Macht Gleichheit glücklich?

Antikapitalisten sehen Ungleichheit als großes Problem. Doch ist sie das wirklich? Was sagen Wissenschaftler zur Beziehung zwischen Ungleichheit und Glück?

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Viele Politiker und Journalisten – und auch manche Wissenschaftler wie etwa der französische Ökonom Thomas Piketty – sind geradezu besessen vom Thema Ungleichheit. Wie selbstverständlich wird meist vorausgesetzt: Mehr Gleichheit macht die Menschen glücklicher. Aber ist das auch so? Jonathan Kelley und M.D.R. Evans (International Survey Center Reno, Nevada) sind dieser Frage in einer groß angelegten Untersuchung nachgegangen. Die Datenbasis war ungewöhnlich umfangreich und enthielt 169 repräsentative Stichproben aus 68 Nationen, in denen insgesamt 211.578 Menschen befragt wurden.

Dabei wurde einerseits auf etablierte Fragestellungen der sogenannten Glücksforschung zurückgegriffen. Die Menschen wurden u.a. gefragt: „Alles in allem, wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Leben?“ Die Befragten konnten auf einer Skala von 1 (unzufrieden) bis 10 (zufrieden) antworten. Zudem wurde gefragt: „Wenn Sie alles zusammen nehmen, würden Sie sagen, Sie sind: Sehr glücklich, ziemlich glücklich, nicht sehr glücklich, überhaupt nicht glücklich?“

Die Ergebnisse dieser Befragungen wurden in Beziehung gesetzt zum Grad der Einkommensungleichheit in den Ländern. Diese Ungleichheit wird mit dem sogenannten GINI-Index gemessen. Die Studie war methodisch sehr anspruchsvoll, denn Kelley und Evans hielten alle anderen Faktoren in ihren mathematischen Berechnungen konstant, die sonst Einfluss auf das Glücksempfinden haben (Alter, Familienstand, Bildung, Einkommen, Geschlecht, Bruttosozialprodukt pro Einwohner in dem betreffenden Land usw.). „Wir vergleichen zum Beispiel jemanden, der in Israel lebt, mit einer ansonsten ähnlichen Person, die das gleiche Einkommen hat, aber in Finnland lebt, wobei die beiden Nationen das gleiche Pro-Kopf-BIP haben, sich aber in der Ungleichheit stark unterscheiden (0,36 versus 0,26).“

Zudem unterschieden die Forscher auch zwischen entwickelten Ländern (vor allem in Europa und den USA) einerseits und Entwicklungsländern (vor allem in Afrika und Asien) andererseits. Nicht berücksichtigt wurden in dieser Untersuchung lediglich ehemals kommunistische Länder, da hier andere Zusammenhänge gelten (die die Forscher in einer separaten Untersuchung analysierten).

Das Ergebnis der Untersuchung war eindeutig. Dieser Zusammenhang war nicht etwa so, wie Antikapitalisten glauben, dass nämlich mehr Ungleichheit gleichbedeutend ist mit weniger Glück, sondern gerade umgekehrt: Mehr Ungleichheit bedeutet, dass die Menschen glücklicher sind: „Fasst man die Befragten aus Entwicklungsländern und aus entwickelten Ländern zusammen, ohne die wichtigen Unterschiede zwischen ihnen zu berücksichtigen, ist mehr Ungleichheit mit größerem Wohlbefinden verbunden.“

Doch auf den zweiten Blick zeigten sich deutliche Unterschiede:
In Entwicklungsländern gab es einen statistisch eindeutigen Zusammenhang von Glück und Ungleichheit – mehr Ungleichheit bedeutete größeres Glück. Die Wissenschaftler erklären das mit dem „Hoffnungsfaktor“: Menschen in sich entwickelten Ländern sehen Ungleichheit oft als Ansporn, ihre eigene Situation zu verbessern, z.B. durch bessere Bildung. Einigen Gruppen der Gesellschaft gelingt es, auf diesem Weg sozial aufzusteigen und mehr zu verdienen, und dies wiederum spornt andere Menschen an.

In entwickelten Ländern galt dieser Zusammenhang dagegen nicht. Hier führte mehr Ungleichheit aber auch nicht zu geringerem Glück, sondern die Frage, ob ein Land mehr oder weniger gleich ist, hat keine Auswirkungen auf das Glück. So gibt es kaum Unterschiede in dem Glücksempfinden zwischen Menschen in Schweden und den Niederlanden einerseits und Singapur oder Taiwan andererseits, obwohl die Gleichheit in Schweden und den Niederlanden (gemessen im GINI-Index) viel größer ist als in Taiwan und Singapur.

Zugegeben, es ist schwierig, Glück zu messen, zumal es viele kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern gibt, wie die Menschen auf die oben angeführten Fragen antworten. Aber umgekehrt ist die selbstverständliche Annahme, dass mehr Gleichheit zu mehr Glück führt, einfach eines der vielen Vorurteile der Antikapitalisten, das durch nichts belegt ist. Was Menschen unglücklich macht, ist Armut, nicht Ungleichheit. Und daher sollten wir uns mehr darauf konzentrieren, wie Armut zurückgedrängt werden kann, als uns auf das Thema Ungleichheit zu fixieren.

Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe und Autor des Buches „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“. 


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Kommentare ( 15 )

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K.Behrens
2 Jahre her

wie oft noch? Selbst die alte schwarze Bevölkerung USA landet wie ihr weißes und indianisches Pendant schlicht auf der Straße. So besonders und neu ist dieser Umstand nicht und hat mit der Hautfarbe nur bedingt zu tun. Allerdings neigen ehemals indige afrikanische/moslemische Ethnien zur Verwahrlosung in Deutschland, was aber deren Problem ist. Irgend jemand außer Merkel oder sonstige betuliche Hausfrau mag zumindest Desinteresse bekunden, weil ihre Töchter mehr und mehr an skandinavischen MÄNNERN interessiert sind. Wie gesagt, völlig uninteressant, ob irgend ein schwarzer oder Moslem über das Mittelmeer paddelt und als geborener Verlierer nicht nur dem deutschen Staat auf der… Mehr

Deutscher
2 Jahre her

Absoute Gleichheit wird es nicht geben. Ist auch nicht nötig, wenn die Unterschiede sich in akzeptablen Grenzen halten. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Wenn manche Leute zwei Jobs brauchen, um sich über Wasser zu halten, manche ein Leben lang gearbeitet haben und im Alter trotzdem arm sind, während andere 100.000 € für einen Kugelschreiber ausgeben müssen, weil sie sonst nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, dann haben wir eine Schieflage, die korrigiert werden muß.

Politkaetzchen
2 Jahre her

Gleichheit erzeugt umso mehr Ungleichheit. Sieht man schön im Bildungssystem. Anstatt dass Schüler individuell nach Begabung gefördert werden, müssen halt alle auf Teufel komm raus Abitur haben und studieren.

Folge? Die Dummbatze landen an der Uni und stürzen spätestens dort ab, weil sie plötzlich merken, dass sie doch nicht so begabt sind wie ihnen eingeredet wurde. Sie werden frustriert, schreien nach Erleichterung und sind dann willige Opfer sozialistische Rattenfänger, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen. Die wirklich Begabten werden unterfordert, müssen die Dummbatze ertragen und bleiben auf der Strecke.

giesemann
2 Jahre her

Natürlich nicht, denn es gilt: Herr, ich danke Dir, dass ich nicht bin wie der. Von „die“ ist schon gar nicht die Rede.

Johann Thiel
2 Jahre her

Die Annahme, dass mehr Gleichheit zu mehr Glück führt ist nicht selbstverständlich sondern idiotisch, denn sie basiert auf Neid. Gleichheit ist Armut, immer.

Thorsten
2 Jahre her

Das erste was „Antikapitalisten“ erreichen ist eine Zerstörung der Wirtschaft. Wovon dann 8 Mrd Menschen sich ernähren und ihre Konsumbedürfnisse befriedigen sollen, bleibt offen kann aber nur eine BRUTALE Senkung des Lebensstandards sein.
Spätestens wenn kein „Warm Wasser“ mehr aus der Wand kommt, dürfte für 95% der Menschen Schluss mit diesen Spinnern sein …

giesemann
2 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Bald sind es 10 Milliarden – um 2050. Mit 6 Milliarden wie dereinst im Jahre 2000 hätten wir es leichter. https://www.spiegel.de/politik/die-reichen-werden-todeszaeune-ziehen-a-628d4249-0002-0001-0000-000014344559?context=issue

Tacitus
2 Jahre her

Es ist doch ganz einfach: wenn Alle gleich (gemacht) sind, dann ist Alles gleich. Klingt albern? Stimmt, das tut es, ist aber richtig.
Gleichheit einzufordern für Dinge, Themen oder auch Menschen, die nicht gleich sind, ist UNSINN und hat noch nie in der Menschheitsgeschichte funktioniert.
Dazu benötigt man noch nicht einmal ein Studium.

Harry Charles
2 Jahre her

ALLES EINE FRAGE DES MAßES, wie so Vieles im Leben. Der Mensch steht immer im Spannungsfeld zwischen Individualität und Sozietät, soll heißen, den Anforderungen, die die Gesellschaft an ihn stellt. Ganz allein auf sich gestellt leben kann genau so wenig ein Ideal sein wie das totale Aufgehen in der gesichtslosen Masse. Leistungsanreize sind wichtig, denn sonst ist keiner motiviert, besondere Leistungen zu bringen. Der reine Altruismus funktioniert nicht, der reine Egoismus auch nicht, aber im Zweifelsfall funktioniert ein „aufgeklärter“ Egoismus besser als Altruismus. Woran scheitert der Sozialismus immer wieder? Er geht von einem völlig unrealistischen Menschenbild aus. Von einem (hoch-)… Mehr

RMPetersen
2 Jahre her

Gleichheit gibt es nicht. Diese Forderung bzw dies Konzept ist auf der irrigen Prämisse aufgebaut, dass Gleichheit möglich sei.
Systematisch analysiert in allen Bereichen (- von Mann/Frau über Arbeitsbereich einschl.Militär bis zum Sport) hat das der israelische Autor Martin van Creveld in dem Buch „Gleichheit – Das falsche Versprechen“.
Wer Gleichheit fordert, lügt.

Simone
2 Jahre her

Fragen sie die „besonders“ Gleichen unter den Gleichen. Die sind glücklicher!
(Alte Kommunistenweisheit)