FDP: „Linksliberale“ trauern um Jamaika-Ende

Gerhart Baum, einst Kopf der „Linksliberalen“ in der FDP, ist „niedergeschlagen und ratlos“, weil Lindner das „wunderbare Projekt Jamaika“ habe platzen lassen. Mit ihm trauert Leutheusser-Schnarrenberger.

Screenprint:ZDF/Markus Lanz

Gestern bei Markus Lanz: Gerhart Baum konnte sich gar nicht beruhigen, man merkte ihm die maßlose Verzweiflung und Enttäuschung über den Abbruch der Sondierungsgespräche durch Christian Lindner an. Als er gehört habe, dass Jamaika gescheitert war, sei er niedergeschlagen und ratlos gewesen. Dabei sei Jamaika doch ein so „wunderbares Projekt“ gewesen, schwärmte er: „Da fügte sich was zusammen“, erklärte Baum – und meinte damit die FDP und die Grünen. „Mehr Jamaika wagen“ heiße „mehr Demokratie wagen“, so Baum. Das Scheitern der Gespräche versuche er zu verstehen – aber er kann es nicht: „Das darf nicht passieren“, meinte Baum. Markus Lanz fragte nicht ohne Ironie, ob Baum denn an Lindners Stelle dafür gesorgt hätte, dass Cem Özdemir vom Verhandlungstisch aufgestanden wäre …

Baum versteht die FDP nicht mehr

Baum versteht die neue FDP nicht mehr. Nein, mit den Grünen hätte sich keineswegs zusammengefügt, was zusammengehört. Baum war unlängst Gast bei „Hart aber fair“. Da gab er sich als Oberfeminist, so dass selbst Alice Schwarzer nicht mitgekommen wäre. Überall witterte er Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Diskriminierung. Er würde gerne der FDP „die Quote verordnen“, meinte er – offenbar frustriert darüber, dass die FDP bis heute (neben der AfD) die einzige Partei ohne Frauenquote ist. Baums Auftritte sind symptomatisch dafür, dass die „Linksliberalen“, also Politiker wie er oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, massiv an Einfluss in der FDP verloren haben.

Leutheusser-Schnarrenberger trauert um „Projekt des Aufbruchs“

Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, neben Baum einstmals Kopf der „Linksliberalen“ in der FDP trauert um Jamaika: „Ich war bis in den Sonntagabend hinein davon ausgegangen, dass Jamaika zustande kommt“, erklärte sie in einem „Zeit“-Interview. „Das Scheitern hat mich enttäuscht. Denn Jamaika wäre auf Bundesebene etwas ganz Neues gewesen. Jamaika hätte ein Projekt des Aufbruchs werden können.“ Enttäuschungen gehen oft Selbsttäuschungen voran. Man merkt, wie weit Baum und Leutheusser-Schnarrenberger von der Realität der heutigen FDP entfernt sind. Ich habe während der gesamten Jamaika-Gespräche damit gerechnet, dass sie scheitern werden.

Für die „Linksliberalen“ war Jamaika jedoch mit der Hoffnung verbunden, die FDP werde sich in einer Koalition mit Merkel und den Grünen wieder mehr nach links bewegen. Diese Illusion hat getrogen. Und das ist gut so: Linke Gesinnung gibt es genug in allen Parteien – bei den Linken, Grünen, der SPD und nicht zuletzt auch in der CDU. Eine „linksliberale“ Partei wie Baum und Leutheusser-Schnarrenberger sie sich wünschen, die mit den Grünen gemeinsame Sache macht, wäre im Parteienspektrum überflüssig und zum Untergang verurteilt. „Linksliberal“ ist aus meiner Sicht ohnehin so etwas wie ein rundes Quadrat, denn Linke sind nicht liberal und Liberale können nicht links sein, weil Liberale die Freiheit voranstellen und Linke die Gleichheit.

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Kommentare ( 39 )

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Steve Acker
6 Jahre her

Mir ist schleierhaft wie ein vernünftig denkender Mensch glauben konnte, dass dieses „jamaika“ funktionieren würde.
Mit Kretschmann und Palmer wär da vielleicht was gegangen , aber doch nicht mit KGE,Peter, Trittin, Roth
Dass miteinander geredet wurde ist ok. Für mich so vergleichbar: man bekommt z.B. eine Wohnung angeboten, wo man weiss, da passen wesentliche Dinge nicht, aber man schaut es sich halt trotzdem an.

A. Schmidt
6 Jahre her

Es ist auch nicht ganz einfach. Denn jetzt droht eine neue GroKo, die sich gerade wieder anschickt, sogar unsere Fernseher und Autos aus der Ferne zu verwanzen und dazu gerade einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht hat! Die SPD fordert obendrein, Macrons Finanzierung von EU-Pleitestaaten
durch den deutschen Steuerzahler komplett einzuführen!
Hier drohen erneut Schäden für Bürger und WIrtschaft in unbezifferbarer Höhe, da die FDP auf eine GroKo leider kaum einen Einfluss nehmen kann. Das ist das Dilemma.

Dieter Sulzbach
6 Jahre her

Autokorrektur! Herr *Zitelmann*

Dieter Sulzbach
6 Jahre her

Da kann man nur staunen: (Ex-) Politiker und so weit weg von der Realität! Danke, Herr Ziel ann !

p0rtofino
6 Jahre her

Ohne Ihre „ Linksliberalen“ Leutheusser/Schnarrenberger, Baum, Hirsch usw. wäre die FDP längst bei 20 %.
Wer Markus Lanz anschaut, dem ist nicht zu helfen…

Werner Schmidt
6 Jahre her

Die linksliberale Riege Baum, Hirsch, Leutheuser waren jahrzehntelang die Verhinderer einer wirkungsvollen Kriminalitätsbekämpfung. Ich erinnere an ihren unermüdlichen Einsatz gegen Telefonüberwachung, Videoüberwachung, den sog. Lauschangriff und ähnliche Maßnahmen. Instrumentarien, die heute in den Bereichen Terrorbekämpfung und Organisierte Kriminalität unverzichtbar sind. Wenn die FDP dauerhaft überleben will tut sie gut daran, sich von diesen Säulenheiligen zu trennen. Was Baum angeht: Unbegreiflich, daß dieser Untote immer wieder in’s Studio eingeladen wird.

G.P.
6 Jahre her
Antworten an  Werner Schmidt

Unbegreiflich ist es nicht, wenn man bedenkt dass praktisch alle Rundfunkanstalten links/grün ausgerichtet sind. Man versucht da mit allen Mitteln das Erstarken einer echten Oppostion gegen die Öko-Ideologie zu verhindern. Die Lindner FDP soll möglichst geschwächt werden, dafür bedient man sich der „altlinken“ aus der FDP um Lindner zu diskreditieren.

Old-Man
6 Jahre her
Antworten an  G.P.

Da gebe Ich ihnen absolut Recht!

Hermann
6 Jahre her
Antworten an  G.P.

Die afd soll ebenfalls geschwächt werden. In puncto grenzöffnung ist die FDP zu sehr auf unionskurs.

G.P.
6 Jahre her

Die Bezeichnung „Linksliberal“ hat mich schon immer erstaunt. Ein semantisches Oxymoron. Liberal kann man nicht in „links“ oder „rechts“ aufspalten, damit führt man den Begriff ad absurdum. Ich denke damit betitteln sich Leute die inhaltlich mit links/grünen Ideen sympatisieren, aber aus Machtkalkül nicht die Partei wechseln wollen. Frei nach dem Motto: Grün sind alle, egal in welcher Partei man auch ist. Das war die politische Realität in Deutschland nach der Wahl 2013. Zum Glück beginnen die Verhältnisse sich zu wandeln, es gibt wieder Parteien im Parlament die nicht grün denken und handeln. Was für die Deutschen Leitmedien natürlich einer Katastrophe… Mehr

H.Hoffmeister
6 Jahre her

Herr Zitelmann,
die von Ihnen genannten Vertreter der FDP sind so symptomatisch für unsere Gesellschaft – über alle Parteigrenzen hinweg -. Mitbürger wie diese meinen, dass sie es besser wissen als andere. Dummerweise verhindern genau diejenigen Menschen, denen sich die Baum’s dieses Landes so überlegen fühlen, dass die Weltfremdheit dieser links-ökologischen „Elite“ sich materialisiert.

Henni
6 Jahre her

Noch mehr links? Immer nur Links. Links, Links, Links. Dieses links denken wollen Phänomen großer Teile der Deutschen ist das wahre Übel. Warum gibt es in Deutschland keinen klaren Rechtsflügel? Ich meine, es fehlen in der öffentlichen Wahrnehmung prominente Rechtsdenker. Warum gibt es in Deutschland kein rechtes Nachrichtenmagazin in der Größenordnung, Qualität und der Wahrnehmung wie z.B. der Spiegel, Focus, die Zeit etc.? Interessierte Leser gäbe es glaube ich schon genügend. Die Qualität kommt natürlich nicht von alleine. Gibt es in Deutschland keinen rechtsliebenden Milliardär, der soetwas voranschieben könnte? Wie z.B. Sheldon Gary Adelson in den USA, dem israelische Medien… Mehr

Ralle
6 Jahre her
Antworten an  Henni

Ich hatte vor einiger Zeit irgendwo gelesen, daß der Red Bull Chef ein eigenes Zeitungsformat gründen wollte, aus eben diesen Gründen.

antipode
6 Jahre her

Herr Baum hat irgendwie den Eintritt ins 21. Jahrhundert verpasst. Wir koennen sehr dankbar sein, dass die FDP- Fuehrung nicht ganz so naiv ist wie er.