Kurz und Trittin bei Maischberger – Auf der Anklagebank

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz musste sich bei Maischberger viele Fragen zur Vergangenheit seines Koalitionspartners gefallen lassen.

Screenprint:ARD/Maischberger

Man stelle sich folgendes vor: Als Gerhard Schröder Bundeskanzler war, kommt er nach Österreich zu einem Fernsehinterview. Die Moderatorin des österreichischen Fernsehens wirft dem deutschen Bundeskanzler vor, dass er mit den Grünen einen Koalitionspartner hat, in dessen Reihen jede Menge Ex-Funktionäre von KBW, KPD/AO, Revolutionärer Kampf, KB usw. sind. Der Vizekanzler Joschka Fischer war bekanntlich einer der führenden Leute beim „Revolutionären Kampf“. Trittin, früher beim Kommunistischen Bund (KB), war damals Umweltminister.

Ist das vorstellbar? Auf keinen Fall. Gleiches haben wir jedoch gestern im ARD gesehen, als Kurz nicht in erster Linie wegen der von ihm selbst vertretenen Positionen kritisiert wurde, sondern wegen der Vergangenheit von Strache. Kurz saß auf der Anklagebank. Ihm wurden jede Menge Zitate vorgehalten – aber nicht etwa Äußerungen, die er selbst getan hat, sondern von Mitgliedern und Funktionären seines Koalitionspartners FPÖ.

Maischberger hatte eine lange Liste mit Zitaten vorbereitet. Ausführlich ging es vor allem um FPÖ-Chef Christian Strache und dessen Vergangenheit. Dazu gab es sogar einen Einspielfilm. Obwohl Maischberger selbst eigentlich genug kritische Fragen gestellt hatte, holte sie sich dann noch Unterstützung, und zwar ausgerechnet vom Linksaußen der Grünen, Jürgen Trittin. Der dürfte dann ebenfalls die Rolle des Anklägers spielen.

Trittin war selbst in seiner Jugend Mitglied des Kommunistischen Bundes. Also: Da wird der Bundeskanzler von Österreich scharf kritisiert, weil sein Koalitionspartner in seiner Jugend rechtsextreme Positionen vertreten hat bzw. Kontakte zu Rechtsextremisten hatte. Ankläger ist Jürgen Trittin, der aber selbst früher Linksextremist war. Das kam allerdings nicht zur Sprache. Kurz war zu höflich, um das anzusprechen. Maischberger erwähnte das natürlich auch nicht.

Ich werfe niemandem vor, wenn er in seiner Jugend extreme Positionen vertreten hat, wenn er später einen Lernprozess gemacht hat. Ich war früher, so wie Trittin, selbst Maoist. Ich habe mich selbstkritisch damit auseinandergesetzt – sehr viel deutlicher, als Trittin dies jemals getan hat. Aber in Deutschland wird mit zweierlei Maß gemessen: Früher Linksextremist: Das ist okay, allenfalls eine „Jugendsünde“ (wahrscheinlich aber gar keine Sünde). Früher ein „Rechter“: Das wird jemandem sein Leben lang vorgeworfen, so als ob es sich um eine unheilbare Krankheit handele.

Ich selbst sehe die FPÖ und Strache mit ihren Positionen sehr kritisch. Aber Trittin als Vertreter der Anklage – das ist schon absurd. An Stelle von Kurz hätte ich gesagt: „Wenn Sie Fragen zu Strache haben, laden Sie ihn bitte selbst ein. Lassen Sie uns heute über meine Positionen und das Regierungsprogramm sprechen.“

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Kommentare ( 55 )

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misty
6 Jahre her

Ja schade. Kurz war einfach zu höflich, aber er hat seinen Anklägern trotzdem den Wind aus den Segeln genommen.

Heinrich Moser
6 Jahre her

Man stelle sich vor, Frau von der Leyen wird im österreichischen Fernsehen von einem männlichen Moderator als „… die zarteste Versuchung seit ..“ begrüßt.
Der Moderator müsste sich einen neuen Job suchen.
Genauso hat Frau Meischberger den österreichischen Kanzler anmoderiert.
Unprofessionell.

Bernhard K. Kopp
6 Jahre her

Quod licet iovi non licet bovi. Spätestens seit Schröder/Fischer ist dies der dominante Ton der Bundesrepublik gegenüber allen kleinen Länder in der EU. Die kulturdeutschen Österreicher hat man dabei besonders auf dem Kieker, weil sie, zumindest gelegentlich, als die klügeren Deutschen erscheinen. Das haben nicht nur Trittin, sondern auch Maischberger, uvam., verinnerlicht.

misty
6 Jahre her
Antworten an  Bernhard K. Kopp

Wieso seit Schröder? Ich wüsste nicht, dass Schröder je einen derart arroganten Ton anderen Regierungen oder Staatsoberhäuptern gegenüber angeschlagen hätten.

Montgomery
6 Jahre her

Nach dieser katatrophalen Sendung sollte es folgendes Fazit geben:

1. der WDR trennt sich von seiner schon seit langem unfähigen, inkompetenten Moderatorin.
2. der WDR und die Redaktion Maischberger entschuldigen sich öffentlich und schriftlich beim österreichischen Bundeskanzler Kurz.
3. Bei einem weiteren derartigen Moderations-Fauxpas wird diese völlig überflüssige Sendung eingestellt.
4. Diese Ausgabe von Maischberger muss Thema des Rundfunkrates ein. Sollte er sich für die Beibehaltung der Moderatorin Maischberger entscheiden, bekommt diese und ihre tendenziöse Redaktion eine Abmahnung.

Jeder Cent der GEZ-Gebühr für diese an Inkompetenz trotzende Sendung zuviel ist.

misty
6 Jahre her
Antworten an  Montgomery

Der WDR wird sich nicht trennen – Maischberger hat doch alle Erwartungen, die an sie gestellt werden erfüllt.

Kuno
6 Jahre her

Ich sehe, um Gegensatz zum Beitragschreiber Rainer Zitelmann, die FPÖ und Herrn Hans Christian Strache überhaupt nicht als problematisch an!
HCS und FPÖ haben die aktuellen Probleme in Österreich und in Europa richtig benannt und sind deshalb auch mit 26 % bgewählt geworden.

chiara
6 Jahre her

Das war dermaßen plump, Frau Maischberger, schlimmer geht es kaum. Nach Jahren der Abstinenz vom Zwangsbezahlfernsehen war es eigentlich kaum zu ertragen, aber dank der angenehm intelligenten Mauer, in the lovely shape of Mr. Kurz, gegen die diese sogenannte Journalistin permanent versuchte anzurennen, war es dann doch teilweise amüsant bis befriedigend. Die Frage bleibt:
Wann kommt ein deutscher Herr Kurz (erstmal genug von Frauen!) und erlöst uns????

Captain Buck Rogers
6 Jahre her

Genauso unhöflich empfand ich das Herumreiten der Frau Maischberger auf der Tatsache, daß Herr Kurz keinen Studienabschluß hat. Es ist wahrscheinlich nur seiner unerschütterlichen Höflichkeit geschudet, daß er nicht antwortete, ein Studium ohne Abschluß sei immer noch besser als ein akademischer Titel, der auf Protektionismus und Betrug fußt, wie das in der Schwesterpartei so üblich ist.

Eugen Karl
6 Jahre her

„Kurz war zu höflich, um das anzusprechen.“ Das finde ich nicht. Er hätte es sagen sollen, sagen müssen. Es muß endlich vor großem Fernsehpublikum Tacheles geredet werden, damit offensichtlich ist, was nur einige wenige wissen. Warum sagt Herr Kurz nicht: „Fragen Sie Herrn Strache und laden Sie ihn ein; er wird sicher gerne kommen.“ Und warum ergänzt er nicht: „Ich beantworte jetzt keine dieser völlig überflüssigen und deplazierten Fragen mehr. Wenn Sie keine Fragen zur Sache haben, können wir das Gespräch auch beenden.“ Warum nicht? Warum wird der deutsche Schmierenjournalismus, der immer nur ad personam geht und maximal zu beschädigen… Mehr

Fritz Goergen
6 Jahre her
Antworten an  Eugen Karl

Der Wiener Stil ist nicht preussisch …

Captain Buck Rogers
6 Jahre her
Antworten an  Eugen Karl

Es ist nicht Aufgabe des österreichischen Bundeskanzlers, das deutsche Staatsfernsehen zu reformieren. Und wenn man sich die albernen Schlammschlachten im Österreichichen TV angesehen hat, besteht dort gewiss auch Reformbedarf.

Tulpino
6 Jahre her

Ich verleihe Frau Maischberger für dieses Interview den „Carl-Eduard-von-Schnitzler“-Preis am Hosenband 1ter Klasse. „Sudel-Ede“ ist zwar kaum zu schlagen, aber diese unverschämte Behandlung eines demokratisch gewählten Souveräns eines befreundeten Staates, kommt ihm schon gefährlich nahe……Was für eine peinliche Vorstellung! *Kopfschüttel……

Was den Trettin & Consorten anbelangt, da spiele ich mal Vorsehung: in spätestens zwei Jahren ist diese Partei samt ihren Vertretern Geschichte.

tessa
6 Jahre her

Deutsche Politiker, ewige Besserwisser, sehen sich gerne in der Pflicht, andere zu massregeln. Vor der eigenen Haustüre kehren, das käme ihnen nicht in den Sinne. Frau Merkel will Herrn Kurz an seinen Taten messen, wie sie bissig bemerkte. Ausgerechnet sie, die mit ihren eigenen Taten Deutschland auf Generationen hinaus geschadet hat. Ich wollte, wir hätten einen Herrn Kurz.

misty
6 Jahre her
Antworten an  tessa

Würde man Merkel an ihren Taten messen – müsste sie stante pede von ihren Amtspflichten entbunden werden. Wäre die Bundesrepublik ein Unternehmen, müsste sie wegen Verstoß gegen §§ 266 und 283 ff StGB vor Gericht gestellt werden.