Friedrich Merz ist nur noch ein Watschenaugust

Friedrich Merz ist die ehemalige Zukunfts-Hoffnung der CDU. Eingezwängt zwischen Grünen und enttäuschten Anhängern kann er sich kaum bewegen. Seine innerparteilichen Gegner haben ihn daher zum Abschuss freigegeben.

IMAGO/dts

Nicht überliefert ist, ob Wladimir Putin die Bild liest oder ob ihre Inhalte ihm etwas bedeuten. Ob er die ganzen Aufmacher über seine gesundheitlichen Probleme oder seinen bald anstehenden Sturz kennt. Falls ja, dann kann er für einen Moment aufatmen. Dann das Flaggschiff des Springer-Verlags hat sich ein anderes Ziel für die – nennen wir es politische Schwerpunktsetzung – gewählt. Es ist jetzt Friedrich Merz, den die Bild wegschreiben will.

Einige Tage lang hat Bild Geschichten über dessen schlechte Umfragewerte gebracht oder über dessen Konkurrenz zu Hendrik Wüst. Nun hat das Team hinter Chefredakteurin Marion Horn die Taktik gewechselt und versucht, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten hochzuschreiben. Angesichts des maus- bis aschgrauen Politikers Wüst ist das ein durchaus lustiger Versuch. So haben ein oder mehrere Kollegen versucht, aus dem steingrauen Leben des Apparatschiks Nektar für eine Heldengeschichte zu ziehen: „Bereits mit 15 Jahren tritt er in die Junge Union ein.“ Hui, schon mit 15. Fest entschlossen der Mann. Ein ganzer Kerl halt.

Aber es geht noch weiter: „… gründet mit Freunden sogar einen eigenen Stadtverband der Jungen Union in Rhede“. Er hat einen eigenen Stadtverband gegründet. Der Hengst. In Rhede. Hendrik, ich will ein Kind von dir. „Sogar“ ist das Lieblingswort der Bild im Versuch, Wüst hochzuschreiben: „Der ,Bunten‘ verriet Wüst sogar, dass er einen Teil seiner Referendar-Ausbildung in der Kanzlei seines Schwiegervaters machte.“ Ein Politiker, der Jura studiert und eine Ausbildung in der Kanzlei seines Schwiegervaters absolvierte – welch bewegende Heldengeschichte.

Nach Rede auf CDU-Grundsatzkonvent:
Claudia Pechstein und der Eifer linker „Eliten“
Wüst selbst hat Merz mit einem Gastbeitrag in der FAZ angegriffen. Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass die Bild und Wüst die Zeit gekommen sehen, Merz zu attackieren. Sie werfen ihm den Aufstieg der AfD auf 20 Prozent in den Umfragen vor. Weil er sich der AfD zu sehr nähere. In der Bild ist mit Marion Horn eine Merkelianerin in die Chefredaktion eingezogen – Wüst war immer schon ein Karrierist, der am liebsten gar keine Positionen bezieht oder, wenn’s halt nötig wird, grüne Positionen, weil die gerade in den Medien gefragt sind. Also kurzum: auch ein Merkelianer.

Linke, Grüne, SPD, FDP und CDU rücken inhaltlich immer näher aneinander. Sind in manchen Positionen kaum noch zu unterscheiden. Gleichzeitig lehnt ein großer Teil der Bevölkerung diese Positionen ab und steigen die demoskopischen Werte der AfD. Auf die Bevölkerung zugehen hat der Berliner Politbetrieb längst verlernt. Also muss die Brandmauer noch höher gezogen werden – in der Hoffnung, die AfD verschwindet von allein.

Friedrich Merz wollte die AfD halbieren. Das ist gerade mal anderthalb Jahre her. Jetzt muss der CDU-Chef mitansehen, wie immer mehr Bürger über die Brandmauer springen. Er will sie nicht aufgeben, will sie ansprechen, ihnen Angebote machen. Doch schon das geringste Zugeständnis reicht, um die Moralstürme der Grün-Woken losziehen zu lassen – auch der Grün-Woken in der CDU.

Springer-Verlag baut um
Stellenabbau, Marion Horn und Linkskurs: Die BILD ist gefallen
Zum Beispiel der Auftritt von Claudia Pechstein auf dem Grundsatzkonvent der CDU. Die Polizistin und ehemalige Eisläuferin sprach in Uniform von den Werten des Sports, der Familie und bezog Position gegen das Gendern. Uniform, pro Familie und gegen das Gendern – schon das reichte, um den üblichen Sturm der Entrüstung anzufachen. Und was macht die CDU? Sie knickt ein, gibt ihren Kritikern recht: Yvonne Magwas scherzt im Spiegel, Pechstein hätte das Thema verfehlt und sich damit die Note Sechs verdient. Magwas‘ berühmteste, eigene öffentliche Äußerung ist das Ja zum Amt des Bundestagsvizepräsidenten, das sie als Trostpreis für eine opportunistische Karriere als schweigende Parteisoldatin erhalten hat. Einen Appell, in der Politik nicht durch eigene Meinungen aufzufallen, spricht auch die CDU-Vize Karin Prien im Spiegel aus: „Allein die Fokussierung auf dieses eine umstrittene Statement zeigt das Problem: Wir reden zu wenig über die wichtigen und substantiellen Impulse etwa von Eva-Maria Welskop-Deffa, Michael Vassiliadis, Tanja Gönner, Ralf Fücks und vielen weiteren Vertretern der Zivilgesellschaft in den zehn Foren.“

Eine eigenständige Position zum Thema Gendern stört nur. Stattdessen solle sich die Partei darauf konzentrieren, was ihr der grüne Ralf Fücks ins Aufgabenbuch diktiert. Das ist die CDU im Juni 2023. Merkelianer wie Wüst, Prien oder andere hoffen, dass die Wahlniederlage von vor zwei Jahren nur ein Betriebsunfall war. Im Wunschdenken, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Weg bald frei macht und man selbst an seiner Stelle mit den Grünen koalieren kann.

Friedrich Merz war der Hoffnungsträger derer in der CDU, die nach Angela Merkel auf einen echten Neu-Anfang gehofft haben. Die sich Christdemokraten wünschen, die Stellung beziehen – und zwar inhaltlich, nicht ausschließlich mit Blick auf die eigene Karriere. Doch diese Anhänger hat Merz enttäuscht: Statt Opposition zu machen, stimmt die CDU mehrheitlich mit der Regierung. Statt eigene Positionen zu beziehen, wirft die CDU der Ampel nur vor, was sie mache, sei zu wenig und dauere zu lange – und gibt der Ampel somit letztlich recht. Statt konservative Positionen zu entwickeln, verpasst Merz der CDU eine Frauenquote. Er hat rechts geblinkt und ist links abgebogen.

Null Opposition
Die hilflose Merz-CDU traut sich nicht, der Ampel zu widersprechen
An die Macht gekommen ist Friedrich Merz in der CDU durch eine Abstimmung der Mitglieder im Dezember 2021. Die Mitglieder wünschen sich eine konservativere CDU. Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun haben sie bei der Gelegenheit mit 12 Prozent abgestraft. Deutlicher hätten sie nicht sagen können, dass sie den Merkel-Kurs nicht mehr wünschen. Doch das größte Problem der Partei ist: Auf der Funktionärsebene haben eben die Merkelianer die Mehrheit. Hochkommen hat Mutti nur die lassen, die stumm und stromlinienförmig im grünen Zeitgeist mitgeschwommen sind. Diese Wüsts, Priens und Dingsdas stellen auf den Parteitagen die Mehrheit und bestimmen somit den Kurs der CDU.

Ob Merz heute noch die Basis hinter sich hätte, ist fraglich. Zum einen hat er als Hoffnungsträger enttäuscht. Zum anderen setzt sich die Mitgliederschaft allmählich anders zusammen: Nach 16 Jahren Merkel waren anderthalb Jahre Merz zu viel. Die Konservativen fliehen. Aus der Partei und in den Umfragen. Der Stimmenzuwachs der AfD speist sich im Wesentlichen aus frustrierten Wählern der CDU und der FDP.

Bewegen kann sich Merz nicht mehr. Entweder er hält weiter grünen Kurs. Dann wird die CDU bei unter 30 Prozent verharren und die AfD weiter wachsen. Oder Merz versucht, deren Wählern ein Angebot zu machen. Dann fallen die Wüsts, Priens und die da, die mit dem Vizepräsidentenamt, über ihn her. Merz ist bereits sturmreif geschossen. Die Frage lautet nicht mehr, ob er auch formell entmachtet wird – sondern wann. Noch leistet er schließlich den Merkelianern Dienste in der Rolle des Watschenaugusts, der die Schläge solange kassieren darf, bis es wieder Posten zu verteilen gibt.

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Kommentare ( 90 )

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Busdriver
1 Jahr her

Wenn die CSU Stimmen aufgrund der Wahlrechtsreform bei der nächsten BTW rausfallen ( 5% Hürde) könnte die AfD durchaus die stärkste Partei werden. Eine Koalition aller anderen gegen die stärkste Partei hätte nicht einmal den Anschein von Demokratie.

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Herr Merz ist in der strategisch misslichen Lage, dass er unnötig schnell den Schulterschluss mit dem grünen Milieu vollzogen hat. Zwei Haken dabei: dieses Milieu wählt bei erster Gelegenheit das Orginal statt die Kopie. Das Ideal ist Rotrotgrün. Zweiter Haken: wird man vom grünen Milieu und den eigenen Merkel-Fans vor die Tür gesetzt, hat man keine Fanbase mehr. Sich hier eine „Sicherheitsreserve zu halten“ hat Herr Merz von Anfang gradezu demonstrativ unterlassen, wahrscheinlich um den schwarz-grünen Kanzler in spee zu geben. Die harten Klarstellungen beim Vorgehen gegen Ungeimpfte (Arbeitsplatz etc.) waren sicher möglich, vielleicht nicht dringend nötig. 20% der Bevölkerung… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80
caesar4441
1 Jahr her

Was sucht der Merz eigentlich in der Politik ?Die CDSU ist grün bis in die Knochen.Verschimmelt ,kann nur noch entsorgt werden,Reparatur unmöglich.

Christian R.
1 Jahr her

Ich halte Merz im Großen und Ganzen schon für glaubwürdig konservativ. Allerdings sind ihm die Hände gebunden. Merkel ist es gelungen, die Funktionärsebene und Teile der einflussreichsten Bundesländer (z.B.Wüst in NRW) mit ihren Gefolgsleuten zu besetzen. Gegen diese Macht und die Macht der linksdominierten Presse kriegt er die CDU unmöglich konservativ erneuert. Die CDU ist im Prinzip für Konservative längst verloren. Insofern wäre es gar nicht so schlecht, wenn Wüst Nachfolger wird. Er wird die marginalisierung der CDU als Partei des links-grünen „bürgerlichen“ Millieus wie ein Brandbeschleuniger befeuern. Das erhöht die Chancen, dass die verbliebene echt konservative Basis-Mehrheit endlich aufwacht… Mehr

Cethegus
1 Jahr her
Antworten an  Christian R.

Ich bezweifle stark, daß es nach mindestens 8 Jahren hart linksgrüner Politik durch eine ehemals konservative(staatsbewahrende!!!) Partei noch eine konservative Basis Mehrheit in dieser CDU gibt!
Die meisten Konservativen dürften die Partei lange verlassen haben und sich nun in der „inneren Emigration“ oder der AFD befinden.
Diese Partei ist unrettbar verloren und hat für ihren schmipflichen Verrat am Vaterland auch nichts anderes verdient!

Alexander
1 Jahr her

Es gibt immer einen Weg, auch für Merz. Er müsste nur endlich klar benennen, was Merkel alles falsch gemacht hat und dann aus dem CDU Programm der Vormerkeljahre zitieren. Natürlich würde es eine üble mediale Schlacht gegen ihn geben, aber was hat er zu verlieren? Argumente gegen die aktuelle Politik gibt es genug. Lösungsvorschläge gibt es genug, er bracht gar nicht lange nachzudenken. Er braucht nur Mut. Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren

Busdriver
1 Jahr her
Antworten an  Alexander

: das sehe ich ganz genau so. Merz hat nichts mehr zu verlieren. Wenn er einmal in seinem Leben mutig wäre, könnte er vielleicht die CDU wieder auf Kurs bringen, im Schulterschluss mit der Werteunion und Maaßen. Schließlich ist es Merkel auch gelungen, die CDU um 180 Grad zu drehen. Dazu braucht es eben Mut, die richtigen Unterstützer in der Partei ( die gibt es) und die Resilienz, das Geheule der Grünen- roten Merkelisten einfach zu ignorieren. In Gefahr und Not ist der Mittelweg der Tod.

Deutschmichel
1 Jahr her

Die CDU wird überwiegend nur noch von Rentnern gewählt, denen es noch gut geht und die denken, dass sie das der CDU zu verdanken haben.

Deutschmichel
1 Jahr her

Der CDSU fehlt ein Franz Josef Strauß. So Ein Typ müsste das Momentum nutzen und schwungvoll nach vorne preschen, bevor die ganze grüne und woke Mischpoke mitbekommt, worum es überhaupt geht.

RauerMan
1 Jahr her

Die Realität zeigt auf, daß die Zeit über die CDU hinweggegangen ist. Die Partei lebt nur noch von der eigenen treuen Substanz und der Leute welche vielleicht meinen, daß die Partei den Links-grünen-Durchmarsch verhindere. Daß Glauben nicht Wissen ist, zeigt sich daran. Wir leben in einer Zeit des Unwägbaren, die Leute sind Orientierungslos, wissen nicht mehr so recht wem sievertrauen dürfen. Das betrifft die Mehrheit der nicht die Fakten richtig Erkennenden. Es rächt sich die fehlende politische Bildung und das Interesse und die sich daraus ergebende Informiertheit. Die politische, wirtschaftliche-und soziale Faktenlage ist klar und stellt der jetzigen Regierung ein… Mehr

Helfen.heilen.80
1 Jahr her
Antworten an  RauerMan

Dito. Vielsagend genug, wenn CDU’ler es sogar aussprechen, dass man nur mit einer CDU-Wahl einen weiteren Linksrutsch verhindern könne. Sagten sie, während sie nach links rutschten.

Robert Tiel
1 Jahr her

Merz ist kein Politiker. Er ist ein scharfer Schöngeist, der womöglich im Sinne früherer Arbeitgeber die Leitung der Deutschland AG übernehmen würde.
Die Grünen besetzen dafür schon wichtige Positionen und Posten, weshalb er mit ihnen zusammenarbeiten muss.
Opposition ist mE von ihm nicht zu erwarten.

thinkSelf
1 Jahr her

Also mann muss intellektuell schon besonders stark eingeschränkt sein um Merz je als „Hoffnungsträger“ gesehen zu haben. Aber vielleicht interpretiere ich das auch nur falsch. Er ist ein Hoffnungsträger. Für die woke-grünen Radikalinskies unter den deutschen Wählern. Also denen die die CDU wählen.

Lars Baecker
1 Jahr her
Antworten an  thinkSelf

Nein, in erster Linie für die Spekulanten, die zur Jagd auf Deutschland geblasen haben. Politische Haltung ist dem Typen doch völlig wurscht. Hauptsache, am Ende gewinnt Blackrock.

Helfen.heilen.80
1 Jahr her
Antworten an  thinkSelf

Naja, zu seiner Ehrenrettung: alle die nicht so tief in der Materie standen, dachten bei seinem Erscheinen wohl v.a. an den „einstigen“ Friedrich Merz, der mit den anderen ehem. Ministerpräsidenten, wie Roland Koch, Christian Wulff, Edmund Stoiber und Stefan Mappus eine klare innerparteiliche Oppositionshaltung zum Merkel-Flügel einnahmen. Dass all diese Männer in der Privatwirtschaft versickerten, statt „ihren Mann zu stehen“ gehört zu den bittersten Momenten des konservativen Milieus in Deutschland. Sie haben die CDU damals aus der Hand gegeben, und dabei blieb es. Mit dem „Sinneswandel“ Herrn Merz hatten die Meisten bei seiner aktuellen Revival-show nicht gerechnet. Vermutlich ist das… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80