FDP: Eine Partei sucht eine Botschaft

Die FDP hat auf ihrem Kreuzberger Parteitag einen Leitantrag verabschiedet. Es ist ein reines Bullshit-Bingo. Die einzige Botschaft, die wirklich hängen bleibt: Selbst die FDP ist gegen die Politik der FDP in der Ampel.

IMAGO / Achille Abboud

Zwischen 6 und 8 Prozent steht die FDP in Umfragen. Ähnlich wie vor den Wahlen in Niedersachsen, Berlin und dem Saarland, wo es dann am Ende für die FDP aber überall nicht fürs Parlament gereicht hat. Während des Parteitags in Berlin-Kreuzberg steht das Team des wiedergewählten Vorstands Christian Lindner also durchaus unter Druck. Doch wie gehen er und die Liberalen damit um?

Sie versuchen es mit PR. Schon das Design der Bühne ist spektakulär. Schrilles Gelb und Magenta geht in erdverbundenes Ocker über. Das soll jung, hipp und Aufbruch verheißend wirken. Erinnert aber eher an die Anfangstage des Farbfernsehens, als die Macher mit bunten Designs strunzten, um zu zeigen, dass sie es können. Der PR-Berater ist ohnehin die letzte Berufsgruppe, in der die FDP zuverlässig die Fünf-Prozent-Hürde nimmt.

Parteitag in Berlin-Kreuzberg
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Auf der Inhaltsebene sieht es um die Partei nicht besser aus: Die FDP spuckt mit Botschaften um sich wie sonst nur Praktikanten im Brainstorming der PR-Agentur. Das „Deutsche Veränderungs-Wunder“, kündigt ein Logo an. „Machen, was wichtig wird“, verspricht ein Claim. Und dann erst die Tweets der Bundespartei. Die sind reinstes Bullshit-Bingo. Bei diesem sammeln die Spieler statt Zahlen erwartbare und abgenutzte Begriffe.

„Der Leitantrag zum #bpt23 fordert Optimismus, Tatkraft und Kreativität ein“, erklärt ein Beitrag der FDP. Gut. Optimismus, Tatkraft und Kreativität. Schön. Aber da fehlt doch „Innovation“. Kein PR-Bullshit-Bingo ist perfekt ohne „Innovation“. Und tatsächlich: „Wir wollen Innovationen, Wachstum und Fortschritt stärken“, heißt es in einem anderen Tweet. Geht doch. Oder vielmehr: Bingo.

Was steckt konkret hinter diesem Bullshit-Bingo. Die FDP fordert schnellere Digitalisierung und weniger Verwaltung. Nichts ist wohlfeiler. Das fordern alle. Und das schon seit über 20 Jahren. Aber die Realität heißt lückenhaftes Netz, schlechter Empfang auf dem Land und gedrosselte Frequenzen, vor allem wenn im Winter die Energie knapp wird. Nancy Faeser (SPD) heißt ebenfalls die Realität der Digitalisierung. Sie hat einen Großteil ihrer Ziele in der Digitalisierung der Verwaltung gerissen und danach verkündet, sie werde sich keine zeitlichen Ziele mehr setzen, dann könnten diese auch nicht verpasst werden.

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Die Realität der deutschen Digitalisierung heißt auch Marco Buschmann. Der liberale Justizminister trägt die Pläne der sozialdemokratischen Innenministerin Faeser mit, anlassloses Scannen von Netz-Kommunikation durchzusetzen. Durchführen sollen das soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook für den Staat. In Deutschland verpflichtet also der Staat amerikanische Konzerne zum Durchstöbern von digitaler Kommunikation – auch von deutschen Unternehmern. Das ist die absurde Realität hinter all dem Bullshit-Bingo der FDP.

Wie sehr sich die FDP verzwergt hat, zeigt sich an ihrem Klassiker: Steuern. Seit über 20 Jahren, seit den Tagen des Vorsitzenden Guido Westerwelle hat die Partei Steuersenkungen gefordert. Mittlerweile müssen die Deutschen so viel Steuern wie noch nie zahlen. Und was fordert die FDP nun? Die Steuern sollen nicht weiter steigen. Die Liberalen sind bescheiden geworden.

Und verlogen. Denn durch die Inflation steigen auch die Steuereinnahmen. Als Folge erfolgreicher Tarifverhandlungen steigen die Steuern ebenfalls. Nämlich durch die „kalte Progression“ – der entgegenzuwirken, davon redet die FDP schon lange nicht mehr. Und dann ist da noch die Grundsteuer. Die wurde angepasst. Was zu deutlich höheren Steuerzahlungen führt. Aber das ist ja keine Erhöhung sondern eine Anpassung. Die FDP 2023 genügt sich mit Wort-Glaubereien.

Inhaltlich hängen bleibt vom Kreuzberger Parteitag, dass die FDP gegen Robert Habecks (Grüne) Heizungsverbot ist – das sie im Kabinett selbst beschlossen hat. Aber jetzt sollen die Granden der Partei energisch dagegen vorgehen. Klappt bestimmt. Das erinnert an den Atomausstieg. Gegen den hat der Verkehrsminister und ehemalige Generalsekretär Volker Wissing lange gemöppert, bevor er dann meinte, jetzt sei die Sache halt durch.

FDP-Bundesparteitag
Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert
Als die wahre Botschaft des Kreuzberger Parteitags bleibt hängen: Die FDP sagt, sie sei dagegen, was die FDP macht. Oder wie es ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ausdrückt: „Die FDP ist das Gegenmodell zu grünen Fantasien über Null-Wachstum und Wohlstandsverzicht.“ Diesen sprachlichen Spagat gilt es zu würdigen: Die FDP koaliert mit den Grünen und setzt grüne Positionen um, weil sie das Gegenteil von diesen Positionen wolle – als deren Gegenmodell. Bingo. Gute Politik ist das vielleicht nicht – aber PR-Kunst auf höchstem Niveau. Dazu passt, dass Djir-Sarai sagt: „Der Ausstieg aus der Kernenergie ist ein großer Fehler und realitätsfern.“ Nur ist halt genau das aktuell FDP-Politik.

Bliebe noch ein Blick auf die Personalpolitik. Mit 60 Prozent erhält Michael Theurer das mit Abstand schlechteste Ergebnis der Präsidiums-Wahl. Er ist Staatssekretär im Digitalministerium. Eine angemessene Honorierung des Parteitags für die real exisitierende Digitalpolitik der FDP. Neue stellvertretende Vorsitzende der FDP ist Bettina Stark-Watzinger. Wer sie nicht kennt: Sie ist Bundesministerin für Bildung und Forschung. Wer das nicht glauben will, kann es googlen.

Zuletzt noch die personifizierte Charme-Offensive der FDP: Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist als Militärpolitikerin im Bundestag so unverzichtbar, dass die FDP sie für die Wahl zum EU-Parlament aufstellt – dem Ort, wo bekanntlich die wichtigen Entscheidungen fallen. Mit Strack-Zimmermann als Spitzenkandidatin wird die EU-Wahl zur ganz großen Hoffnung für die FDP – denn bei der gilt keine Fünf-Prozent-Hürde.

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Kommentare ( 48 )

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thinkSelf
11 Monate her

„Zwischen 6 und 8 Prozent steht die FDP in Umfragen.“
Der Sockel der völlig Denkbefreiten ist also groß genug um die Ämter auf Dauer zu sichern. Das zeigt doch das die FDP alles richtig macht.

Guzzi_Cali_2
11 Monate her

Dass ich diese Partei lange Jahre gewählt habe, erscheint mir aktuell fast schon surreal. Im Rückblick kann ich sagen, daß die FDP eigentlich schon immer die Partei der Blender war. Nur: Zum Blenden gehört auch immer einer, der sich blenden läßt. Das ist aber endgültig vorbei. Ich habe eine neue politische Heimat gefunden und die ist garantiert nicht grün oder rot. Wie mir geht es sehr vielen, die früher mal FDP gewählt haben. Daher bin ich felsenfest davon überzeugt, daß die Geschichte mit der FDP mit dem Ende dieser Koalition beendet sein wird. Und das haben sie sich ganz alleine… Mehr

alter weisser Mann
11 Monate her

Vielleicht sollte die FDP einfach noch eine Farbe ins corporate design nehmen, ein zartes lindgrün böte sich an.

der Doc
11 Monate her

Die Botschat dieser Irrlichter sollte doch klar sein:

WIR GEH´N DANN MAL !

Libertardistani
11 Monate her

An diesem Wochenende habe ich im Lifestream viele Stunden den BPT verfolgt. Und meine Voreinstellung war eine extrem skeptische. Ich kenne den Laden seit Jahrzehnten, war selbst Gast, später Videostreamer, bei BPT. Kurz und bündig: Ein unübersehbarer Ruck zur Mitte. Lindner gab anscheinend die voreilige Zustimmung im Kabinett zum GEG im Denken, beim BPT einen Schwelbrand löschen zu müssen. Das war kein Schwelbrand mehr, sondern offenes Feuer. Wenn man pflichtschuldige Avancen abzieht, sehr kritische Diskussionen, knallharte Wahrheiten unverblümt auf den Tisch. Mir kam das besonders bei GEG (die Heizungszerstörung) und Atom so vor, als seien die Minister böse Buben, die… Mehr

F. Hoffmann
11 Monate her
Antworten an  Libertardistani

Klingt ja alles ganz prima, was da gesagt wurde. Ich fürchte nur, dass davon nichts GEMACHT wird. In Sachen Atomkraft ist man ein bissel spät dran, nachdem man der Abschaltung zugestimmt hat. Beim GEG bin ich gespannt, was dazu seitens der FDP noch im Bundestag passieren soll. Wie meinte Hr. Kubicki, als er gegen die Verlängerung der KKW-Laufzeiten stimmte? Man sei leider durch den Koalitionsvertrag verpflichtet mit Rot und Grün zu stimmen, wenn etwas von der Koalition beschlossen wurde. Und was machen die ganzen Kritiker wenn sie ignoriert werden? Siehe Merkel-CDU: Man nimmt es hin.

hansgunther
11 Monate her

Ja wenn die alternativen Medien mal vom hohen Ross absteigen würden und die „Alternative“ auch als Alternative benennen würden, statt permanent über die „gelbe Gefahr -FDP“ zu schwadronieren. Vergebene Liebesmühe, Verrat allenthalben vom Rest der Blockparteien ganz zu schweigen!
Stellen Sie doch einfach mal das Programm der AfD vor und wägen Sie ab wo die Unterschiede zu den „Blockflöten“ für den Bürger erkennbaren Mehrgewinn bringen könnten.
Eine offene Diskussion wäre sehr erwünscht, ohne parteipolitische Scheuklappen!

wenmic
11 Monate her

Frau Strack Zimmermann hat wenigstens Weitblick, sie sieht das es in 2 Jahren im Bundestag für die FDP zu Ende ist, im EU Parlament hat sie zumindest bis 2029 ausgesorgt.

Manfred_Hbg
11 Monate her

Wie heute in unserem besten Schland aller Zeiten Gesetze entstehen. Vorhin während einer Befragung von Ch. Lindner (FDP) bei WELT zu dem von der Ampel-Regierung eingebrachten „Heizungsgesetz“ und warum die FDP diesem -von vielen kritisch gesehenen- Gesetz zugestimmt hat. Daraufhin antwortete bzw kleinschwätzte Ch. Lindner (hier z.T. nicht wortgenau u. sinngemäß): „das ein von der Regierung eingebrachtes Gesetz ja erst einmal NUR einVorschlag wäre und das dann aber das Parlament dafür sorgt und darüber entscheidet das mögliche Fehler beseitigt würden“. ENDE > Auf Lindner’s erklärende Antwort kam mir dann der Gedanke: „Die Ampel-Regierung mit Christian Lindner(FDP) bringt als (Gesetzes-)Vorschlag einen… Mehr

Klaus D
11 Monate her

„Die FDP sagt, sie sei dagegen, was die FDP macht.“ Ich meine das paßt zu der mehrheit der deutschen wähler. Die mehrheit der wähler wählt diese politik der MITTE aus CDU CSU FDP SPD DieGrünen ist aber gleichzeitig gegen vieles was diese politik der MITTE macht. Und das beste kommt wie immer zum schluss! Die mehrheit wählt weiter diese politik der MITTE – laut umfragen. Gute nacht deutschland.

Dr. Hansuli Huber
11 Monate her

Wenn man an die herausragenden Persönlichkeiten in den FDP-Reihen früherer Zeiten denkt, schaudert es einem beim Blick auf das heutige Personal. Von liberalen Werten keine Spur. Es geht lediglich um Pöstchen und Machterhalt. Liberal meint nur mehr Beliebigkeit. Dasselbe Phänomen bei CDU/CSU: Konservativ bedeutet längst nicht mehr, sinnvolles und erfolgreiches zum Nutzen der Menschen und des Landes zu bewahren. Nur Linke und Grüne sind sich treu geblieben: Sie hadern immer noch mit dem Bestehenden, Bewährten und Sicheren und feiern wie eh und je neues als erstrebenswerten Fortschritt, selbst wenn dieses Neue vom Schiff aus als Rückschritt und Unsinn erkennbar ist.

Klaus D
11 Monate her
Antworten an  Dr. Hansuli Huber

Das fing anfang der 1980 an das die FDP immer mehr nur auf ihre posten geschaut hat. Ich meine das ganze chaos was wir jetzt haben fing mit schwarzen koffern und einem ehrenwort an.