In Berlin herrscht die “Politik des Augenverschließens”

Die Wirtschaft massiv geschrumpft, eine linke Terrorwelle gegen Bahn- und Stromnetz oder Messerangriffe auf öffentlichen Plätzen. Reichlich Stoff für die Generaldebatte im Bundestag. Doch dort herrscht die “Politik des Augenverschließens”.

IMAGO

Die “Generaldebatte” zum Haushalt ist in einem normalen Jahr der Höhepunkt des parlamentarischen Treibens. Die große Aussprache, in der alles auf den Tisch kommt. In diesem Jahr handelt der Bundestag zwei Haushalte ab. Das ist ein Grund, warum die Generaldebatten an Gewicht verlieren. Aber der wichtigere Grund ist die Flucht der Regierungs- und Reserveregierungsparteien vor den eigentlichen Problemen im Land – in eine “Politik des Augenverschließens”, wie es die Oppositionsführerin Alice Weidel (AfD) treffend bezeichnet.

Sie spricht zuerst, dann folgt der Kanzler. So will es die Tradition der Generaldebatte. Und Friedrich Merz (CDU) tut alles, um Weidel recht zu geben. Gut 20 Minuten spricht der Kanzler, die ersten zehn Minuten davon wendet er für den Krieg in der Ukraine auf. Vor der eigenen schrumpfenden Wirtschaft, seiner dysfunktionalen Verwaltung, den linken Terroranschlägen im Land oder den täglichen Messer-Angriffen und Gruppenvergewaltigungen flüchtet sich Merz in die Belange anderer Länder.

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Aktuell zielen Grüne und Linke darauf ab, die größte Oppositionspartei zu verbieten. Kommen sie damit durch, fehlt im Parlament auch Alice Weidel – die Einzige, die Schwächen der schwarz-roten Regierung eindrucksvoll treffend benennt: Die “Politik des Augenverschließens” eines Kanzlers, der im “linksradikalen Lager um Unterstützung” bettelt und der deshalb eine “Politik des Augenverschließens” betreibt: gegenüber der zynischen Häme des Staatsfernsehens über Morde an Publizisten. Gegenüber linksradikalen Terroranschlägen auf die Bahn und auf die Stromversorgung.

Weidel zählt die Liste der Versprechen auf, die Merz als Kanzler bereits gebrochen hat. Eine lange Liste mittlerweile: Rückkehr zur Kernkraft, Abschaffung des Heizungsgesetzes, Aus für das Verbrennerverbot, kritische Fragen zu staatlichem Geld für NGOs, Einhalten der Schuldenbremse, Senkung der Stromsteuer für alle oder ein Ende des Missbrauchs im Bürgergeld. Diese Versprechen habe Merz nicht nur gebrochen, er habe in vielen Punkten das Gegenteil von dem gemacht, was er angekündigt hat: So lasse er den NGOs mehr staatliches Geld zukommen und verschulde das Land dafür in einer nicht gekannten Weise. Der von Merz angekündigte “Herbst der Reformen” werde zum nächsten Versprechen, das er bricht und „zum Winter der noch höheren Ausgaben führen”.

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Merz beklagt in seiner Rede, dass die AfD der Glaubwürdigkeit der Politik schade. Doch der größte Schaden kommt von einem Kanzler, der mit Ansage sein Wort bricht. Der im Wahlkampf verspricht, “links” beenden zu wollen und gleichzeitig alle Kritiker abkanzelt, die sagen, er werde nach der Wahl mit SPD oder Grünen linke Politik machen – um dann nach der Wahl mit SPD und Grünen linke Politik zu machen. Wenn es um das Einhalten seiner Versprechen geht, ist eine “Politik des Augenverschließens” noch der größte Liebesdienst, den man Merz tun kann.

Auch Merz’ Verhalten sieht Weidel richtig voraus. In ihrer Rede sagt sie, der Kanzler “flüchtet sich in die Pose des Außenpolitikers, der Sandkastenarmeen verschiebt und Milliarden an Länder verschenkt, die er gar nicht hat”. Dann kommt Merz und redet nur über die Außenpolitik konkret. Als der Kanzler endlich über sein eigenes Land spricht, übt er sich in Poesie: “Der Herbst der Reformen ist längst eingeleitet.“ Womit er die zahlreichen Arbeitskreise meint, die seine Regierung eingerichtet hat: “Die Kommissionen dienen nicht dem Zeitverzug oder gar der Verschleppung.” Sie sollen die Akzeptanz für die Reformen erhöhen – sagt Merz.

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TE hat schon mehrfach geschrieben, dass sich die Regierung hinter den Kommissionen verstecken will. Ganz so, als ob nicht CDU, CSU und SPD gewählt worden seien und dafür bezahlt würden, die Verantwortung zu tragen. Friedrich Merz spricht über Medien wie TE gerne in dem Sinn, dass sie das Vertrauen in die Politik erschütterten. Nun erklärt er selbst, wofür die Arbeitskreise da sind und gibt genau diesen Medien recht. Es sind halt nicht die, die Merz’ Politik beschreiben, die das Vertrauen erschüttern – es ist der, der diese Politik betreibt.

Es ist ein Kanzler, der Weidels Vorwurf einer “Politik des Augenverschließens” recht gibt, wenn er im Wahlkampf eine Reform des Bürgergelds ankündigt, aber jetzt nur noch Selbstverständlichkeiten sagt, wie: Alle sollten arbeiten, die arbeiten könnten – ohne mit einem Wort zu benennen, wie seine Regierung das erreichen will. Merz sagt, dass er die Krankenversicherung effektiver machen wolle. Klar, wer würde sich hinstellen und ehrlich ankündigen, dass er noch mehr Geld aus den Kassen versickern lassen und Empfängern von Bürgergeld zukommen lassen will? Doch auch an der Stelle ist Merz bestenfalls für eine “Politik des Augenverschließens” gut. Das gleiche Schema bei Steuern, Bürokratie, Digitalisierung, Staatsmodernisierung oder Energiepolitik.

Die “Politik des Augenverschließens” ist auch möglich wegen der Schwäche von großen Teilen der Opposition. Katharina Dröge entwickelt ein Szenario: Ein Oppositionsführer Friedrich Merz würde die Politik des Kanzlers Friedrich Merz gekonnt in der Luft zerreißen. Da ist was dran. Nur gibt da die Fraktionsvorsitzende der Grünen durch die Hintertür zu, dass sie selbst nicht in der Lage ist, die schlechte Politik des Kanzlers zu stellen. Treffend in der Beschreibung. Verheerend für das Land, wenn die zweitgrößte Oppositionspartei von Frauen geführt wird, die ihre eigene Unfähigkeit beklagen. Dröge sagt auch, sie habe sich lange gefragt, wie sie das Thema Klimaschutz ansprechen soll und sei zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen. Über Friedrich Merz hat Angela Merkel gesagt, dass er es nicht kann – über Katharina Dröge sagt das Katharina Dröge.

Wie es geht, kann Dröge von Heidi Reichinnek lernen. Die Fraktionsvorsitzende der Linken wirft Merz vor: Wenn er eine Liste anlegen müsste von Dingen, mit der seine Politik konkret das Leben der Bürger verbessert, dann bliebe diese Liste leer. Danach folgt eine ermüdende Liste unerfüllbarer linker Maximalforderungen. Aber Reichinnek hat immerhin einen Punkt verkauft – und damit mehr als Katharina Dröge in einer ganzen Rede.

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Kommentare ( 55 )

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OJ
2 Monate her

Die Wahrheit schmerzt❗
Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 23. Mai 1949 regierten und regieren ausschließlich, ohne Ausnahme SPD und CDU/CSU.
RENTNER, mit Abstand die größte Wählergruppe, wählen seit Gründung der Bundesrepublik in der Masse SPD und CDU/CSU.
RENTNER sind in der Masse politisch und wirtschaftlich ungebildet.
RENTNER, in der Masse,
generieren ihre Informationen aus dem ÖRR.
Jetzt raten sie mal, wer die Schuld an der ganzen Misere trägt❓

Hendo Renka
2 Monate her
Antworten an  OJ

Hin und wieder ist auch ein Rentner mit mehr Wissen gesegnet aber ich persönlich kann bei diversen Bekannten immer nur fassungslos deren Ansichten zur Kenntnis nehmen

Logiker
2 Monate her
Antworten an  OJ

Die andere Seite – die linke – setzt dagegen auf die altersmäßig entgegengesetzte politisch ungebildete Klientel – Wahlrecht ab 16!

Das Resultat von beiden Extremen ist, wie nicht anders zu erwarten:
die arbeitende Bevölkerung bleibt bei der politischen Mitwirkung rein statistisch außen vor. Zieht man davon die im Staatsdienst stehenden und alimentierten Berufstätigen noch ab, dann muß man sich nicht wundern über das, was bei Wahlen in Deutschland abgeht.

OJ
2 Monate her
Antworten an  Logiker

Allgemein ist die Masse der Wähler politisch und wirtschaftlich ungebildet und das wissen die Politiker, deswegen haben sie ja leichtes Spiel❗

Last edited 2 Monate her by OJ
NochNicht2022
2 Monate her
Antworten an  OJ

Naja, das waren dieselben Politik-Trottel die im März 1930 Reichskanzler Hermann Müller, der einer großen Koaltion mit über 60 Prozent der Stimmen und Sitzen im Reichstag vorstand, zum Stürzen brachten … Wie gesagt dümmer ging’s damals schon nicht und geht’s auch heute nimmer: Solche Deppen sterben einfach nicht aus.

MfS-HN-182366
2 Monate her
Antworten an  OJ

Natürlich die Rentner der Jahre 2050+. Die Jünglinge hauen ab oder machen sich in NGOs schlank. Nur die ÖRR-Betreuten wählen weiter ihre Schlächter.

OJ
2 Monate her
Antworten an  MfS-HN-182366

So schaut’s aus.

what be must must be
2 Monate her

Allerdings interessiert mich herzlich wenig, was Reichinnek „immerhin“ „verkauft“ – dieser Spuk muß beendet werden.

Raul Gutmann
2 Monate her

Es heißt, der Unterschied zwischen der Feudalherrschaft und der Demokratie bestehe im wesentlich darin, daß erstere das langfristige Überleben der Gesellschaft und damit abgeleitet ihrer aristokratischen Dynastie verfolge.
Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge. – Shakespeare in »Julius Cäsar«

Del. Delos
2 Monate her

Ich kann’s einfach alles nicht mehr hören.
Ich warte eigentlich nur noch auf den ganz großen Knall.
OmG, ist das ENTSETZLICH.

Ohanse
2 Monate her

Merz konnte sich nicht vertreten lassen, sonst hätte er vermutlich gekniffen und wäre der Sitzung ferngeblieben. Gesagt hat er nichts. Mental scheint es um ihn schlecht bestellt zu sein, wenn er vor dem Bundestag eine Strategie der Flucht vor der Verantwortung wählen muss, um nicht vollständig aus dem Gleichgewicht zu geraten.

M.Peter
2 Monate her

Typisch ist auch die Verachtung die die „Altparteien“ und der von ihnen genutzte ÖRR einem Fünftel bis einem Viertel des „Wahlvolks“ entgegenbringt.

Meine Hoffnung ist, dass zumindest die Ossis (ich selbst bin Wessi) es schaffen, dieser relevanten Bevölkerungsgruppe mehr Gehör zu verschaffen.
Ein erster Schritt wäre die Aufkündigung des Rundfunkstaatsvertrags durch einen AfD-Ministerpräsidenten in einem der „neuen“ Bundesländer.

PS: Man wird ja wohl noch träumen dürfen, oder ist das auch schon „Nazi“ ?

M.Peter
2 Monate her

Schon komisch:

Die AfD ist an allem Schuld, obwohl sie bisher noch nirgends in Ländern oder im Bund in einer Regierung war. Auch hat sie aufgrund der „Brandmauer“ noch nie eine legislative Entscheidung getroffen oder mitverantwortet (zumindest ist mir keine bekannt), aber ist trotzdem an allem Schuld.

Wann wacht der deutsche Michel auf ?

Siggi
2 Monate her

Frau Dr. Weidel hat alles gesagt, Merz hat wieder gelogen, um nicht zugeben zu müssen, dass er es einfach nicht kann. Diese Regierung steht doch schon genauso am Abhang wie Scholz vor einem Jahr. Und nächstes Jahr sind Neuwahlen, weil Merz sich weggehängt hat.

Last edited 2 Monate her by Siggi
EndofRome
2 Monate her

Die Blauen sind jetzt stramm auf Kurs 40 Prozent! Jede Woche werden inzwischen 2-3000 gute Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet. Das hält keine Regierung aus. Stuttgart ist bereits ein sterbender Standort und das politische Umdenken hat längst eingesetzt. Ich kenne dort keinen, der nicht im nächsten Jahr für die AfD votieren wird. Das war im letzten Herbst noch anders. Den beiden Altparteien gehen überdies die Wähler aus. Jedes Jahr treten lt. Statistik 800 000 Ü-75 ab. Sie wählen und wählten in großer Mehrheit SPD oder Union. Das sind in einer Legislatur für jede Partei drei Prozent! (1,5 Mio. auf 50 Mio.… Mehr

NochNicht2022
2 Monate her

Und was berichtet die BLÖD-Zeitung dazu: Doro mit „Hornbrille“ und Fritze mit „galoppierenden Pferden“ auf seiner Krawatte … Na, dann braucht man sich über die Wahlergebnisse früher, jetzt und in Zukunft nicht wundern.

Astrid
2 Monate her

Die Rede von Frau Dr. Alice Weidel bringt die Gesamtsituation im Regenbogenland exakt auf den Punkt. Da hat alles gesessen! Man kann die AfD nur beglückwünschen für diese Vorsitzende. Es gibt ja im Bundestag nur zwei Parteien, die eine heißt AfD und die anderen sind die restlichen Parteien, daher ist es immer wieder deprimierend die andere Partei zu erleben und deren Gestalten. Als normaler Mensch mit einem gesunden Menschenverstand kann man diese Politdarsteller kaum noch aushalten. Bravo Frau Dr. Alice Weidel und Gottes Segen!