Klimakiller DDR

Zum dritten Mal haben Klimaaktivisten zu einem weltweiten Klimastreik aufgerufen. Viele Anhänger der Bewegung Fridays for Future machen den Kapitalismus für die Erderwärmung verantwortlich – zu Unrecht, wie die Geschichte zeigt.

Mehr Treibhausgase produziert als die USA - Leuna-Werke in der DDR 1980 (1)

Stolz haben sich die jungen Leute vor dem Berliner Reichstag postiert, vor sich ein mannshohes Transparent, auf dem in riesigen Lettern steht: „CAPITALISM KILLS“. Sie protestieren gegen die ihrer Ansicht nach mangelhaften Bemühungen der deutschen Regierung, den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken. Auch viele andere Aktivisten der Fridays for Future-Bewegung sind der Meinung, dass der Kapitalismus Schuld an den CO2-Emissionen trage, die für eine schleichende Erderwärmung verantwortlich gemacht werden. Das „deutsche Gesicht“ der Bewegung, Luisa Neubauer, erklärte zum Beispiel, es sei „eine zentrale Frage, ob der Kapitalismus, den wir gerade erleben, und Klimaschutz vereinbar“ seien. Und in Köln demonstrierten Klimaaktivisten unter dem Slogan „Burn Capitalism – Not Coal“.


Kapitalismus als Schuldiger – Klimaschutzaktivistinnen Greta Thurnberg (re.) und Luisa Neubauer in Hamburg (2)

Die jüngere deutsche Geschichte legt indes eine andere Schlussfolgerung nahe. Einer der größten Klimakiller der Welt war nämlich ein Land, das den Kapitalismus abgeschafft hatte – die DDR. Mit bis zu 21 Tonnen jährlich lag sie beim Pro-Kopf-Ausstoß des Treibhausgases Ende der 1980er Jahre noch vor den USA. Als schließlich die Marktwirtschaft Einzug hielt, gingen die CO2-Emissionen rapide zurück: von 333 Millionen Tonnen im Jahr 1989 auf 164 Millionen Tonnen im Jahr 1995. Auch in anderen Staaten des früheren Ostblocks verringerte sich der Ausstoß signifikant, als diese kapitalistisch wurden.

Während Kohlendioxid für Menschen normalerweise ungefährlich ist, litt die Bevölkerung in der DDR noch unter ganz anderen Umweltgiften. Das Land stieß zuletzt über fünfmal so viel Schwefeldioxid aus wie die Bundesrepublik. Zu den Folgen zählte ein großflächiges Waldsterben in den Mittelgebirgen. Auch bei den Schwebstaubemissionen übertraf die DDR die Bundesrepublik um knapp das Fünffache. Da sich die Industrie vor allem im Süden konzentrierte, litt hier fast jedes zweite Kind an Atemwegserkrankungen und beinahe jedes dritte an Ekzemen. Nach dem Untergang der Planwirtschaft sanken SO2– und Staubemissionen schlagartig ab.


Jedes zweite Kind mit Atemwegserkrankungen – Petrolchemisches Kombinat Schwedt in der DDR1974 (3)

Dasselbe Bild ergibt sich bei der Belastung der Gewässer. Fast die Hälfte aller größeren Flüsse in der DDR war 1989 biologisch tot. 70 Prozent durften nicht mehr für die Trinkwassergewinnung genutzt werden. Knapp die Hälfte der DDR-Bewohner erhielt beim Aufdrehen des Wasserhahns zeitweise oder ständig kein sauberes Trinkwasser. Verantwortlich dafür war der hohe Eintrag von Stickstoff, Phosphor, Schwermetallen und anderen Schadstoffen in die Gewässer – der nach dem Beitritt zur Bundesrepublik massiv zurückging.

Wie viele Klimaaktivisten heute vertrat die DDR-Führung die Auffassung, dass nur die Abschaffung des Kapitalismus die Umweltprobleme lösen könne. Verantwortlich für den rücksichtslosen Umgang mit der Natur sei die Profitgier der Konzerne, an deren Stelle gesamtgesellschaftliche Vernunft und Planung treten müsse. Dies sei nur im Sozialismus möglich.


„Change the System not the climate“ – Klimaaktivistin Luisa Neubauer in Aschaffenburg im Mai 2019 (5)

Dass es in Wirklichkeit genau umgekehrt war, ist vielen jungen Leuten nicht bekannt. Im Schulunterricht spielt die DDR so gut wie keine Rolle. Dabei bietet sie einige Lehren, die auch heute noch relevant sind. So führte die Abschaffung des Profitstrebens zu wachsender Innovationsträgheit und geringer Produktivität. An die Stelle erfinderischer Unternehmer trat eine gigantische Planbürokratie. Die Folge war nicht nur, dass die meisten DDR-Produkte international nicht wettbewerbsfähig waren. Auch ihre Industrieanlagen oder Verkehrsmittel waren stark veraltet – und entsprechend umweltschädlich.

Aufgrund der wirtschaftlichen Ineffizienz herrschte in der DDR zudem ein eklatanter Mangel an menschlichen und materiellen Ressourcen. Für Investitionen in moderne Umwelttechnologien war deshalb kein Spielraum. Kein einziges Großkraftwerk war zum Beispiel mit Entschwefelungsanlagen ausgestattet und fast ein Viertel der industriellen Abwässer wurde ohne jede Klärung in die Gewässer eingeleitet. Von den Haushaltsabwässern wurde sogar nur rund die Hälfte gereinigt. Die dringend benötigten Umweltanlagen konnte die DDR auch nicht im Ausland kaufen, da sie auf dem Weltmarkt kaum Devisen erwirtschaftete. Ihre Devisenknappheit war zugleich der Grund, warum sie rund 70 Prozent ihres Primärenergieverbrauchs aus extrem umweltschädlicher Braunkohle deckte.


Industrielle Abwässer ohne jede Klärung – Sammelbecken des VEB Berlin-Chemie in der DDR 1971 (6)

Das Beispiel der DDR zeigt aber noch etwas andere: Wer die wirtschaftliche Freiheit abschaffen will, muss auch die politische Freiheit einschränken. Denn wenn der Staat den Menschen vorschreiben will, was sie zu tun oder zu lassen haben, muss er entsprechende Zwangsmittel einsetzen. Um das private Gewinnstreben auszuschalten, muss er den Menschen ihr Eigentum nehmen, ihre Aktivitäten überwachen und sie bei Verstößen bestrafen. Formiert sich Widerstand, muss er die Repression verschärfen – der typische Weg in die totalitäre Diktatur.

Auf dem Gebiet des Umweltschutzes bedeutete dies in der DDR, dass Umweltdaten einer extremen Geheimhaltung unterlagen. Bereits die Erhebung von Messwerten war genehmigungspflichtig. Unabhängige Umweltinstitute oder Umweltorganisationen, wie sie im Kapitalismus selbstverständlich sind, waren im Sozialismus undenkbar. Nur unter dem Dach der Kirchen konnten sich einige kleine Umweltgruppen versammeln, die vom Ministerium für Staatssicherheit massiv unterwandert und verfolgt wurden. Eine regierungskritische Bewegung wie Fridays for Future wäre in der DDR schon im Keim erstickt worden.


Leseempfehlung: Eberhardt Kuhrt (Hg.), Die wirtschaftliche und ökologische Situation in der DDR in den achtziger Jahren.

Dieser Beitrag ist zuerst bei hubertus-knabe.de erschienen. 


(1) Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / “Leuna, Leuna-Werke — 1980 — 21” / CC BY-SA 4.0)
(2) C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org
(3) Bundesarchiv, Bild 183-N1212-0005 / Müller / CC-BY-SA 3.0
(4) Bundesarchiv, Bild 183-W1118-013 / Lehmann, Thomas / CC-BY-SA 3.0
(5) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Luisa_Neubauer_05.jpg (Ausschnitt)
(6) Bundesarchiv, Bild 183-K0826-0302 / Sturm, Horst / CC-BY-SA 3.0

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Kommentare ( 50 )

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pj
4 Jahre her

Ja klar wer gegen den Kapitalismus spricht will natürlich gleich wieder zurück in die DDR. Um die Klimaforschung heutzutage zu bekämpfen muss an Stelle des Staates die Ölindustrie halt fett in die Tasche greifen

Bert_S
4 Jahre her

Allerdings fordert niemand von FFF eine Rückkehr zur Planwirtschaft o.ä., sondern ein Ende der aktuellen Form des Kapitalismus: ausbeuterisch und alles andere als nachhaltig für Mensch und Natur.
Ein Vergleich mit den Umweltsünden der DDR ist also gar nicht relevant.

RotImHerzen
4 Jahre her

Der Autor möge Recht mit dem haben, was er über die Situation in der DDR sagt, aber das ist komplett aus dem Kontext gerissen. Er assoziiert antikapitalistische Bestrebungen von Fridays For Future mit der DDR, beschreibt FFF nebenbei aber auch als regierungskritisch, sprich würde sich genauso in der DDR gegen die DDR stellen. Tatsächlich waren es vor allem Anarchos und Punks, die sich in der DDR widersetzten. Genauso wie, nach der Auffassung des Autors, FFF es getan hätte. Und diejenigen, die sich dagegen aufgelehnt hätten, mit denjenigen zu assoziieren, gegen die sie sich auflehnten, ist nicht nur unlogisch, sondern schlichtweg… Mehr

manfred_h
4 Jahre her

Zitat: „Einer der größten Klimakiller der Welt war nämlich ein Land, das den Kapitalismus abgeschafft hatte – die DDR.“ > JAWOHL, da ist was dran! In den 70ern bin ich Wessi öfters von Hamburg über Berlin, Dresden, den Zinnwald hoch und weiter Richtung Prag und so gefahren. Und die Autobahn von Berlin kommend, bin ich dann vor Dresden von der Autobahn runter um durch Dresden Richtung Zinneald zu fahren. Dabei lag Dresden in einer Senke. Und wenn man dann die Senke/das Tal runter nach Dresden ist, da hat man dann vor alkem,in drn kalten und klaren Wintertagen genau gerochen wenn… Mehr

Otis.P. Driftwood
4 Jahre her

„Auch in anderen Staaten des früheren Ostblocks verringerte sich der Ausstoß signifikant, als diese kapitalistisch wurden.“
Schon verloren! Wer sich der Begriffe des Gegners bedient, kann nicht mehr im eigenen Interesse argumentieren. „Kapitalismus“ ist ein polemischer Kampfbegriff aus dem Arsenal der menschenfeindlichen sozialistischen Ideologie. Warum nicht „freie Marktwirtschaft“?

meckerfritze
4 Jahre her

Sehr interessant. Nur, dass friday for future regierungskritisch sein soll, halte ich für ein Gerücht…

H. Priess
4 Jahre her

Danke, auch eine Facette wie es in der Wirtschaft lief. Fakt ist, die DDR wurde stranguliert durch die RGW und war die billigen Arbeitskräftemarkt für die BRD. Wie Volker Pispers es sagte: Die Mauer war unser Freund, alles was wir brauchten kam billig zu uns und die billigen Arbeitskräfte hielt man uns vom Leib! Beschissenene Billy Regale von Ikea in DDR gefertigt von Gefangenen auch Politischen. Hätten damals die Bürger der BRD die von ihnen selber produzierten Waren kaufen müssen bei deren Löhnen, hätte sich die Masse die gar nicht leisten können! Berlin wurde nicht durch Westdeutschland am Leben gehalten… Mehr

Kassandra
4 Jahre her

Die, die da demonstrieren, sind gerade so jung, dass sie aus eigenem Erleben weder den Dreck gesehen noch den Geruch riechen mussten, der dem DDR-Sozialismus entströmte. Dieses trostlose durch Rauch und Abgase verursachte Grau der verfallenden Städte, die Piefigkeit allüberall, das Verdruckste in den Minen der Menschen. Und vor allen Dingen der Mangel an all dem und das Anstehen für das, was lebensnotwendig war – das können sich Wohlstandskinder, denen jeder Wunsch erfüllte wurde, mitnichten vorstellen. Zudem haben sie den konkreten Bezug zur Arbeitswelt, besonders, wenn sie in Städten aufwuchsen, niemals permanent wahrnehmen können. Sie wissen nicht, was es bedeutet,… Mehr

HRR
4 Jahre her

In den vom Steuerzahler gefüllten Geldtöpfen für den Kampf gegen „rechte Umtriebe“ sollten doch noch ausreichend Mittel vorhanden sein, um eine Hundertschaft der tapfersten Kämpfer/innen gegen Leugner des Klimawandels und gegen den Kapitalismus nach Venezuela zu befördern, damit sie sich dort ausreichend mit den von ihnen bevorzugten Themen auseinandersetzen können.

benali
4 Jahre her

Im Jahre 2009 hat China im ganz großen Stil begonnen die Meinungen im Ausland für sich günstig zu beeinflussen. Dafür wurden nahezu US $ 7.000.000.000 bereitgestellt. Damit kann man viele Gretels, Annalenas, Landesregierungen, Parlamente, Lobbyisten und NGOs für sich einspannen. Cyberattacken sind sicherlich auch eingeplant. Die gleichzeitigen Angriffe auf westliche Gesellschaften und Volkswirtschaften sprechen auch für zentrale Koordination. Die Gretels, Annalenas und Baumschläfer in Regierung und Parlament wären dazu ohne großzügige Unterstützung nicht fähig. Und was dann für die Erreichung der chinesisch-kommunistischen Ziele noch fehlt, wird in der UN Organisation zugekauft. Der ganze Spuk hat mit menschengemachten Klimawandel nichts, aber… Mehr