Malu Dreyer bleibt fürs Zweite verantwortlich und gibt ihre Reformziele preis

Malu Dreyer (SPD) bleibt Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates. Das Gremium hat sie wiedergewählt. Eine warmherzige Liebe verbindet die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin nicht mit dem Sender - zumal der sich ihren Reformvorschlägen verweigert.

IMAGO / Political-Moments

Die rheinland-pfälzische SPD hat in der Pressearbeit einen Lieblingstrick. Unangenehme Wahrheiten vermeldet sie gerne am Freitag-Nachmittag. Die Zeitungen sind dann schon geschrieben und die Redaktionen oft zu faul, die Seiten noch umzubauen. Und das Interesse der Zuhörer und Zuschauer richtet sich schon aufs Wochenende. Das ZDF hat nun mit einer Pressemitteilung erklärt, dass Malu Dreyer (SPD) als Vorsitzende seines Verwaltungsrates wiedergewählt wurde. Die Mitteilung dazu ging am Freitag raus. Um 15.15 Uhr.

Eine Liebe ist es nicht, die das ZDF mit Dreyer verbindet. Das Amt des Verwaltungsrats-Chefs ist ein Erbhof. Das erklärt sich aus der Geschichte des Senders. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) wollte einen zentralen Staatssender schaffen, doch das verbot ihm die Verfassung. Also musste er das Konzept formal anpassen lassen, unter anderem dadurch, dass die Aufsichtsgremien föderale Strukturen bekamen. Deswegen ist der rheinland-pfälzische Landeschef meist der Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates.

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Dreyer hat als Medienpolitikerin Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angemahnt. Sie orientiert sich dabei an Entwicklungen in der Schweiz. Die Landeschefin will eine stärkere Konzentration auf Nachrichtenformate, im Gegenzug will sie einiges an Chichi streichen: weniger Shows, weniger Rosamunde Pilcher, weniger Sport. Dadurch soll das ZDF insgesamt Kosten sparen und sich stärker auf seinen Bildungsauftrag konzentrieren, der die staatlich erzwungenen Gebühren überhaupt erst rechtfertigt.

Doch Intendant Thomas Bellut hat sich gegen diese Linie gestellt und sein Nachfolger, der aus dem Haus stammende Norbert Himmler, hält an diesem Kurs fest. Himmler setzt auf Krimis, Pilcher-Kitsch, Mammut-Shows und Sport. Von letzterem ist das ZDF mittlerweile so stark abhängig, dass sein Name in „Zuschauer durch Fußball“ umgetauft wird. Die Zahlen geben den Kritikern recht: Im Vergleich Juni 2021 auf Juni 2022 verlor das Zweite 2,7 Prozentpunkte bei allen Zuschauern – bei den Zuschauern unter 50 Jahren waren es sogar 6,1 Prozentpunkte. Im vergangenen Jahr gab es im Sommer die Fußball-Europameisterschaft. Weil die Weltmeisterschaft in die Wüste verlegt wurde, findet sie erst im November und Dezember statt. Jetzt fehlen die Zuschauer dem ZDF. Vor allem bei den Jüngeren.
An dieser kleinen Fußballkrise zeigt sich eine von zwei Schwachstellen im Bellut-Himmler-Konzept: Das ZDF ist bei den jüngeren Zuschauern unbeliebt. Bei den Menschen unter 50 Jahren belegt das Zweite in der Regel nur den sechsten Platz.

Im Juni konnte es zwar auf Rang drei vorrücken. Doch zum einen trennen das ZDF in diesem Vergleich nur 0,2 Prozentpunkte von den dahinter platzierten Vox, Sat1 und ARD. Zum anderen profitiert das ZDF von der Tendenz, dass es Zwergensendern gelungen ist, der privaten Konkurrenz Zuschauer wegzunehmen.
Das ZDF hat nur noch wenige Leuchttürme, mit denen es bei den Jüngeren punkten kann: Neben dem Sport sind das die Klassiker „Wetten dass..?“ und „Aktenzeichen XY ungelöst“ sowie die Satireformate am Freitag. Durch seine Filmformate ist das ZDF zwar insgesamt mit Abstand Marktführer, erreicht aber die Jungen nicht. Bei Pilcher-Filmen ist in der Regel nicht mal jeder zehnte Zuschauer jünger als 50 Jahre. Mit „Der Alte“ war das ZDF am Freitag Marktführer bei allen Zuschauern – aber die Ausstrahlung schaffte es nicht mal in die Top-25 der meist gesehenen Sendungen bei den Menschen unter 50 Jahren. Intellektuell sind ZDF-Filme wie Armenspeisung: Es sind die Alten und Bedürftigen, die den Service in Anspruch nehmen.

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Das führt zur zweiten Schwachstelle des Bellut-Himmler-Konzeptes. Die gewünschte Politisierung steht in Frage: Denn über das Wohl und Wehe des ZDF entscheidet nicht der Zuschauer, sondern die Politik. Und deren Vertreterinnen wie Dreyer verlangen von dem Sender Unterstützung: Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen deren politische Inhalte transportieren und helfen, das Auseinanderdriften der Gesellschaft zu bremsen. Doch wenn sich in Cornwall eine junge Frau nach dem Falschen sehnt, um am Ende den Richtigen zu nehmen, dann sichert das dem ZDF die Marktführerschaft – lässt aber den Entscheider, die Politik unzufrieden zurück.

Die Politik dominiert die öffentlich-rechtlichen Sender. Das zeigt gerade die Zusammensetzung des ZDF-Verwaltungsrates. Dort sitzen Länderchefs wie Dreyer, Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt,CDU) und Markus Söder (Bayern, CSU). Daneben hocken vermeintliche Vertreter der Zivilgesellschaft, die aber mehr oder weniger auch über ein politisches Ticket in das Gremium gekommen sind. So war Professor Leonhard Dobusch Aktivist der Sozialistischen Jugend in Österreich. Oder der Arbeitgebervertreter Reinhard Göhner – er war Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär für die CDU.

Himmler wie einst Bellut rechtfertigt gegenüber diesen Politikern seinen Kurs damit, dass es die Masse an Zuschauern brauche, um Bürger überhaupt erst politisch erreichen zu können. Frei nach den 68ern soll das Private genutzt werden, um das Politische zu beeinflussen. Das führt zu absurdem Fernsehen. Etwa in dem Kreuzzug, den ARD und ZDF für vegane Ernährung führen: Das Morgenmagazin berichtet, dass immer mehr Menschen fleischlos essen. Das Verbrauchermagazin zeigt leckere vegange Rezepte. In der Wissenschaftssendung wird erklärt, dass vegane Ernährung Tiere und Klima rette. Im Klatschformat darf der Sänger seine neue Single bewerben, der erzählt, dass er sich nur vegan ernährt. Und im Quiz lautet die richtige Antwort, dass veganes Essen gesünder ist.

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Dreyer ist keine große politische Kämpferin. Als Ministerpräsidentin befriedet sie ihr Land dadurch, dass sie heikle Themen nicht anpackt, sondern in Arbeitskreise abschiebt. Dadurch hat Rheinland-Pfalz einen sprachlichen Reichtum für Euphemismen darin entwickelt, die Arbeitskreise umzutaufen: Ovaler Tisch, Task Force… In der Medienpolitik scheint Dreyer es auch so zu halten, Reformbestrebungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk preiszugeben und die Lösung auf unbestimmte Zeit zu verschieben: „Das ZDF muss sich als einer der größten Fernsehsender Europas zukunftssicher aufstellen.“ Und weiter: „Das ZDF müsse ein attraktives und anspruchsvolles Programm für alle machen, schließlich zahlten auch alle ihren Beitrag. Dieses solidarische Prinzip sichert dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine Unabhängigkeit und stellt zugleich die besondere Verantwortung klar, sparsam und effizient zu wirtschaften.“ Das heißt übersetzt: Dreyers Kritik ist noch da – aber sie kämpft nicht dafür.

Vielleicht tröstet sich Dreyer aber auch mit den Abenden, an denen es heißt „Zuschauer durch Fußball“. Die „Mannschaft“, die nicht mehr „Nationalmannschaft“ sein will, kommt mittlerweile auf mehr politische Anliegen als Tore: Sie kniet nieder gegen Rassenhass in den USA; wirbt für Frauenfußball, zeigt die Regenbogenflagge und Solidarität mit der Ukraine oder kämpft für den Klimaschutz. Wenn im November die Weltmeisterschaft in Katar beginnt, sieht ein Millionen-Publikum dieses Engagement. Es sei denn, die mutigen Sozialen Krieger der „Mannschaft“ trauen sich dann nicht, zu all ihren sonst offen zur Schau getragenen Überzeugungen weiter zu stehen.

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Kommentare ( 15 )

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alter weisser Mann
1 Jahr her

Das Reformgerede von so Fachkräften wie der Dreyer gehört zum Standardrepertoire / Bühnentext von Politdarstellern. Das hat nichts zu bedeuten sondern ist reine Beruhigungspropaganda.

Last edited 1 Jahr her by alter weisser Mann
DiasporaDeutscher
1 Jahr her

„ Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) wollte einen zentralen Staatssender schaffen, doch das verbot ihm die Verfassung. Also musste er das Konzept formal anpassen lassen“… oha! Handelt es sich bei den Öffentlich-rechtlichen etwa um Regierungs- bzw. Staatsmedien? ?

Jan des Bisschop
1 Jahr her

Frau Dreyer ist ein erfolgreicher Politiker. Worin erkennt man einen erfolgreichen Politiker. Ein erfolgreicher Politiker ist der, der gewählt wird. Muss ein erfolgreicher Politker etwas für seine Wähler tun? Nein ein erfolgreicher Politker muss nichts für seine Wähler machen, denn der Wähler wählt nach dem Schein. Der erfolgreiche Politiker tut nur scheinbar etwas für seine Wähler, das ist für die meisten Wähler ausreichend, sie begnügen sich mit Ankündigungen, hehren Worten und haben Angst vor dem politischen Gegner oder irgendwelchen Schlimmen Ereignissen, die irgendwie eintreten, wenn nicht der erfolgreiche Politiker gewählt wird. Ein gutes Wahlschaf glaubt seinem erfolgreichen Politiker und es… Mehr

H.H.
1 Jahr her

Wir alle wissen wie framend unser GEZ-TV ist. Und das gilt auch für alle staatlichen Rundfunksender. Es ist geradezu erbärmlich, wie BR24 über die Nato (aktuell Aufnahme Schwedens/Finnlands) berichtet: Es passiert in einem Tonfall, wie wenn es um eine gelungene Kindergeburtstagsfeier geht. Das ist nicht zufällig! Das ist volle Absicht! Nur: die allermeisten Zuhörer durchschauen diese Absicht nicht, Leider.

j.heller
1 Jahr her

Bildungsauftrag oder Erziehungsauftrag, im Sinne der woken Staatsideologie?
Dann lieber Rosamunde Pilcher.

dibo
1 Jahr her

Die Frau heißt Marie-Luise. Ebenso, wie z.B. der Herr Joe Kaeser einfach Josef Käser heißt. Man sollte diese Selbstverleugungen nicht weiter unterstützen durch Wiederholung, dis führte nur zur endgültigen Verwirrung restlicher Normaler. Ganz schlimm würde es sicher dann, wenn beide sich nicht nur dem Namen, sondern auch ihrem Geschlecht entziehen würden. Oh Heimatland!

Querdenker_Techn
1 Jahr her

Gibt es im ZDF überhaupt noch Programm ohne politische „Botschaft“ (Gendern, LBTIQ usw.)?

doncorleone46
1 Jahr her

Frau Dreyer ist für mich die Verkörperung eines schlechten Politikers. Dazu kommen noch die persönlichen Schwächen (vor Wahlen fährt sie im Rollstuhl), die das gesamte Bild abrunden. Als Chef würde ich dieser Frau nicht vertrauen.

Thomas Hellerberger
1 Jahr her

Der Beitrag ignoriert doch einige Tatsachen, weil er meiner Meinung nach auf gern geglaubte Legenden setzt. Zwar ist das ZDF in der Tat bei „Jüngeren“ unbeliebt, doch ab wann oder bis wann ist man in der heutigen Gesellschaft „jünger“? Vor 50? Jung ist man, medizinisch und auch sonst, bis 30, ab 40 wird man alt. Auch geistig.   Es ist kein Fehler, wenn das ZDF auf die Alten setzt. In unserer Kinderlosennation mit ihrer Authochthonengeburtenrate von unter 1,4 gibt es nun mal mit jeder Generation weniger „jüngere“. Sie werden in Wahrheit ökonomisch und kulturell unbedeutend. Wer an die Dominaz der… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Thomas Hellerberger
Urbanus
1 Jahr her

Mit Framing sieht man besser. Corona, Klima, Gender und alles Gedöns was noch kommen mag. Es wird sich nichts ändern.