Abtreten statt Austreten: Die CDU schrumpft mit und ohne Frauenquote

Eine Austrittswelle drohe der CDU, nachdem sie eine Frauenquote beschlossen hat. So titelte „Bild“. Doch so läuft das nicht bei den Christdemokraten – was nicht heißt, dass sie kein Mitglieder-Problem haben.

IMAGO / Political-Moments
Symbolbild zur Abstimmung der Frauenquote beim 35. Parteitag der CDU, Hannover, 9. September 2022

Andy Warhol hat sie beschrieben. Die 15 Minuten des Ruhms, die in einer demokratischen Gesellschaft jeder genießen könne. Noëlle Drtil hat sich ihre Viertelstunde nun genommen. Sie ist Landesvorsitzende der CDU-Studentenvertretung RCDS in Baden-Württemberg. Nachdem die Mutterpartei eine Frauenquote eingeführt hat, legte sie auf Twitter los: „Mich hat die CDU heute Abend einmal wieder enttäuscht … Als junge und engagierte Frau in der CDU nun künftig eine #Quotenfrau zu sein, wertet meine bisherige Arbeit massiv ab.“

Rumms. Bild nahm die Studentenführerin und machte aus ihr den Kamm einer Austrittswelle. Doch um in der Metapher-Welt des Wassers zu bleiben – zwei Tage später ruderte Drtil zurück: „Mitglied in der #CDU zu sein, ist wie eine gute Ehe zu führen.“ Dann folgt Relativierung, Drumrumgerede, alles wieder gut. Der Sturm im Wasserglas ist abgeblasen. Anders funktionieren Politlaufbahnen nicht. Einmal raus ist immer raus. Und die Tür zu all den schönen Jobs in Rathäusern, Behörden, Ministerien, Parlamenten und Vorfeldorganisationen ist zu. Das wird jemand Noëlle Drtil zwischen den beiden Tweets auch erklärt haben.

Die Austrittswelle wird es nicht geben. Die braucht es aber gar nicht. Auch ohne solche Wellen verliert die CDU Mitglieder. Zum Jahreswechsel waren es weniger als 400.000. Mit 15.000 verlor die CDU im letzten Jahr Merkel zwar mehr Mitglieder als sonst. Aber es sind keine Wellen. Eher ein steter Abfluss. Geht es um den Rückgang, heißt der Grund nicht Frauenquote, sondern Friedhof. Zwischen 2008 und 2019 sind der CDU laut Statistischem Bundesamt jedes Jahr zwischen 7.000 und 7.500 Mitglieder weggestorben. Die Eintrittszahlen lagen in der gleichen Zeit zwischen 13.000 und 20.000 Mitgliedern im Jahr, die Austrittszahlen bewegten sich zwischen 13.000 und 17.500 Mitgliedern.

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7.000 jährliche Todesfälle bedeuten aber, dass die CDU jedes Jahr 7.000 Mitglieder neu werben muss, um ihre Zahlen halten zu können. Und hier fängt die Frauenquote an, zum Problem zu werden. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner machte das in ihrer Rede auch zum Thema: Sie warf jungen Frauen vor, die sich an der Debatte beteiligten, von Männern ferngesteuert zu sein. Unter Frauenrechtlerinnen ist das der Fehdehandschuh ins Gesicht. Danach braucht es Sekundanten.

Die Junge Union kämpfte gegen die Quote. Der Nachwuchs zitierte am Freitagabend auf Facebook die saarländische Landesvorsitzende Vivien Rupp, die sich gegen die Quote aussprach. Dann gratulierten sie Christina Stumpp zur Wahl als stellvertretende Generalsekretärin der Partei. Danach kam die Frauenquote – und seitdem schweigt der JU-Account. Selbst die von ihnen angestoßene Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entlockte der Nachwuchsorganisation keine Kachel mehr.

Es geht nicht um die Frauenquote. Es geht auch nicht um die Frage, ob die CDU grüner als die Grünen werden will. Es geht um Jobs und somit auch um Geld. In der Debatte wurde die Quote neben woken Vorreitern wie Daniel Günther oder Hendrik Wüst von mittelalten Frauen getragen. Wie eben Julia Klöckner. Sie hat in Rheinland-Pfalz zwei Landtagswahlen verloren, sie hat dem wenig erfolgreichen vierten Kabinett Merkel angehört und sie hat bei der Bundestagswahl das Direktmandat nicht gewinnen können. Frauen stellen 26 Prozent der Mitglieder und erhalten künftig 50 Prozent der Posten – die Quote sichert den Rest der Karriere Klöckners ab. Ebenso wie die Karrieren der Frauen, die die Quote in Hannover forderten.

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Genau das ärgert die JU. TE liegen Protokolle aus parteiinternen Chats der Jungen Union vor. Deren Aktive ärgern sich doppelt: Sie bringen neue Mitglieder bei, sie tragen die Wahlkämpfe mit ihrem Einsatz – und sie gehen verhältnismäßig oft leer bei Mandaten aus. So zumindest ihre Sicht. Friedrich Merz hat dem Nachwuchs jetzt ein Bonbon hingeworfen. Die kommunalen CDU-Vorstände müssen künftig einen Jugendbeauftragten haben. Der darf aber bis zu 40 Jahre alt sein. Bei der CDU kann man bereits Großvater sein und trotzdem noch für eine volle Amtszeit als Jugendbeauftragter kandidieren – deutlicher kann eine Partei nicht ausdrücken, wie alt sie im Kopf ist.

Die Frauenunion, so der Vorwurf im Chat, bekomme alle diese Aufmerksamkeit. Geld vom Vorstand und jetzt die Hälfte aller Posten. Aber sie liefere eben nicht so wie die Junge Union, verharre bei 26 Prozent Mitgliederanteil. Jetzt müsse sie Mitglieder bringen, lautet die Forderung im JU-Chat. Denn die CDU muss nicht nur weiblicher, moderner, jünger werden – sie muss vor allem mehr werden. Oder ihre Mitglieder müssen aufhören zu sterben.

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