Mord an 12-jährigem Mädchen durch Gleichjährige

Die Festlegung auf 14 Jahre Strafmündigkeit vom 16. Februar 1923 ist eine antiquierte Regelung. Die Gesellschaft hat sich seitdem sehr verändert. Es gibt in Europa deshalb Länder, die das erkannt und deshalb diese Altersgrenze auf 12 Jahre abgesenkt haben.

IMAGO / Rene Traut
Die 12-jährige Luise wurde von zwei vermeintlichen Freundinnen, die sich in der gleichen Altersgruppe befinden, ermordet. Bezugnehmend auf diese Tat lesen wir im Augenblick tagtäglich über Experten, die behaupten, Kinder in der Pubertät könnten die Folgen eines furchtbaren Verbrechens nicht einordnen. Ich halte es für eine sehr gewagte These, dass 12- oder 13-jährige Kinder die tragischen Konsequenzen ihres Handelns bei besonders schweren Straftaten nicht abschätzen könnten.

Wären Kindern diese Konsequenzen NICHT bewusst, wären überall solche Tötungsverbrechen nicht unüblich, das ist aber nicht so. Sie sind nach wie vor, trotz steigender Kriminalitätszahlen von unter 14-Jährigen, eine extreme Ausnahme in dieser Altersgruppe. Auch Kinder wissen, erst recht in einem Alter knapp unterhalb der Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren, dass man ein Messer nicht in den Körper eines anderen Menschen hineinrammt: außer Täterinnen sind geistig schwer unterentwickelt und/oder schwer verhaltensgestört. Dann kann das im Einzelfall ausnahmsweise zutreffen.

Es ist leider typisch für dieses Land geworden, dass in der medialen Öffentlichkeit vorwiegend die Tätersicht bei den Erklärungsversuchen eingenommen wird, jedoch das Opfer oder wie hier die Hinterbliebenen weitestgehend sehen müssen, wie sie mit dem Verbrechen allein klarkommen. Die Informationslage zu diesem mutmaßlichen Mord kann man nur als dürftig bewerten. Demzufolge feuert man damit massiv die Gerüchteküche an. Dann nützt es auch wenig, wenn sich der BDK-Chef Dirk Peglow gegenüber dem sogenannten RedaktionsNetzwerk Deutschland beklagt: „Die Verbreitung von persönlichen Daten oder Bildern mutmaßlicher Beschuldigter durch private Personen in Sozialen Medien stellt eine moderne Form der Hexenjagd dar“. Ich halte absolut nichts von Selbstjustiz, aber viel davon, die Öffentlichkeit auch ohne Freigabe der Identität der Tatverdächtigen präventiv über wesentliche Aspekte des Verbrechens und deren Umstände zu informieren.

Das Opfer wurde mit 30 Stichen getötet, berichtet Focus-Online unter Berufung auf Justizkreise. Nachdem Luise bei der „Freundin“ übernachtet hatte, wurde sie getötet. Die Haupttäterin soll anschließend die Eltern des ermordeten Mädchens angerufen haben, um sich „besorgt“ zu zeigen. Das Nachrichtenmagazin schreibt: „Sie sagte den Eltern, dass Luise sich eigentlich bei ihr melden wollte, wenn sie zuhause sei, dies aber nie tat. Das Mädchen habe daraufhin versucht, auf Luises Handy anzurufen. Erfolglos. Die Täterin servierte den besorgten Eltern damit eine eiskalte Lüge“. Sie soll auch einen Suchaufruf im Internet geteilt haben.

Handelt es sich hier tatsächlich um eine 13-jährige Schülerin, die nach Ansicht von Experten angeblich noch nicht die Konsequenzen ihres Handelns absehen konnte? Falls die v. g. Tatumstände stimmen, liest sich das ganz anders. Dann würde es sich um einen geplanten Mord handeln, ausgeführt mit einer Freundin als Helferin, mitgeführten Messern als Waffen und dem gezielten Hinführen von Luise auf einen einsamen Waldweg zur finalen Vollendung. Planung, Heimtücke und Raffinesse würden dann einen ganz anderen Hintergrund aufzeigen. Das spricht sehr wohl für die geistige Reife der Tatverdächtigen.

Das Opfer soll außerdem wochenlang gemobbt worden sein, ihr „Fehler“ wäre gewesen, dass sie diese menschenverachtenden Auswüchse Erwachsenen gemeldet hätte. Was wurde in der Schule und im Umfeld zu ihrem ausreichenden Schutz unternommen? Das gilt es gründlich aufzuarbeiten. Eine Unicef-Studie stellt fest, in Deutschland sind 30 Prozent der Befragten in der Schule oder auf dem Schulweg bereits gemobbt worden.

Aufgrund meiner Präventionsarbeit zum Thema Mobbing und Selbstbehauptung an Schulen und Kindereinrichtungen ist mir die Hilflosigkeit und Gleichgültigkeit an manchen Lehreinrichtungen nur zu gut bekannt, währenddessen andere Schulen dagegen vorbildlich und sofort einschreiten. Ein Direktor versuchte beispielsweise seine Untätigkeit mir gegenüber in einer Elternversammlung damit zu begründen, er habe zum Thema Mobbing keine Ausbildung erhalten. In einer anderen Schule wurde ein Schüler über fünf Jahre schwer gemobbt und gebrochen, bis die entsetzte Mutter eines Klassenkameraden, nachdem sie davon erfahren hatte, der Schulleitung mit einer Strafanzeige drohte, wenn nicht endlich etwas dagegen unternommen wird.

Niemand möchte deshalb mit der eingetretenen Lage für die betroffenen Eltern tauschen. Sie haben nicht nur ihr Kind verloren, sie wissen auch, dass das keine strafrechtlichen Folgen für die Täterinnen hat. Ein wahrlich grausamer Gedanke.

Deutschlands Verantwortliche sollten sich tatsächlich bei sehr schweren Straftaten darüber Gedanken machen, die Strafmündigkeit abzusenken bzw. primär die geistige Reife der Täter als ausschlaggebend zu betrachten. Eine juristische 0815-Altersstufe sollte es normalerweise nicht mehr geben können. Es gibt in jeder Altersgruppe sehr große individuelle Unterschiede. So gesehen finde ich die Festlegung auf 14 Jahre vom 16. Februar 1923 eine antiquierte Regelung. Die Gesellschaft hat sich seitdem sehr verändert. Recht und Gesetz müssen den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Es gibt in Europa deshalb Länder, die das erkannt und deshalb diese Altersgrenze auf 12 Jahre abgesenkt haben. Im Zweifelsfall muss ein Gutachter herangezogen werden.

Steffen Meltzer ist Autor des Buches Mobbing! Ursachen, Schutz und Abhilfe

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Kommentare ( 30 )

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dienbienphu
1 Jahr her

Wann gab es eigentlich das letzte politische Urteil in Deutschland? Ich habe nämlich den Eindruck das ist keine Ausnahme mehr. Ein mildes Urteil für erwachsene Gewaltstraftäter ist inzwischen anscheinend normal. Manche Kriminelle entkommen nach der Urteilsverkündung, setzen sich ins Ausland ab. Andere laufen einfach so frei herum trotz Hunderten(!) Vorstrafen. Kurzum: Wären die Assassininnen strafmündig, dann hätten sie von unserer Justiz wohl nicht viel zu befürchten.

Last edited 1 Jahr her by dienbienphu
Lizzard04
1 Jahr her

Spitze, absolute Spitze wie das hier läuft. Zwei minderjährige (aber wohl nicht mehr kindliche) Mädchen begehen einen offensichtlich geplanten Mord (30 Messerstiche auf einem einsamen Waldstück gehen wohl nicht mehr als „im Affekt“ durch). Die Täterinnen wissen schon jetzt, dass das begangene Verbrechen strafrechtlich keine Konsequenzen haben wird. Zusätzlich werden die Täterfamilien noch auf Staatskosten umgesiedelt und damit geschützt, anstatt wenigsten eine gewisse, verdiente gesellschaftliche Ächtung zu erfahren! Hierzulande ist wirklich alles aus dem Ruder gelaufen. Rette sich wer kann!

Peter Mueller
1 Jahr her

Gewalt im Kontext der Zuwanderung. Wer massenweise Menschen aus gewaltaffinen, archaischen Gesellschaften vorsätzlich herbeischafft (weil Konzerne aller Branchen daran verdienen), muß sich nicht wundern,wenn sich die Gesellschaft verändert. Auch diese beiden Täterinnen hatten Hintergrund. Einfach mal sich über die Blutrache (Rido) auf den Philippinen informieren. In Brasilien sieht’s mit der Mordrate auch nicht viel besser aus.
Eine Forderung nach Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters ist Blödsinn und ein unqualifiziertes Herumdoktern an den Symptomen. Hier müssen die Ursachen benannt und abgestellt werden!

flo
1 Jahr her

„Wären Kindern diese Konsequenzen NICHT bewusst, wären überall solche Tötungsverbrechen nicht unüblich, das ist aber nicht so.“ Genau. Allein dieses Argument spricht gegen die pauschale These, 12,-, 13-Jährige wüssten vielleicht nicht so präzise, dass ihr Gegenüber 30+X Messerstiche nicht überleben dürfte (und es ratsam erscheint, die eigene Tat im Nachhinein zu verbergen). In der WELT mutmaßt der Kriminalist Petermann: „Wie viel Hilflosigkeit verspürten die Täterinnen? Denn die beiden werden sich ja nicht vorgestellt haben können, was es bedeutet, einen Menschen zu töten – den Widerstand des Opfers zu brechen, bis Luise schließlich nicht mehr lebte. Und ob sie verstanden haben,… Mehr

EddyNova3122
1 Jahr her

Eine 12 jährige Filipina & eine 13 jährige Rumänin – beides ist längst kein Geheimnis mehr und wird ja ortnah lang und breit diskutiert. Beide Mädchen (?) waren ja im Internet überaus aktiv …Das Fragezeichen weil mich die Altersgabe insbesondere bei der hübschen Filipina mehr als verwundert. Bei der hässlicheren Rumänin habe ich zumindest kleiner Zweifel … Will sagen – Strafmündigkeit ab 14 hin oder her …das nützt alles nur wenn das angegebene Alter dann auch stimmt.Die Probleme die da im Umfeld der Mädels auf TicTok diskutiert wurden sind sicher keine Probleme 12 ,13 jähriger …die übrigen Freundinnen“ die sich… Mehr

Innere Unruhe
1 Jahr her

Es ist interessant, dass es nach oben einen Übergangsbereich zwischen der Jugend- und Erwachsenenstrafe gibt.
Warum gibt es den nicht nach unten?
Grundsätzlich stelle ich mir die Frage, warum in manchen Fällen die Gesetzgebung ausgeschöpft wird und in andern nicht?
Warum tut sich unser Staat so schwer, Asylgesetze auch anzuwenden? Wieso wird bei den Asylanten im Ermessensraum gehandelt und in diesem Fall nicht?
Mir kommt es vor, als nähern wir uns einem Willkürstaat.

AlNamrood
1 Jahr her

In anderen Kulturkreisen bekommen Jungs mit 14 ihr erstes Messer und Mädchen ihr erstes Kind. Dort sollte man ansetzen. Inkompatibel mit unserer Kultur…

Peter Mueller
1 Jahr her
Antworten an  AlNamrood

Ich hatte mein erstes Messer, da war ich jünger. Aber NIEMALS wären wir auf die Idee gekommen, es gegen einen Menschen einzusetzen. In Auseinandersetzungen gab es bestenfalls (und extremst selten) was auf’s Maul. Das hat eben sehr viel mit der jeweiligen Kultur zu tun.

Last edited 1 Jahr her by Peter Mueller
Marcel Seiler
1 Jahr her

Solange ich nicht das Gegenteil verbindlich erfahre, nehme ich übrigens an, dass die Täter keinen deutschen kulturellen Hintergrund haben. Nicht weil das unmöglich ist und auch nicht, weil ich „spekuliere“ (ich „spekuliere“ absolut nicht), sondern weil die Statistiken klar einen nichtdeutschen Hintergrund nahelegen.

Ich hoffe, dass wir eines Tages noch die wirkliche Wahrheit über diesen Mord erfahren. (Das ist in Deutschland offenbar nicht mehr selbstverständlich, irre.)

Peter Mueller
1 Jahr her
Antworten an  Marcel Seiler

Genau davon bin ich auch ausgegangen – weil es die Erfahrung lehrt. Die sozialen Medien sprechen von philippinischem und brasilianischem Hintergrund.

„Rido“ auf den Philippinen: https://de.wikipedia.org/wiki/Blutrache#Vorkommen_in_der_Neuzeit

https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6tungsrate_nach_L%C3%A4ndern

Last edited 1 Jahr her by Peter Mueller
Marcel Seiler
1 Jahr her

Die Straflosigkeit von Tätern, die man nicht nur in der Tätergruppe 12-14 antrifft, ist ein immer größeres Problem, und zwar keinesfalls nur wegen mangelnder Abschreckung.

Denn Täterstraflosigkeit drückt, vielleicht unbeabsichtigt, eine Verachtung für das Opfer und eine grobe Missachtung für das Gerechtigkeitsgefühl der Gemeinschaft aus. Sie erhöht das Leiden des Opfers beachtlich, weil es sich zur Kategorie „nicht schützenswertes, unwertes Teil der Gemeinschaft“ degradiert fühlt. Sie entwertet auch die Gemeinschaft, denn wer will einer Gemeinschaft angehören, die ihre Angehörigen nicht angemessen gegen schreiendes Unrecht schützt? Sie ist damit auch ein Zeichen der Selbstverachtung der Deutschen für sich selbst.

Micci
1 Jahr her

Das Schlimmste an dieser Tat ist, dass die Hintergründe, die sie ermöglichten, so unter den Teppich gekehrt werden, dass die nächste Tat dieser Art dadurch erst ermöglicht wird. Begründung: der Charakter der Menschen ändert sich über Jahrhunderte nicht, aber Sozialisation und Lebensumstände können binnen weniger Jahre kippen. Und seit Bestehen der Bundesrepublik war 7 Jahrzehnte lang so etwas VÖLLIG unvorstellbar. Seit einem Jahrzehnt gilt das nicht mehr, parallel dazu erleben wir eine Schwemme von Messerattacken mit oft tödlichem Ausgang – auch das war 7 Jahrzehnte lang kein Thema GAR KEINS! Ich will wissen, was anders geworden ist und warum. Und… Mehr