Lauterbach will die RKI-Protokolle entschwärzen – aber nur ein bisschen

Im DLF-Interview mimt Lauterbach den Unschuldigen in der Corona-Krise, der um Transparenz bemüht ist. Er will die RKI-Protokolle entschwärzen – unter Auflagen. Im Gespräch wird vor allem deutlich, dass der Minister seine eigene Haut retten will.

Screenprint, IMAGO - Collage: TE
Dem Magazin Multipolar ist mit der Freigabe der RKI-Files ein sensationeller Erfolg gelungen. Nur ein Wermutstropfen bleibt: die Schwärzungen, die Verantwortliche und entscheidende Details ausblenden. Multipolar hat geklagt, dass auch diese Stellen offengelegt werden müssen. Für den 6. Mai steht ein Gerichtstermin fest. Das RKI versucht diese Entscheidung wenigstens zu hintertreiben, denn zwei Juristen, die das RKI „alleinverantwortlich“ vertreten, seien verhindert. So teilt die Kanzlei Raue mit, die das RKI vertritt. Sie hat 80 Mitarbeiter.

Das RKI ist dem Gesundheitsminister unterstellt – auch, wenn Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Weisungsgebundenheit bestreitet.

Der Minister hat heute eine neue Flanke eröffnet, um die kritische Berichterstattung und den anstehenden Prozess zu stören. Indem er im DLF-Interview behauptet, größtmögliche Transparenz walten zu lassen und die RKI-Files zu entschärfen, versucht Lauterbach den Wind aus den Segeln zu nehmen. In Wirklichkeit geht es dem Minister um seine eigene Rolle in der Corona-Zeit – und seine Verantwortung. Indem er diese immer wieder an den Vorgänger delegiert, wirft Lauterbach das Licht auf sich selbst.

So nimmt Moderator Philipp May schon zu Anfang das geflügelte Wort des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) auf, der sagte, man werde einander viel verzeihen müssen – und fragt direkt, wofür Lauterbach persönlich um Vergebung bitten würde. Der amtierende Gesundheitsminister braucht einen langen Anlauf, um auf die Frage zu antworten. Stattdessen sagt er sehr zügig: Damals, als die wichtigen Entscheidungen getroffen worden seien, da wäre er ja nur „beratend“ tätig gewesen. Und: Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass es nur zwei Gruppen gäbe, nämlich die einen, die alles aufklären wollten, und die anderen, die etwas verschweigen wollten. Es müsse eine politische Aufarbeitung geben, aber es stelle sich die Frage „nach der Form“, es dürfe nicht wieder zur „Spaltung der Gesellschaft“ kommen. Auch das ein Narrativ: Wer außerhalb von Bundesregierung und Parlament Aufarbeitung ruft, gefährdet offenbar die Stabilität der Gesellschaft.

Auf die Frage, worum er um Verzeihung bittet, antwortet Lauterbach bei diesen offenen Schuldzuweisungen gegen das nicht namentlich genannte Lager der Kritiker immer noch nicht. Stattdessen reiht Lauterbach eine Ablenkung an die nächste. Es gehe um die Bewertung der Amtszeit seines Vorgängers. Man habe damals ja nur „sukzessive“ Erkenntnisse erlangt. Entscheiden über eine Enquete-Kommission oder sonstige Aufarbeitung sollte der Bundestag und nicht Mitglieder der alten oder neuen Bundesregierung.

Nach dem Redeschwall hat offenbar auch der Moderator seine eigentliche Frage vergessen. Denn Lauterbach hat in seiner umfänglichen Apologie, dass er um unabhängige Aufklärung bemüht sei und rein gar nichts mit dem Beginn der Corona-Krise zu tun habe, kein einziges Mal nur die Absicht gezeigt, auf die Frage zu antworten, worum er um Verzeihung bittet. Damit zeichnet der Gesundheitsminister ein Bild: Unschuldig an der Situation, in der Fehler gemacht wurden, die er nun aufarbeiten will – ohne seine Einmischung.

Dass Karl Lauterbach bereits lange vor seiner Berufung zum Gesundheitsminister zuerst in sozialen Medien – damals: Twitter – und später in Talkshows zu den bekanntesten Fürsprechern von harten Maßnahmen gehörte; dass er etwa auf seinem Twitteraccount auch im März 2020 als Experte herhielt und schon damals „Studien“ teilte; dass er also durchaus an der politisch wie medialen Atmosphäre Anteil hatte; dieses Minenfeld vermeiden Moderator wie Minister.

Dann ein entscheidender Einschnitt. Angesprochen auf die RKI-Files spricht Lauterbach von „Transparenz“. „Ich werde dafür sorgen“, kündigt Lauterbach an. Man habe damals nach „bestem Wissen“ gehandelt, „viele Entscheidungen habe nicht ich getroffen, damit kein falscher Eindruck entsteht“. Dabei ist der einzige Eindruck bisher: Lauterbach versucht seine Haut zu retten, weil die Geschehnisse der Vergangenheit zurückrollen. Der pseudo-professorale Ton kann nicht verdecken, dass er in nahezu jedem Satz seine eigene Beteiligung abmildert.

„Das Robert-Koch-Institut hat eine herausragende Arbeit gemacht, Deutschland ist besser durch die Pandemie gekommen als viele andere Länder ähnlicher Art und Bevölkerung“, hebt Lauterbach hervor. „Aber in den Protokollen sind viele Schwärzungen vorgenommen worden. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz musste das Robert-Koch-Institut bestimmte Namen schwärzen die Dritte wiederum betrafen (…) Ich habe jetzt gestern veranlasst, dass die Protokolle weitestgehend entschwärzt werden sollen, also, dass noch einmal geprüft werden soll, was unbedingt geschwärzt werden soll. Dass macht dann natürlich nötig, dass die Rechte Dritter gewahrt werden bleiben (…).“ Man müsse, so Lauterbach, jeden um Erlaubnis bitten.

Heißt übersetzt: Wir entschwärzen ein bisschen für das gute Gefühl, dass der Staat dem Bürger keine Informationen verschweigt, die ihn beunruhigen könnten; aber die Verantwortlichen dafür, was die letzten Jahre passiert ist, fallen unter den Datenschutz. Lauterbachs Gönnerhaftigkeit ist in Wirklichkeit eine Verachtung des Souveräns, getarnt mit den Bärenfallen der Bürokratie. In ähnlicher Weise haben die Behörden damals die Namen von Journalisten geheimhalten wollen, die auf der staatlichen Bezahlliste standen. Journalisten, die nicht veröffentlicht wurden, weil sie es nicht wollten.

Nach Wochen kam dann plötzlich die Einsicht: Die Namen müssen wegen des breiten öffentlichen Interesses offengelegt werden. Wollen Bundesminister und RKI nun vorgaukeln, dass der heftigste Eingriff in die Grundrechte seit Verabschiedung des Grundgesetzes nicht ein bedeutend höheres öffentliches Interesse besitzt? Die Entscheidungen in RKI und Ministerium sind kein Privatkonzert. Und die scheinheilige Transparenz des Ministers wirft eher Fragen auf, als dass sie diese beantwortet.

Dazu passend erklärt Lauterbach: „Ich möchte betonen, ich hatte mit den Protokollen, also mit der Frage ‚Wird da geschwärzt oder nicht‘, nichts zu tun. Ich habe auch die entschwärzten Protokolle noch nicht gesehen.“ Er wolle nicht, dass der Hauch eines Eindrucks entstehe, dass vom RKI etwas „bewusst“ verborgen würde. In Aussagen wie diesen findet die Corona-Zeit ihren Nachhall: Auf die paradoxen Maßnahmen folgen paradoxe Erklärungen. Wenn das RKI nichts zu verbergen hätte, könnte es alles offenlegen. Und wenn der Minister wollte, dass alles transparent wäre, könnte er es transparent machen. In der Corona-Zeit hieß es: Schutz von Älteren und Kranken. Die einzige verletzliche Gruppe, die es in der Post-Pandemie noch gibt – sind die Verantwortlichen. Sie sind die neue Risikogruppe.

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Kommentare ( 38 )

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ersieesmussweg
28 Tage her

Wirklich ernüchternd ist die Unverfrorenheit mit der diese Herrschaften kaltschnäuzig weiter lügen. Sie werden alle Hebel in Bewegung setzen damit bloß nichts an die Öffentlichkeit gelangt.
Zum Glück durchschauen immer mehr Mitbürger dasLügengebilde.

Siggi
28 Tage her

Nun werden Teile der Schwärzung zurückgenommen, dafür verschwinden wesentliche Seiten.

UVD
29 Tage her

Spätestens seitdem die ehemalige FDJ-Sekretärin die CDU in eine kommunistische Partei umgedreht hat, kann man nicht mehr davon sprechen, daß D ein Rechtsstaat ist. Zwar werden krampfhaft unzählige Bemühungen von selbsternannten Demokraten inszeniert, um diesem Eindruck in der Bevölkerung Nachdruck zu verschaffen. Realität ist aber für jeden der sehen will, das glatte Gegenteil. Polizeibeamte führen Jugendliche direkt aus dem Schulunterricht zu einer Besprechung „Zur Klärung eines Sachverhaltes“, der lt. Polizei keinerlei Straftatbestand aufwies. Ein kleines, engagiertes Journalisten-Team das im Internet ums Überleben kämpft, hat sich herausgenommen, Regierungsanmaßungen während der offensichtlich nie da gewesenen Corona-Pandemie, zu hinterfragen, bzw. hat die Herausgabe… Mehr

Micky Maus
29 Tage her

Auch der Karl ist so ein verlogener Patron! Hat er nicht in Corona-Zeiten alle, aber auch alle Maßnahmen befürwortet (welche tiefste Eingriffe in die Privatspähre der Bürger brachten), sich vielleicht auch mit solchen Maßnahmen wie Impfung und Maskenpflicht, die Taschen voll gemacht? Besitzt er überhaupt die Qualifikation über soetwas Entscheidungen zu treffen (es dürfte mittlerweile bekannt sein, dass er auch nur Befehlsempfänger anderer Mächte war). Sicherlich wußte er es und spielte aus Selbstüberschätzung willig mit, und nun muß er auf Druck von anderen Stellen versuchen, so wenig wie möglich an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Es könnte ja bekannt werden,… Mehr

Borkner
29 Tage her

Vorschlag zur Güte:
Ich schlage vor, dass alle Namen entschwärzt werden, nur der Name Lautrbach nicht, der darf als einziger geschwärzt bleiben.

Mike76
29 Tage her

Der Lauterbachschen Logik zufolge (gibt es die überhaupt?) bedeutet dass wohl, dass er jetzt beim sogenannten „Entschwärzen unter Auflagen“ versteht, alles sichtbar zu machen, AUSSER den Teilen, wo sein Name, der von Spahn, Braun, Merkel, Drosten und allen anderen „Experten“, die an diesem planvoll inszenierten Super-GAU teilgenommen haben. Bedeutet, am Ende kommt da nichts bei rum, ausser der Sichtbarmachung von ein paar unwichtige Namen, die für die eigentliche Sache eher uninteressant sind.

Raul Gutmann
29 Tage her

Die substanzlose Behauptung, Deutschland sei besser durch die Pandemie gekommen als viele andere Länder ähnlicher Art und Bevölkerung, wird nicht nur seit mindestens zwei Jahren von den Verantwortlich mantrahaft wiederholt, es wird von der Bevölkerung auch wohlfeil aufgenommen, kann dabei doch wie bei „… ist ein reiches Land“ überlegen auf andere Länder herabblicken.
Wie bitte? Sie meinen, Mathematik und Statistik würden jene Unwahrheit offenlegen?
Ich bitte Sie, jene Disziplinen sind Ausdruck weißen, maskulinen Rassismus.

berlinwarmalsehrschoen2
29 Tage her

In ähnlicher Weise haben die Behörden damals die Namen von Journalisten geheimhalten wollen, die auf der staatlichen Bezahlliste standen. Journalisten, die nicht veröffentlicht wurden, weil sie es nicht wollten.

Obwohl ich viel zu viel Zeit aufwende, Nachrichten zu lesen, ist mir diese Offenlegung VOLLKOMMEN entgangen! Könnten Sie bitte eine entsprechende Nachricht verlinken?
Es ist eh erstaunlich, wie das Thema, wie so viele andere davor, leise aus der Berichterstattung verschwunden ist.

Edwin
29 Tage her

„Im Gespräch wird vor allem deutlich, dass der Minister seine eigene Haut retten will.“

Genau darin besteht nun die Chance. Durch die RKI-Files wird ein Spleiß in das Schweige-Kartell getrieben. Jeder Beteiligte an den grundrechtswidrigen Maßnahmen wird jetzt versuchen, seine eigene Haut zu retten.

Hier gilt nun das Sprichwort in umgekehrter Form: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Das Hauen und Stechen ist eröffnet. Das wird noch interessant, obwohl sich der Gesamtprozess für eine lückenlose Aufklärung noch hinziehen dürfte.

RA.Dobke
29 Tage her

Der „Pranger“ ! War er wirklich so schlecht, oder hat eine Gesellschft Personengruppen, die es sich gefallen lassen müssen, wegen ihres Denkens(?) und Handelns öffentlich angeprangert zu werden? Wer die Verantwortung für sich gewollt hat, der muß zu ihr stehen und sich insoweit auch öffentlich verantworten. Vielleicht sollte man auch über eine irgendwie geartete Haftung auch mal nachdenken, das hilft diesen Ehrgeizlingen sicher, über das eine oder andere etwas sorgfältiger nachzudenken. Der Gipfel des Unsinns zeigte sich einmal, als man Gesetze zur Probe auf Zeit machen wollte, um dann zu schauen , ob sie sich umsetzen ließen und bewährt hatten… Mehr

Last edited 29 Tage her by RA.Dobke