Die EU-Machtelite, trunken von eigenen Erzählungen, lebt in einer Traumwelt, in der sie mächtige Herrscher eines noch mächtigeren Reiches sind. Was wäre nun, würde die EU von Personen geführt, die zu rationalen Analysen – und daraus folgend – zu rationalen Entscheidungen fähig wären?
picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Am Ende des 19. und Beginn des 20.Jahrhunderts sah sich das British Empire einer gewaltigen Herausforderung gegenüber. Ihre einstige Kolonie, die jetzigen Vereinigten Staaten von Amerika, waren dabei, sie als Großmacht nicht nur einzuholen, sondern zu überflügeln.
1850 waren die Bevölkerungszahlen des Vereinten Königreichs und der USA etwa gleich hoch. Doch schon 1900 gab es bereits zweimal so viele Amerikaner als Briten. 1870 war die amerikanische Wirtschaft erstmals größer als die britische und 1914 doppelt so groß. 1880 hatte das UK einen Anteil von 23 Prozent am Welt-Bruttosozialprodukt. 1914 war der britische Anteil auf 13 Prozent gefallen. Der amerikanische war auf 32 Prozent angewachsen.
Auch militärisch war das British Empire dabei, seine Vormachtstellung einzubüßen. Der Two-Power Standard, die Doktrin, dass die britische Navy immer über mindestens genau soviel Kriegsschiffe verfügen sollte, wie ihre beiden wichtigsten Konkurrenten, war nicht länger aufrecht zu erhalten. Der erste Lord der Admiralität, der Earl of Selborne, drückte das damals so aus: “Wenn die Amerikaner sich dafür entscheiden würden, das zu kaufen, was sich problemlos leisten können, könnten sie eine Armada aufbauen, die unserer zunächst ebenbürtig wäre, bald aber größer und mächtiger als unsere wäre”.
Zu dieser Zeit bestimmte die britische Admiralität die Politik des Vereinigten Königreichs. 1904 sagte deren höchster Offizier der Marine, der First Sea Lord Jacky Fisher, seinen zivilen Vorgesetzten, was diese zu tun hätten. “Versuchen Sie diesen Krieg unter allen Umständen zu vermeiden. Denn unter keinen, wie auch immer gearteten, Umständen könnten wir einer umfassenden und für uns erniedrigenden Niederlage durch die Amerikaner entgehen. Wenn ich es irgendwie vermeiden kann, würde ich niemals einen Händel mit den Amerikanern beginnen”.
Leider sind die Deutschen diesem Beispiel rationaler Abwägung von Möglichem und ideologischen Wünschen zehn Jahre später nicht gefolgt. Der Drang, selbst Großmacht zu werden, war zu übermächtig und liess nüchterne Überlegungen nicht mehr zu. Nichts drückt die damalig Stimmung besser aus, als der Satz des späteren Reichskanzlers Bernhard von Bülow: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ Ein banaler Satz mit verheerenden Folgen, den man aber dem heutigen Friedrich durchaus auch zutrauen könnte.
Die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches, mit dem britischen Empire gleichzuziehen, ließ sich die deutsche Politik sehr viel kosten. Allein die Flotte, die der britischen ebenbürtig sein sollte, verschlang Unsummen. Letztendlich versenkte man sie dann, fast unbenutzt, in Scapa Flow selbst. Aber die Deutschen, immer leicht für ideologische Luftschlösser zu begeistern, zahlten mit Freude und verloren fast alles. Was sie aber nicht hinderte, kurz darauf in einem noch größerem ideologischen Wahn mit den USA gleichziehen zu wollen. Folgen und Kosten waren dann auch noch einmal sehr viel katastrophaler.
Nun gibt es neben den Großmächten natürlich immer Mittelmächte und kleinere Länder, die entweder versuchen, neutral zu bleiben, geschickt zwischen den Großen hin und her manövrieren oder sich gleich unter die Fittiche eines Großen begeben.
Die heutigen Großmächte sind ohne Zweifel die USA und das in Rekordgeschwindigkeit (wieder) zur Großmacht aufgestiegene und die USA herausfordernde China. Eine durchaus ähnliche Situation wie damals zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA. Wer aber sind die Mittelmächte? Bei einer rationalen Bewertung ist das natürlich Russland. Atommacht, groß, und – auch wenn manchem das nicht gefallen wird – politisch stabil und im Besitz großer Mengen an Rohstoffen und Energie. Aber eben weder wirtschaftlich noch militärisch auf der Höhe der USA und Chinas.
Wie sieht es nun aber mit den EU-Ländern, bzw. der sich von demokratisch nicht legitimierten Personen geführten, sich in deren Selbstverständnis aber schon als Staat gebärenden, EU aus? Militärisch sind die einzelnen Länder und noch mehr die EU als Ganzes unbedeutend. Politisch ebenfalls. Und wirtschaftlich wird die EU immer schwächer – selbstverschuldet durch immer stärker strangulierende Regulierung und durch die selbst herbeigeführte Zerstörung der einzigen Technologie und damit verbundenen Industrie, in der Europa führend war: dem Verbrennungsmotor, speziell dem Dieselmotor. Bei den Zukunftstechnologien spielen die EU und deren Länder längst keine bedeutende Rolle mehr. Der Anteil der EU am Welt-Bruttosozialprodukt sank laut Statista von 27,4 % 1980 auf heute 13,99 %.
Selbst die zwei Atommächte England und Frankreich haben weder militärisches, noch wirtschaftliches, noch politisches Gewicht. Beide können bereits die Sicherheit in ihrem Lande nur noch eingeschränkt aufrecht erhalten. Mittelfristig werden sie wegen ihrer kulturellen Bevölkerungsentwicklung von den USA sogar eher als Problemfall, wenn nicht sogar als Bedrohung wahrgenommen.
Graham Allison hat die drei Faktoren, die die Stärke und damit die Bedeutung von Ländern bestimmen, in seinem Buch “Destined for War” definiert:
“Die Wirtschaftsleistung bildet die Grundlage der nationalen Macht. Kompetente Regierungsführung ermöglicht die Mobilisierung von Ressourcen für nationale Zwecke. Und der nationale Elan befördert beides. Mit der Zeit haben Nationen mit einer stärkeren Wirtschaft, kompetenteren Regierungen und einheitlicher nationaler Unterstützung einen größeren Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen anderer”.
Das erklärt, warum die EU als Ganzes sowie ihre größten Länder, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien, weder stark sind, und noch weniger als stark wahrgenommen werden. Für das UK trifft das genauso zu.
Soll strategisches Denken erfolgreich sein, ist eine nüchterne, emotionslose Analyse Grundvoraussetzung. Wer neue strukturelle Realitäten erkennen will, muss bereit sein, nicht nur radikale und ausgesprochen unbequeme Fragen zu stellen, sondern auch radikale und unbequeme Antworten auf diese Fragen zu bekommen.
Lässt man nun emotionale und moralische Kriterien bei der Beurteilung der Handlungsoptionen beseite, bieten sich der EU, die ja noch nicht einmal eine Mittelmacht ist, nur zwei Möglichkeiten. Verbleib bei und Intensivierung der Beziehung zu den USA oder Hinwendung zu China. Wobei die zweite Option nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, rational zu nenne wäre.
Also bleiben nur die USA. Dann sollte man sich aber von Seiten der EU-Führer davon verabschieden, sich als gleichberechtigt mit den USA zu sehen. Weder die EU, noch die einzelnen Länder sind auf der gleichen Höhe mit den USA. Sie sind es weder wirtschaftlich noch politisch. Militärisch schon gar nicht. Sein Handeln sollte man realistischerweise daran orientieren.
Ein Teil der Strategie Chinas auf dem Weg zur Großmacht ist es, die Nachbarländer, aber auch wichtige andere Länder zunächst in den eigenen wirtschaftlichen Einflussbereich einzugliedern. Chinas Macht wächst durch seinen Einfluss auf die Wirtschaft anderer Länder. Russland in seiner Einflusszone zu haben, ist für China, bedenkt man die Größe, die militärische Stärke und seine Möglichkeiten als Rohstoff- und Energielieferant, ein bedeutender Machtzuwachs. Für die USA ist es eine deutliche Schwächung.
Von dieser Seite aus betrachtet, ist der Versuch Donald Trumps, Russland wieder einzubeziehen (G8), strategisch nicht nur nachvollziehbar, sondern die einzig richtige Option. Die EU und die Mehrheit der EU-Länder sowie auch das Vereinigte Königreich verfolgen im Moment aber, getrieben von Emotionalität und moralischen Impetus, die genau gegenteilige Politik. Sie treiben Russland in die chinesische Einflusszone.
Noch bezieht China etwa zwei Drittel seines Öls über maritime, von den Amerikanern kontrollierte Routen. Russland und China bauen aber seit 2019 ihre Energiepartnerschaft durch große Pipelines aus. Insbesondere durch die bereits bestehende Power of Siberia 1 und die geplante Power of Siberia 2, um russische Gasexporte nach China zu steigern und Russlands Abhängigkeit vom europäischen Markt zu verringern. Ergänzend gibt es die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline (ESPO), die russisches Erdöl in die Pazifikregion exportiert.
Nüchtern betrachtet kann das für den atlantischen Raum kein Vorteil sein.

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Wie auch ?
Dazu wäre Hirn erforderlich !
Wenn Trottel an der Macht sind , kommt halt so etwas dabei heraus .
Besonders angesichts der lobenswerten historischen Rückblende, sei es gestattet, einen leider zu oft anzutreffender Fehler zu korrigieren, der nicht nur formelle Bedeutung hat.
Es muß heißen: Der Erste Lord der Admiralität, …
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Super Analyse, der nichts hinzuzusetzen ist.