Für Norbert Lammert eine lästige Nebenwirkung?

Der Chef der Konrad Adenauer Stiftung, Norbert Lammert, wünscht sich auch auf Bundesebene eine schwarz-grüne Regierung. Die damit einhergehende Stärkung der AfD betrachtet er als „lästige Nebenwirkung“ einer insgesamt erfolgreichen Migrationspolitik.

Michael Ukas - Pool/Getty Images

In einem Interview mit dem SPIEGEL vom 08. September nimmt der ehemalige Bundestagspräsident und heutige Chef der Konrad Adenauer Stiftung, Norbert Lammert, Stellung zum Aufstieg der AfD und zum unionsinternen Streit um die Migrationspolitik. Die Entstehung und den anschließenden Aufstieg der AfD hält er im Wesentlichen für eine Folge des Umstands, dass CDU/CSU und Grüne 2013 keine gemeinsame Regierung gebildet haben. Er sei sich ziemlich sicher: „Wenn es damals nicht wieder eine schwarz-rote, sondern eine schwarz-grüne Koalition gegeben und die SPD in die Opposition gekonnt und gemusst hätte, wäre dies für eine vitale parlamentarische Auseinandersetzung sicher besser gewesen, zumal bei den großen Aufregerthemen der vergangenen Legislaturperiode, der Griechenlandrettung und der Migration.“

Die SPD hätte sich dann zum Sprachrohr all jener Bürger und Wähler machen können, die schon 2015 (oder früher) „Vorbehalte gegen eine allzu großzügige Aufnahme von Flüchtlingen“ hatten. Da dies nicht geschehen ist, sei es nicht weiter verwunderlich, wenn sich ein Teil der Bürger für ihre legitimen Erwartungen neue politische Repräsentanten suchen, „wenn sie unter den vorhandenen nicht gefunden werden.“

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Richtig an dieser Sichtweise ist, dass die SPD (wie im Übrigen auch die LINKE) mit einer migrationskritischen Positionierung sowohl den Aufstieg der AfD wie den damit einhergehenden eigenen Niedergang wenn nicht gänzlich verhindern, dann doch erheblich hätte erschweren können. Die Entstehung und die Erfolge der AfD sind nämlich keineswegs nur die Folge einer Repräsentationslücke für konservative, sondern auch für sozialdemokratische Wähler. Wie die SPD sich migrationspolitisch positioniert, hängt aber nicht, wie Lammert meint, davon ab, ob sie mitregiert oder nicht. Ihre Politik der offenen Grenzen für Migranten aller Art ist vielmehr inzwischen fester, um nicht zu sagen essentieller Bestandteil ihrer politischen DNA. Wer sie, wie etwa Thilo Sarrazin oder Heinz Buschkowsky, als SPD-Mitglied öffentlich kritisiert, dem droht mindestens die Exkommunikation aus der sozialdemokratischen Glaubensgemeinde, möglicherweise auch der Parteiausschluss.

Lammerts Annahme, eine schwarz-grüne (oder grün-schwarze) Regierung befördere eine stärker migrationskritische Haltung der SPD, widersprechen auch die Erfahrungen in Hessen und Baden-Württemberg. Dort fällt die SPD, wie auch im Bund, keineswegs dadurch auf, dass sie sich für ein restriktiveres Vorgehen in Fragen der illegalen Einwanderung via Asylrecht stark macht. Ganz im Gegenteil fordert sie zum Beispiel in Gestalt eines Verzichts auf die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber weitere asylpolitische Lockerungen. Weder von der CDU noch von der SPD werden die bestehenden Repräsentationslücken erkennbar geschlossen, um verloren gegangene AfD-Wähler wieder an sich zu binden. Lediglich die CSU versucht, deren migrationspolitischen Erwartungen aufzugreifen, ohne damit aber durchschlagenden Erfolg zu haben. Ganz im Gegenteil verlor die CSU aufgrund Ihres Spagats zwischen Koalition mit und offener Kritik an Merkel schon bei der Bundestagswahl viele ihrer bisherigen Wähler an die AfD und wird dies bei der anstehenden Landtagswahl wohl wieder tun.

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Derzeit droht ihr in Bayern laut Infratest dimap gegenüber der letzten Landtagswahl ein Stimmenverlust von rund 11 Prozentpunkten, während die AfD aus dem Stand 13 Prozent erreichen könnte. Ähnlich schlecht sieht es in Hessen aus, wo die CDU mit einem Verlust von mehr als 7 Prozentpunkten zu rechnen hat, während der AfD ein Zuwachs von rund 11 Prozentpunkten und damit ein Ergebnis von 15 Prozent prognostiziert wird. Das scheint Lammert aber nicht sonderlich zu beunruhigen. Auf die Frage, ob Merkels Migrationspolitik das Land spalte, antwortet er nämlich:

„Statistisch ja. Zugleich hat die Politik der Bundeskanzlerin aber auch dazu beigetragen, das Problembewusstsein für ein Thema zu schärfen, das zu den Megathemen dieser Generation gehört. Die Gemütlichkeit, mit der wir diese Frage jahrelang schlicht nicht zur Kenntnis genommen haben, ist nun vorbei. Und bei allen lästigen Nebenwirkungen, die uns seither zu schaffen machen, kann man die unvermeidliche Konfrontation mit einer schwierigen und komplizierten Realität auch für eine Errungenschaft halten.“

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Auf eine solche Sicht der Dinge muss man erst einmal kommen. Merkels Politik habe das Land zwar „statistisch“ (nicht politisch) gespalten, dafür aber mehr „Problembewußtsein“ geschaffen. „Lästige Nebenwirkungen“ seien dafür in Kauf zu nehmen. Gehen wir davon aus, dass er damit nur die AfD und nicht auch die bisherigen Vergewaltigungs- und Todesopfer meint, die fraglos auch eine der „Nebenwirkungen“ der Merkelschen „Willkommenskultur“ sind, stellt sich die Frage, warum Lammert das Aufkommen und den Aufstieg dieser Partei so herunterspielt.

Die Antwort liegt vermutlich in seinem Hinweis auf Untersuchungen der Konrad Adenauer Stiftung „zu den Einstellungen und Erwartungen von Parteimitgliedern und Wählern.“ Diese zeigten, dass zwischen den Mitgliedern und den Wählern der Partei eine beachtliche Kluft in Hinblick auf die Frage bestünde, ob die CDU zu weit nach links gerückt sei und damit die eingangs erwähnte Repräsentationslücke geschaffen habe. Laut Lammert würden die Mitglieder „die Aussage zu einem beachtlichen Anteil unterschreiben, die Wähler ganz überwiegend nicht.“

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Mit anderen Worten: ein Großteil der einst bei der SPD beheimateten CDU-Wähler tickt „links“ und würde der Partei verloren gehen, sollte sie sich wieder nach „rechts“ entwickeln. Das hält Lammert für falsch und plädiert implizit dafür, die von Merkel eingeschlagene Richtung beizubehalten und dafür die „lästige Nebenwirkung“ AfD in Kauf zu nehmen. Seine Hoffnungen ruhen auf dem Aufstieg der Grünen zur neuen Volkspartei an der Seite der CDU. Diese einstige Protestpartei habe seit ihrem Einzug in den Bundestag Anfang der 80er Jahre eine unvergleichliche Veränderung zum Positiven vollzogen. „Die Strecke, die die Grünen seither hinter sich gebracht haben, ist allemal größer als die verbleibende Etappe zwischen Nischen- und Volkspartei.“

Betrachtet man, wie Lammert, die Dinge rein „statistisch“, dann hat die AfD die „Strecke“, für die die Grünen mehr als dreißig Jahre benötigt haben, ohne viel eigenes Zutun in rund fünf Jahren hinter sich gebracht. Das hat sie im Wesentlichen dem Umstand zu verdanken, dass die CDU-Führung nicht bereit ist, den historischen Fehler, den ihre Parteivorsitzende und Kanzlerin 2015 mit ihrer Entourage im Alleingang begangen hat, als solchen zu benennen und daraus nicht nur die politischen, sondern auch die personellen Konsequenzen zu ziehen. Die „Mutter (Mutti) aller Probleme“ ist daher auch keineswegs nur die derzeitige Migrationspolitik, sondern die Kanzlerin selbst. Das wissen nicht nur Horst Seehofer und sein Verfassungsschutzchef, sondern vermutlich auch Norbert Lammert. Als bekennender Merkel-Fan dichtet er deswegen ihrer Migrationspolitik recht verschroben positive Wirkungen an, um sie vor der zunehmenden außerparteilichen wie innerparteilichen Kritik und Ablehnung in Schutz zu nehmen. Den weiteren Aufstieg der AfD wird dies nicht stoppen. Das ist Lammert mit Blick auf eine intensivere schwarz-grüne Zusammenarbeit offensichtlich aber auch egal.

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Kommentare ( 102 )

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WolfgangGK
5 Jahre her

Lammert, mir grauts vor dir.

andreas donath
5 Jahre her

Ich habe Lammert schon immer als selbstgerechten politischen Parvenü gesehen, der sich gerne selbst inszeniert und sich einen Hauch von Größe andichtet, der in Wahrheit nicht vorhanden ist. Ich erinnere mich da an die dubiosen, teilweise unverschämt auf mich wirkenden Auftritte des Navid Kermani, etwa im Mai 2014 im Bundestag, die Lammert fast mit Tränen der Verzückung quittiert hat. In Wirklichkeit hat es dieser engstirnige Parteisoldat, dem ich nicht verzeihen werde, wie er Erika Steinbach nach ihrer letzten Parlamentsrede zu demütigen versuchte, mit geistigem Tiefgang nicht so sehr. Was war die Konrad-Adenauer-Stiftung vor 20, 30 Jahren für ein Schwergewicht, was… Mehr

Schwabenwilli
5 Jahre her

Lammert das Symbol einer absterbenden Politkaste, die es halt immer gut gemeint hat.

Rebell
5 Jahre her

Ich habe da mal einige Fragen. Konrad Adenauer Stiftung. Der Märchenerzähler Lammert ist dort jetzt Vorsitzender. Bekommt der dafür Geld? Was passiert mit dem ehemaligen Vorsitzenden? Wer die Vita von Lammert mal genauer anschaut, der würde von diesem Herrn noch nicht mal ein gebrauchtes Auto kaufen.

andreas donath
5 Jahre her
Antworten an  Rebell

Bekommt der dafür Geld?

Ich denke, dass wir diesbezüglich mindestens auf dem Niveau sind, das man Herrn Maaßen nach seiner kurzfristig verkündeten „Beförderung“ nicht zugestehen wollte. Mindestens!

Waehler 21
5 Jahre her

Erfolgreiche Migrationspolitik. Die Renten sind sicher. Die Energiewende gibt es für ne Appel und ein Ei. – Ei Ei sieh mal an !

walter werner
5 Jahre her

Welche Aufgabe und welchen Sinn hat die Konrad-Adenauer-Stiftung?
Zunächst wird hier der Name von Konrad Adenauer, als sogenanntes Aushängeschild;
der Name steht noch für Konservativ,Ehrlich,Solide,Bürgerlich, kurz alles, wofür die heutige CDU schon lange nicht mehr steht.
Doch weiter zur Hauptaufgabe, die wie bei den meisten Stiftungen ist das Steuerbefreite
einsammeln von Geld. Auf diese weise können Millionenbeträge steuerbegünstigt geschleust werden.Dies erklärt auch des weiteren die engen Verbindungen zu Konzernen
und reichen vermögenden Menschen.Und wie ersichtlich, ist hier der richtige Mann an der Spitze.

ch
5 Jahre her

Er ist alt, hat dafür gesorgt seine Schäfchen ins trockene zu bringen und nach ihm die Sintflut.

hassoxyz
5 Jahre her

Was Lammert da von sich gegeben hat, hat mit der Realität so gut wie nichts zu tun, sondern ist reines Gutmenschen-Geschwafel. Wo lebt dieser Mann ? Irgendwo in einem Glashaus, wo ihm die ernsten Probleme der Bürger wie Masseneinwanderung und ausufernde Migrantengewalt vollkommen fremd sind. Daß er die antideutschen Grünen lobt, paßt zu seiner linken Gesinnung. Lammert ist ein typischer Vertreter der linksgrünen Merkelianer, die unser Land offenbar aufgegeben haben. Beispiele davon gibt es viele in der Union: Laschet, Günther, Strobl, Bouffier, von der Leyen, Karrenbauer sind der selbe Typus dieser unfähigen, grünen CDU-Politiker. Dass Schlimme daran ist, daß Lammert… Mehr

Berthold Bohner
5 Jahre her

Herr Lammert lässt die Maske fallen. Eigentlich sollte für jeden Unionswähler eine Koalition mit den Grünen undenkbar sein. Dei Einstellung der Grünen ist im Kern marxistisch , Recht und Ordnung werden abgelehnt, wirtschaftliche Freiheit und Eigentumsrecht Zug für Zug ausgehöhlt . Tut mir leid , feststellen zu müssen , dass die CDU zur Hure der Macht verkommen ist.

josefine
5 Jahre her

Ein skrupelloser Politiker ohne jegliche Moral! Aber voll Arroganz!