Der Fall Andrea Tandler: Masken, viel Provision und ein bisschen Justiz

Während der Corona-Zeit konnten Geschäftstüchtige viel Geld machen. Vor allem, wenn man die richtigen Leute in der Politik kannte. Während einige derer, die dubiose Geschäfte machten, nun juristisch verfolgt werden, zieht die beteiligten Politiker niemand zur Verantwortung.

picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Nicht alles in der Corona-Zeit war schlecht. Wer geschäftstüchtig, schnell und nur ein klein wenig skrupellos war, konnte viel Geld verdienen, ja, zuweilen sogar sehr viel. Hilfreich war sicherlich, Zugang zu Ministerien und Behörden zu haben und auch den ein oder anderen richtigen Namen zu kennen – oder den richtigen Namen zu tragen.

Andrea Tandler, Tochter des CSU-Schwergewichts Gerold Tandler, verfügte über all das. Sie ist eine Protagonistin der besonderen Spielart des Corona-Kapitalismus. Sie vermittelte mit ihrem Geschäftspartner für eine Schweizer Firma Maskendeals an das Bundesgesundheitsministerium und kassierte dafür mit ihrem Partner 48 Millionen Euro an Provisionen. Das Schweizer Unternehmen hatte mit Medizinprodukten vorher nichts zu tun gehabt, sagte aber „Ja“ zum Erfolg und war bereit dazuzulernen. Tandlers Kontakte waren dabei sicherlich kein Hindernis und Jens Spahn, damals noch Gesundheitsminister, der gerade Spaß an seinem Macher-Image fand, ließ sich dabei offenbar gerne helfen.

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Dass Tandler für ihre Vermittlung 48 Millionen Euro kassiert hatte, war, nachdem es publik geworden war, politisch ein wenig unangenehm, aber rechtlich schien zunächst alles in Ordnung gewesen zu sein. Bis sich die Steuerfahndung das Konstrukt etwas genauer ansah. Strohfirmen, Verlagerungen von Geschäftssitzen zur Vermeidung von Gewerbesteuer. Nichts Ungewöhnliches, eben das, was auch international agierende Konzerne gelegentlich betreiben. Später stellte sich heraus, dass die Ware überteuert und zum Teil unbrauchbar war, aber da war das Geschäft längst abgeschlossen. Und das war auch nicht Gegenstand des Strafprozesses.

Das Landgericht München verurteilte das Duo dann im Dezember 2023 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu viereinhalb Jahren Haft für Tandler und knapp vier für ihren Partner. Beide legten Revision ein. Jetzt hat der Bundesgerichtshof nachgebessert. Der blog lto.de schreibt: „Das Urteil wurde nun in dem Punkt geändert, dass beide jeweils nur noch eine dreijährige Freiheitsstrafe verbüßen müssen, wie ein BGH-Sprecher sagte. Die Verfahren zur Hinterziehung von Einkommensteuer wurden zwischenzeitlich auf Antrag des Generalbundesanwalts eingestellt. Die bisherigen Feststellungen tragen eine Verurteilung insoweit nicht, heißt es in der Mitteilung aus Karlsruhe. Eine erneute Verhandlung wäre mit beträchtlichem Aufwand verbunden, während die zu erwartende Strafe mit Blick auf die nunmehr rechtskräftige Verurteilung nicht ins Gewicht falle.“

Auch der Spiegel schreibt über den Fall: „Den Vorwurf der Einkommensteuer-Hinterziehung durch das frisch gegründete Firmenkonstrukt stellte der Bundesgerichtshof jetzt auf Antrag der Generalbundesanwaltschaft ein. Es bestünden ‚erhebliche Zweifel, ob die Angaben der Angeklagten in den Anträgen an das Finanzamt unrichtig beziehungsweise unvollständig waren‘, heißt es im Urteil.
Was die Hinterziehung von Gewerbesteuer angeht, kam der BGH dagegen zum selben Schluss wie das Landgericht. Den Kollegen in München sei in diesem Punkt kein Rechtsfehler unterlaufen. So ist auch für die Karlsruher Richter klar, dass Tandler und ihr Partner ihre Geschäfte in Wahrheit nicht aus Grünwald gemacht und dazu gegenüber dem Finanzamt falsche Angaben gemacht hätten, um bei der Gewerbesteuer billiger davonzukommen. Tandler hatte vor dem Prozess in München knapp ein Jahr in Untersuchungshaft verbracht, war dann aber bis zur Entscheidung in Karlsruhe wie ihr Partner auf freien Fuß gekommen.“

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Die eigentlich brennenden Fragen bleiben unbeantwortet. Wer trug die Verantwortung für diese Maskendeals? Warum konnte ein Ministerium Milliardenverträge mit einem Unternehmen schließen, das bis dahin weder Erfahrung noch Reputation in diesem Bereich vorwies? Warum prüfte niemand Qualität und Preise? Warum wurde auf die Expertise von Fachleuten bei den Bestellungen verzichtet? Und, vielleicht das Wichtigste: Warum wird die Gier von einigen Wenigen juristisch verfolgt, während gegen die politischen Verantwortlichen noch nicht einmal ermittelt wird?

Und hier sind wir beim Kernproblem: bei zu viel Staat. Einem Staat, der nicht nur in der Krise ohne Kontrollen, ohne ordentliche Verfahren auf Zuruf Milliarden verschleudert, und dann so tut, als wäre nichts gewesen. Und dessen politisch Verantwortliche keinerlei Verantwortung für ihr Handeln übernehmen müssen.

Andrea Tandler hat Steuern hinterzogen. Trotzdem hebt sich ihr nicht ganz so dunkles geahndetes Vergehen etwas heller gegen den tief-schwarzen Hintergrund der nichtgeahndeten Steuerverschwendung ab.

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Kommentare ( 37 )

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Raul Gutmann
3 Monate her

Losgelöst steuerrechtlicher Details wurde Frau Tandler von den beiden schweizer Unternehmer-Youngster, welche die Chance nutzten, die ihnen die deutsche Politik bot, ihr „Volk“ bewußt in Todesangst zu versetzen, aufgrund ihres Namens und der damit verbundenen politischen Kontakte ausgewählt; offenkundig zu Recht.
Ihre Provision von 34 bis 51 Millionen Euro mag für geknechtete Wahlschafe gewaltig klingen, doch mit 5 bis 7,5 % des Geschäftsvolumens bewegt sie sich innerhalb üblicher Usancen.
Statt die politisch Handelnden und gegebenfalls die ihnen zuarbeitende Ministerialbürokratie zur Verantwortung zu ziehen, lenkt man die Öffentlichkeit mittels eines – mit Verlaub – kleinen Kriegsgewinnlers ab. – Panem et circenses

Last edited 3 Monate her by Raul Gutmann
Janosik
3 Monate her

Wie viel hat Ballweg angeblich hinterzogen – 9€?
War da nicht etwas über gemeinsame Sache in dem Wort „Republik“? Diese Verbrecher lachen nur uns alle aus.
Ich habe Mal eine KI gefragt ob das nicht ein Zeichen ist, dass weder Rechtsstaat noch demokratische Normen in D. noch gelten. Die Antwort war: das ist ein Thema der Kontroversen und sehr schwere Vorwurf usw.

Last edited 3 Monate her by Janosik
Raul Gutmann
3 Monate her
Antworten an  Janosik

Fragen in derartiger wie ähnlicher Richtung beantwortet die KI nicht, wie Prof. Rieck vor einiger Zeit per Video kundtat.
Insofern ließe sich KI auch eine Art objektivierter(?) Big Brother bezeichnen.

HansKarl70
3 Monate her

Es war schon vor langer Zeit so und ist heute noch genau so.

Kassandra
3 Monate her

Irgendwie interessant, dass auch die „Nachkommen“ von Politikern an solchen Drehs beteiligt sein können.
Ein Sohn Kohls, Walter, klagt ja auch vor Gerichten in Bonn wegen Maskengeschäften, die Spahn ihm nicht zahlen will – und da soll es um 5.5 Millionen Euro gehen: https://www.aerzteblatt.de/news/kohl-sohn-verklagt-spahns-ministerium-wegen-maskengeschaeft-9f69a390-0cec-40da-9f83-b0da85617816
Wer sind dort eigentlich die weiteren Kläger – deren Namen zu kennen wohl auch aufschlussreich sein könnte?

Brotfresser
3 Monate her

Wenn man in Relation dazu Michael Ballweg sieht, fällt einem sowieso nichts mehr ein!
Der hat für aufgerundet 20 Euro hinterzogene Steuern (die meiner festen Überzeugung nach das Bauernopfer, die Sollbruchstelle für den Steuerprüfer waren… für den den orientalischen Teil der Buchprüfung) 9 Monate in U-Haft gesessen.
Bei gleichem Maßstab müsste die Tandlerin somit das 2,4-millionenfache absitzen, also 1,8 Millionen Jahre…

Peter Gramm
3 Monate her

Ballweg hat man 279 Tage in U-Haft genommen und weggesperrt um dann eine Steuerhinterziehungmit ein paar Kröten zwanghaft festgestellt zu haben. Der Rechtsstaat macht sich immer lächerlicher. Der alte Spruch…“er war Jurist und auch sonst von….“….hat schon seine Berechtigung. Der Augiasstall müßte dringendst gereinigt werden. Da hat sich viel angesammelt was da nicht hingehört.

Kraichgau
3 Monate her

„tiefschwarzer Hintergrund“…damit ist eigentlich alles gesagt: die CDU/CSU sitzt seit 70 Jahren an den meisten Schaltstellen und hat,gemeinsam mit der SPD,ein komplett mafiöses System in der BRD installiert zum gegenseitigen Nutzen der jeweiligen Funktionärsstruktur….
das gehört mit eisernem Besen ausgekehrt und verbrannt

Riffelblech
3 Monate her

Satire: „Ich weiß gar nicht was der Artikelschreiber will ,die Millionen sind nun eben wo anders „ . Ende : Klingt da was nach ………? Haben wir doch schon in diesem – ich lach mich tot – Rechtsstaat lernen müssen das Geld eben mal schnell die Richtung und Seite wechseln kann . Wenn‘s die „ Richtige“ ist sagt der Staat ( die im Amte tätige Legislative und Executive) nichts ,ist es aber eine Hundedecke — na dann aber die gesamte Kavallerie an die Front . Und eine bigotte aber treue „“ Quälitätsjournalistenschaar“ macht die drei Affen Nix sehen – nix… Mehr

WGroeer
3 Monate her

In Taiwan tickten die Uhren anders: • Die taiwanesische Generalstaatsanwaltschaft startet eine landesweite Kampagne, um Preistreiberei bei Produkten zur Krankheitsprävention zu unterbinden. Die Strafe beträgt 1 bis 7 Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 5 Millionen NT$ (167.000 USD). Reste von Geschäftssinn sind bei einigen deutschen Politikern durchaus noch vorhanden. Jan 30 2020 • 4 million masks released daily from local manufacturers • Only 1-3 masks are allowed per purchase at convenience stores, local pharmacies, and medical supply stores • Mask prices are currently fixed at NT$8 apiece (USD $0.27) • Taiwan’s High Prosecutors Office starts a nationwide… Mehr

Raul Gutmann
3 Monate her

Die eigentlich brennenden Fragen bleiben unbeantwortet.

Mögliche Antworten auf jene Fragen könnten lauten:
– Dilettantische NRW-Ministerialbürokratie (u.a. handschriftliches Fax)
– Aktionismus: politisch erzeugte Hysterie brauchte schnell Masken – Preis egal
– den politisch Verantwortlichen ist das Wort Steuerverschwendung unbekannt
– Mittels Steuerrecht der Öffentlichkeit einen Schuldigen zu präsentieren
– die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen