brauchen eine neue gemeinsame Erzählung für unser Land.“

Brauchen wir diese? Besitzen wir nicht eine ausgesprochen tragfähige, zu der die besondere Verantwortung für die Existenz Israels, die Aufklärung, die deutsche Klassik, die Religionsfreiheit und der Rechtsstaat sowie natürlich auch die jüdisch-christliche Prägung gehören? Ist diese Erzählung nicht eine gemeinsame, wenn sich alle zu ihr bekennen? Das Bekenntnis zu dieser Erzählung nennt man übrigens Integration.

Doch das ist offensichtlich nicht Salehs Erzählung für dieses Land, seine Erzählung ist die Erzählung der Verbote, der Diskriminierung all jener, die weder Salehs, noch Cheblis Vorstellungen teilen. Möglicherweise beginnt Salehs neue Erzählung für dieses Land mit der „Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Hariye Bayar, einer gläubigen Muslima“.

Es war hingegen niemand Geringeres als die Integrationsbeauftragte des Stadtbezirks Neukölln, Güner Balci, die zu der Einschätzung kam, dass „Islamisten und Aktivisten … auch Teile der Politik und auch der SPD und der Verwaltung unterwandert“ haben. Sie erläuterte – und es klang wie eine späte Kritik an Salehs Aufsatz von 2018: „Wer heute von antimuslimischem Rassismus spricht, will den grassierenden Antisemitismus relativieren und den Islamismus.“ Den einzigen, den die Feststellung von Güner Balci – „Im Moment haben wir Meldestellen, die teilweise bei Islamisten und Aktivisten angesiedelt sind, von denen einige vom Verfassungsschutz mindestens als muslimbrudernah eingestuft wurden“ – erstaunen mag, dürfte Raed Saleh sein, aber der will ja ohnehin verbieten, und zwar Parteien, die seiner Erzählung von Deutschland im Wege stehen.

Vernünftige Kräfte in der Berliner SPD, Sozialdemokraten wie Martin Hikel, wurden zum Rückzug gedrängt, oder marginalisiert wie Franziska Giffey. Man kann nicht umhin, das bittere Fazit zu ziehen, dass Sozialdemokraten in der Berliner SPD keinen Platz mehr haben. Die Berliner SPD will linker als die Linken und Grüner als die Grünen sein, queerer und muslimischer womöglich auch.

Raed Saleh kündigt jedenfalls an: „Wir werden mit dem Koalitionspartner CDU das Gespräch suchen. Das Ziel ist, dass wir einen gemeinsamen Parlamentsbeschluss verabschieden, damit die Berliner Landesregierung im Bundesrat und gemeinsam mit weiteren Landesregierungen aktiv Möglichkeiten und Mehrheiten für die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens ausloten.“ Das Ziel bestünde darin, im Bundesrat zeitnah eine entsprechende Initiative zu ergreifen.

Der Ball liegt nun bei der Berliner CDU, bei Kai Wegner und Dirk Stettner. Blickt man auf die Geschichte Berlins, lassen sich zwei Traditionslinien erkennen, die der Toleranz, der Berliner Aufklärung, der Demokratie und die des Wer wen, des Irrationalismus, der Intoleranz, der Diktatur, der Verfolgung Andersdenkender. In Ostberlin hatten sich nach 1945 die CDU-Politiker Andreas Hermes und Jakob Kaiser entschlossen, der Tradition der Toleranz, der Berliner Aufklärung, der Demokratie zu folgen, während die CDU-Politiker Otto Nuschke und Gerald Götting für die Diktatur eintraten. Mit Wegners Entscheidung beantwortet sich die Frage, ob Christdemokraten in der Berliner CDU noch einen Platz haben.

Im Admiralspalast hatten sich Sozialdemokraten unter Führung des windigen Otto Grotewohls 1946 entschlossen, Genossen von Walter Ulbricht und Erich Mielke zu werden. Eine Erklärung freilich für Salehs Verbots-Libido mag darin bestehen, dass es in der Berliner SPD nicht einmal mehr zu einem eigenen Spitzenkandidaten für die Berlin-Wahl reicht, gar nicht zu reden von einem Willy Brandt. Deshalb haben sie sich jetzt einen glatten Funktionär aus der niedersächsischen Provinz, einen Steffen Wer? geholt. So gesehen kann die Berliner SPD nur noch durch Verbote „siegen“. Sie liegen nur noch 1 Prozentpunkt vor der AfD. Wie wäre es mit Argumenten, Raed Saleh?


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Kommentare ( 42 )

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Dieter Rose
28 Tage her

Gutwillige DDR-Verharmloser haben, ohne ihrem Hintergrund nachzugehen, Frau Merkel mehrfach gewählt und ihr freie Hand gelassen: jetzt tragen wir die Folgen.
Gutwillige SPD-Genossen hieven Leute mit mohammedanischem Hintergrund in Entscheidungspositionen und -ämter, ohne den Hintergrund deren Ideologie, getarnt als Religion, zu erkennen. Das Erwachen mit entsprechenden Folgen wird auch einmal böse sein.

Delegro
28 Tage her

Berlin ist ein einzigen Shithole. Mauer drum und gut ist. Ein Großteil der hochwoken Berliner Bürger und Wähler wollen das genau so. Also sollen sie es bekommen. Keine Kohle mehr von außen. Solle sie schauen, wie sie über die Runde kommen. Bisher lebt Berlin nur vom Geld der anderen Länder. Und selbst damit kommt man nicht aus. Zu viele Spinner, woke Ideologen, Gender/LQBT etc. Fatzke und vor allen die Mauerschützenpartei ex SED, die Grünen Versager und die vollkommen entkernte SPD. Was will man mit so einem gärigen Haufen Mist auch hinbekommen. Mein Mitleid mit Berlin hält sich sehr in Grenzen!

Siggi
29 Tage her

Nicht nur in Berlin. Die Radikalisierung ist mit der neuen SPD mit hautsächlich Antifa-Mitgliedern, wobei einige nicht mehr Mitglied sind, oder nur klammheimliche Unterstützer sind, verstärkt worden. Die Linksextreme hat sich mit den Islamisten und Israelhassern zusammengeschlossen. Dennoch finanziert gerade die SPD und Ihre Firmen, ihre Kameradschaften und Stiftungen diese Straftäter völlig ungeniert.

Durch die Koalition, hat sich die CDU/CSU mit dem Linksextremismus ins Benehmen gesetzt und unterstützt diese ebenfalls, wen auch aus anderen Gründen.

Berlindiesel
29 Tage her

Als Berliner kann ich dem Beitrag nicht so ganz zustimmen. Die (Berliner) SPD befindet sich angesichts der 2026 anstehenden Wahl im Stadtstaat in einer unbestreitbaren Konkurrenzsituation mit den drei anderen relevanten linken Parteien. Dabei muss man unterscheiden zwischen dem Parteikörper und den Berliner SPD-Wählern, die relativ wenig miteinander zu tun haben. Von der Partei her besteht die SPD fast nur aus Akademikern mit einem linkssozialen Weltbild und – vor allem – Versorgungserwartung an den Staat. Praktisch keiner aus dieser Kohorte kann seinen Lebensunterhalt außerhalb des öffentlichen Machtapparates verdienen. Hier trifft sich die staatsgläubige Wählerschaft mit den Funktionären, denn beide erwarten,… Mehr

Warte nicht auf bessre zeiten
28 Tage her
Antworten an  Berlindiesel

Die Cdu-wähler in Reinickendorf und Zehlendorf sind größtenteils Stammwähler. Man kennt die Kandidaten. Da ist es schwer, anzuwerben, zumal beide Bezirke zumindest zum Teil noch eine heile Welt vorspiegeln und Geld noch reichlich bei den Wählern vorhanden ist. In Berlin fällt es der AFD daher noch sehr schwer, ins bürgerliche Lager einzudringen: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Im Osten gibt es diese Stammwählerschaft nicht oder kaum, da zählen mehr die politischen Forderungen und es sind eh alle Schmuddelkinder, jedenfalls aus westlicher Sicht: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich besser ungeniert.

X1
29 Tage her

Die Richtung, die die linken Parteien einschlagen, verspricht Jahr für Jahr größere Wahlerfolge: sie versprechen den Einwanderern, zu ihren Gunsten die Deutschen zu enteignen und zu entrechten. Und so wird es kommen.

Siggi
29 Tage her
Antworten an  X1

Da kommt die AfD ins Spiel, die wöchentlich zulegt und die CDU/CSU weiter abhängt. Aus Gründen macht man schon keine Umfragen in den neuen Bundesländern mehr. So soll die AfD in SA bereits bei 46 % liegen, in Brandenburg bei 42 % in Sachsen bei 40 %. So erklärt sich auch, dass keiner Interesse hat, das kundzutun.

ceterum censeo
29 Tage her

Leute wie Saleh erweisen ihren islamischen Mitbürgern einen Bärendienst. Befeuern sie doch zu recht den Islamskeptizismus. Saleh sollte man das Mandat entziehen und Anklagen wegen Bekämpfung des westlichen Wertekanons. Okay, der müsste noch etwas genauer definiert werden aber eine gläubige Muslima als Kanzlerin entspricht m. E. nicht dem westlichen Kerngedankens. Saleh kann ja gerne zurück zu seinen Wurzeln. Da soll er dann glücklich werden.

Sanijo
29 Tage her

„Unser Grundgesetz ist in dieser Frage eindeutig: Schon Parteien, die nach ihren Zielen die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen, sind verfassungswidrig und damit aufzulösen und zu verbieten“

Also seine Partei sowie die gesamten Antideutschen Altparteien!

Ecke
29 Tage her

Nur der Berliner SPD?
Zitat: Radikalisierung der Berliner SPD

Siggi
29 Tage her
Antworten an  Ecke

Dann aber auch die linksextreme CDU mit dem links-grünen Maulwurf als Bürgermeister.

flo
29 Tage her

Möglicherweise beginnt Salehs neue Erzählung für dieses Land mit der „Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Hariye Bayar, einer gläubigen Muslima“. – Das klingt schon ein klein bisschen im Wirtschaftsdeutsch nach einer „unfreundlichen Übernahme“ des Landes. Eine Frau mit Migrationshintergrund als Vertreterin einer Minderheitenreligion soll die Interessen der Bevölkerung repräsentieren. Kann man sich vorstellen, dass es in einem fernen Land einen deutschen, sich klar zum Christentum bekennenden Landeschef (m/w/d) gibt? Und das Statement „Unser Grundgesetz ist in dieser Frage eindeutig: Schon Parteien, die nach ihren Zielen die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen, sind verfassungswidrig und damit aufzulösen und zu verbieten“ ist unpräzise.… Mehr

Martin Mueller
29 Tage her

Wer mit diesen Leuten koaliert, sitzt im selben Boot…

Die CDU hat keinen politischen Kompass mehr.

Für die politische Macht und Posten lässt man sich von RotRotGrün in die Falle locken.
Der Preis ist hoch, denn die eigene Werte müssen zuhauf über Bord geschmissen werden.

Berlin ist dabei, aus der Demokratie zu rutschen…

Last edited 29 Tage her by Martin Mueller