Ein zunächst einseitig wirkender US-Friedensplan für die Ukraine wandelt sich plötzlich zu einer realen Option – inklusive möglicher amerikanischer Sicherheitsgarantien. Damit rückt ein Kriegsende erstmals in Reichweite, während Europa irritiert zuschaut, wie Trump das geopolitische Spielfeld neu ordnet.
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Nach dreieinhalb Jahren Krieg Russlands gegen die Ukraine mit vermutlich Hunderttausenden von Toten gibt es erstmals einen wirklichen Hoffnungsschimmer für Frieden: Nachdem Washington einen 28-Punkte-Friedensplan vorgelegt hatte, der für die Ukraine schockierend einseitig und von Moskau diktiert schien, gibt es nun Signale der Amerikaner, die den Plan für die Ukrainer doch noch akzeptabel erscheinen lassen könnten.
Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die USA der Ukraine Sicherheitsgarantien gemäß den NATO-Regeln zusichern würden, auch wenn die Ukraine – wie in dem Friedensplan festgeschrieben – nicht Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden darf.
Trotz allen Nebels und aller Verwirrung über Entstehung und Flexibilität des Friedensplans sowie über die Frage, ob es neben den 28- auch einen 21-Punkte-Plan gibt, deuten sich nun entscheidende Bewegungen außerhalb der ukrainischen Schlachtfelder an. Es könnte auch für die Europäer bald nicht mehr nur um Waffenlieferungen und Milliardenhilfsgelder gehen, sondern um die Neuordnung der Machtverhältnisse in Osteuropa und an der Südwestflanke Russlands.
Trump will sein Versprechen einlösen
Kurz vor Gesprächen von US-Vertretern mit Unterhändlern der Ukraine und europäischer Staaten am Sonntag in Genf keimt berechtigte Hoffnung auf, dass es US-Präsident Donald Trump tatsächlich gelingen könnte, was er – typisch für ihn etwas zu großspurig – schon bei seiner Wahl vor einem Jahr versprochen hatte: Frieden zwischen Kiew und Moskau zu schaffen.
Zunächst waren Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj ebenso wie die meisten europäischen Regierungen entsetzt über den am Donnerstag in Washington vorgelegten Friedensplan. Er sei ein „Diktatfrieden“ und erfülle lediglich alle Wünsche des russischen Präsidenten Wladimir Putin, so die meisten Reaktionen.
In der Tat schien sich der 28-Punkte-Plan nicht wesentlich von einem Kapitulationsabkommen zu unterscheiden: Er sah weitgehende Gebietsabtretungen an Russland vor, eine teilweise Demilitarisierung der Ukraine, das Verbot friedenssichernder NATO-Truppen im Land und andere schmerzliche Zugeständnisse Kiews. Zudem betonte Trump anfangs flapsig, Kiew habe „keine Karten mehr im Spiel“, Selenskyj könne an dem Plan nichts mehr groß ändern. Es klang nach „Friss oder stirb!“.
Der endgültige Friedensplan steht noch lange nicht fest
Verständlicherweise klagte Selenskyj, dass sein Land nun vor der Entscheidung stehe, „seine Würde zu verlieren oder einen der wichtigsten Partner“. Inzwischen aber spricht Trump von dem Friedensplan als einem „nicht endgültigen“ Papier. Entscheidend werde sein, wirklich Frieden zu erzielen, formulierte er vage. Auch aus dem US-Außenministerium gibt es Hinweise, dass alles noch im Fluss sei.
Die anhaltende Verwirrung über die Autorenschaft des 28-Punkte-Plans, der allerdings auf jeden Fall grundsätzlich von Trump unterstützt wird, kann wohl als weniger wichtig angesehen werden. Wirklich entscheidend wird zum einen sein, ob Putin zu einem Frieden bereit wäre, wenn nicht alle seine Forderungen voll erfüllt werden.
„Wir haben unsere eigenen Aufgaben, unsere eigenen Ziele. Das wichtigste davon ist die bedingungslose Erreichung der Ziele der speziellen Militäroperation“, hatte Putin laut des ehemaligen Vize-US-Verteidigungsminister Stephen Bryen bei einem Frontbesuch in Donbass vergangene Woche betont. Der russische Präsident habe sich angesichts militärischer Erfolge seiner Truppen sehr optimistisch gezeigt, schrieb der Militärexperte in seinem Blog „Wepaons and Strategy“.
Die Sicherheit der Ukraine ist die zentrale Frage
Die andere zentrale Frage ist, ob die Ukraine zu vielen, sehr weitreichenden Zugeständnissen bereit wäre, um den Krieg zu beenden. Für Kiew müssen die Sicherheit des Landes und die Unverletzlichkeit der dann vereinbarten neuen Grenzen sowie der Schutz vor russischer Einmischung in die ukrainische Politik im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen.
Während der 28-Punkte-Plan nur äußerst vage Sicherheitszusagen für die Ukraine vorsieht, gibt es nun Hinweise, dass die USA tatsächlich die Unabhängigkeit der Ukraine mit militärischen Zusagen garantieren wollen.
Eine amerikanische Militärdelegation unter der Leitung von US-Heeresminister Den Driscoll hatte einem Bericht des US-Nachrichtenportals „Axios“ zufolge schon am Donnerstag in Kiew ein zweites Dokument neben dem Friedensplan präsentiert. Darin heißt es, dass jeder künftige „signifikante, vorsätzliche und anhaltende bewaffnete Angriff“ Russlands auf die Ukraine „als Angriff auf den Frieden und die Sicherheit der transatlantischen Gemeinschaft angesehen wird“.
Das würde bedeuten, dass die USA und die anderen NATO-Staaten einen Angriff auf die Ukraine wie einen Angriff auf ein NATO-Land bewerten und mit militärischer Gewalt reagieren würden. Diese Sicherheitsgarantie würde zunächst für einen Zeitraum von zehn Jahren gelten und könnte im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden, so „Axios“.
Dramatische Entscheidungen stehen in Kiew an
Für die Ukraine stellen sich nun bald wirklich dramatische, existenzielle Fragen – immer vorausgesetzt, Putin würde einem Friedensplan zustimmen, der nun nicht alle seine imperialen Wünsche bezüglich der Ukraine widerspiegelt.
Sollte sich Selenskyj einem absehbar äußerst schmerzhaften Friedensabkommen verweigern, droht der Verlust jeglicher amerikanischer Unterstützung: Das betrifft vor allem Waffen und die Weitergabe von Geheimdienstinformationen inklusive satellitengestützter Aufklärung.
Falls Washington wirklich bereit wäre, der Ukraine Sicherheitsgarantien wie für einen NATO-Staat zu geben, bedeutete das aber auch einen Kurswechsel in der Politik Trumps. Denn als ein Prinzip seiner Außenpolitik gilt die Absicht, sich militärisch ausschließlich dann zu engagieren, wenn es direkt die Sicherheitsinteressen der USA betrifft.
Bei den Angriffen auf die Nuklearanlagen im Iran im Mai war aus Sicht Trumps ein solcher Fall gegeben, weil er den Schutz Israels als essenziell für die US-Interessen betrachtet. Eine solche Lage gäbe es bezüglich der Ukraine kaum.
Ein Frieden in der Ukraine wäre ein Segen für ganz Europa
Ein Friedensabkommen würde nicht nur ein Ende des schrecklichen Blutvergießens bedeuten, sondern auch ein neues Kapitel für die europäische Sicherheitsstruktur aufschlagen. Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass die west- und mitteleuropäischen Staaten alles daransetzen werden, ihre Verteidigungsbereitschaft drastisch zu verbessern. Dennoch aber wäre vielleicht auch die Tür zu einer allmählichen Normalisierung der Beziehungen zu Moskau wieder offen.
Es wäre ein Segen für Europa und die Welt. Vielleicht würde es manchen Europäern schwer fallen, zuzugeben, dass dies ohne Trump nicht möglich gewesen wäre. Allerdings stehen vor den Fantasien über einen Frieden im Osten Europas im besten Fall knallharte Verhandlungen und bittere Stunden für die Ukrainer an; im schlechtesten Fall liegt ein Ende des Krieges in ferner Zukunft.
Falls der Westen, insbesondere Europa, nach einer Ablehnung des Friedensplans – egal ob von Kiew oder Moskau – die Ukraine nicht fallen lässt, ist eine Entscheidung auf den Kriegsschauplätzen kaum zu erwarten – ein viele Jahre währender Krieg wahrscheinlich.

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„während Europa irritiert zuschaut“ – gemeint ist sicher die EU, nicht Europa. Man hat allerdings den Eindruck, dass die EU nicht irritiert zuschaut, sondern alle Bemühungen schon wieder zu torpedieren versucht. Die EU hat es über viele Jahre versäumt, eine Politik im Sinne des Friedens in Europa zu machen und jetzt sollen sich die Möchtegern-Könige gefälligst zurückhalten. Die haben in ihren eigenen Ländern genug Scherbenhaufen, die zu beseitigen sind. Im übrigen, was die Toten in diesem Krieg anbelangt, da schwirrt auch die Zahl von 2 Mio. (beider Seiten) im Äther, bestätigen kann das momentan sicher noch niemand. Von den vielen… Mehr
Ich bin nun ja kein Politiker, auch kein Journalist und habe auch sonst nur wenig Ahnung vom politischen Geschehen. Trotzdem finde ich es aber wichtig und interessant auch mal andere Meinungen und Berichte zu hören und lesen so wie zum Beispiel die zwei folgenden Berichte und Meinungen. Wobei es bei den 1. Link vor allem um den 28-Punkte Friedensplan geht und das dieser möglicherweise in der Hauptsache im geheimen von Putin-RU erstellt und dann auch noch zwecks Veröffentlichung durchgesteckt worden ist. Und im 2.Link wird der dann EUropäische 24-Punkte Friedensplan durchgegangen. Wobei ich hier meine, dass sich dann doch das… Mehr
Da ist mir sehr viel Naivität in diesem Artikel. Fakt ist, die Ukraine hat den Krieg verloren. Ihre Armee ist geschlagen. Genauso wie es die Kaiserliche Armee 1918 war (Zitat Ludendorff: Heute hält die Front, was morgen ist kann ich nicht garantieren). Auch gibt es keine militärischen „Nato Garantien“. Nicht mal für echte Nato-Mitglieder – lesen Sie doch mal den Artikel 5 genau durch. Da steht nichts von militärischen Garantien. Geschweige denn, dass es für ein Nichtmitglied solche bindenden Garantien geben würde. Man wird was zu Papier bringen und Papier ist geduldig. Wenn der Frieden jetzt scheitert wird es keine.… Mehr
Das mit dem (Nato-)Papier stimmt zwar, aber der Klavierspieler war noch gar kein „Member“ und hat es trotzdem geschafft, es sich zu Nutze zu machen. Und die Geldgeilen „Führer“ im Westen liessen sich das gerne gefallen. Um ihre heimischen Schweinereien verbergen zu können…
Wichtig wäre deshalb heute, daß die Ukraine auf keinen Fall EU-Mitglied wird. Das würde nämlich noch teurer als dieser Krieg werden!
„Sicherheitsgarantien“? Ich lache mich kaputt. Nur ein Narr glaubt an die Echtheit solcher. Selenskiyj mag vieles sein, aber kein Narr. Ein zweites „1994“, als sie naiv dem Amerikanern vertrauten und ihre Kernwaffen aufgaben, wird es mit keiner Regierung in Kiew geben. Damit steht Kiew nicht allein. Warum eigentlich hat Israel sich, soweit man annimmt, nach dem Yom Kippur Krieg eigene Kernwaffen beschafft? Es hätte glauben können, dass die Muslime Friedensengel sind, den Koran nur als freundlichen Ratschlag verstehen, und an „Freunde schöner Götterfunken, alle Menschen werden Brüder“ glauben können – so wie wir seit 70 Jahren. Aber im Ernst: Gab… Mehr
„… das Verbot friedenssichernder NATO-Truppen …“
Damit könnte die ukrainische Politik ihren Herzenswunsch erfüllen, und die NATO in einen Krieg gegen Russland verwickeln. Es wäre False-Flag-Aktion der ukrainischen Armee.
Ceterum senseo: