Ein verlorener Coup – und der Spin danach

Die gescheiterte Wahl von Brosius-Gersdorf war ein Sieg einer kritischen Öffentlichkeit, der seitens SPD und Grünen als Angriff auf die Demokratie umgedeutet wird. Rotgrün setzt auf Opfermythos und Verschwörungserzählung. Der Skandal ist nicht die verhinderte Personalie, sondern der Versuch, Kritik zu delegitimieren.

IMAGO

Dass Frau Frauke Brosius-Gersdorf nicht mehr zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt werden wird, hätte ein guter Tag für die Demokratie sein können. Ein Tag, an dem deutlich wurde, dass öffentliche Aufmerksamkeit und kritischer Widerspruch noch Gewicht haben – auch gegen parteipolitische Machtspiele. Doch genau dieser demokratische Reflex wird nun umgedeutet.

Statt einer ehrlichen Aufarbeitung dieses gescheiterten politischen Coups der SPD wird nun folgender Spin gesetzt: Eine angeblich orchestrierte „Kampagne“, gelenkt von „extremen Kräften“, habe Brosius-Gersdorfs Wahl verhindert. Diese Erzählung ist bequem – sie entlastet die SPD, die mit ihrer Personalie eine fragwürdige Entscheidung durchdrücken wollte, und schützt jene Medien, die das Vorgehen weitgehend unkritisch begleiteten.

Doch es gab keine orchestrierte Hetze. Es gab Kritik – aus der Mitte der Gesellschaft, von Juristen, Medienkommentatoren und einzelnen Politikern. Kritik daran, dass eine höchst umstrittene Person auf einen Posten von zentraler demokratischer Bedeutung gehoben werden sollte. Kritik daran, dass Parteien versuchen, über den Umweg der Personalpolitik ihre ideologischen Vorstellungen in eigentlich unabhängigen Institutionen zu verankern.

Der eigentliche Skandal liegt nicht in der Kritik an der Entscheidung der SPD, sondern im Versuch, diese Kritik zu ignorieren. Der Reflex der SPD, mit Macht durchzuregieren, wurde gestoppt – nicht von einer “Kampagne”, sondern durch Öffentlichkeit. Genau das, was Demokratie braucht: Kontrolle, Transparenz, Debatte.

Doch die Geschichte wird nun anders erzählt. Brosius-Gersdorf soll zur tragischen Figur verklärt werden – Opfer eines „Shitstorms“, einer dunklen Welle von Demokratiefeinden. Während öffentlich über „wehrhafte Demokratie“ geredet wird, bastelt man hinter verschlossenen Türen womöglich schon an einem Verfahren, das eine künftige Einmischung aus der Gesellschaft möglichst ausschließt. Kritik wird dann als „Delegitimierung des Staates“ gebrandmarkt, Öffentlichkeit zur Bedrohung erklärt.

Das ist nicht wehrhaft. Das ist selbstherrlich.

Der Fall Brosius-Gersdorf ist eine Zäsur – nicht, weil sie verhindert wurde, sondern weil Politik und öffentlich-rechtliche Medien in dieser Situation eine tiefe Blöße offenbart haben. Sie haben ihre Deutungshoheit verloren. Und das werden sie sich nicht gefallen lassen. Doch wenn auf diese Blamage die Einschränkung öffentlicher Mitwirkung folgt, ist die Demokratie tatsächlich in Gefahr – nicht wegen zu viel Kritik, sondern wegen zu wenig Bereitschaft, sie auszuhalten.


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Kommentare ( 39 )

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39 Comments
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eschenbach
3 Monate her

Die Rache der Judikative – die die Macht längst übernommen hat- wird schrecklich sein.

Karlito
3 Monate her

In den öffentlich-rechtlichen entrüstet man sich, wie solcherlei rechte Hetzkampagnen überhaupt noch möglich seien. Sie versuchen nicht einmal mehr zu verbergen, worum es bei der totalen linksradikalen Unterwanderung der Institutionen dieser scheiternden Demokratie geht.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist vielleicht das folgenschwerste Fehlkonstrukt der Väter des Grundgesetzes. Aber dann haben sie sich selbst nicht getraut, es eine Verfassung zu nennen.

PaulKehl
3 Monate her

Wichtiger wäre die Überprüfung der Akkreditierung der Uni P´dam, deren Leitung und jur. Fakultät sich demonstrativ hinter BG gestellt haben. Mir tun die von ihr indoktrinierten Studenten leid, zumal sie didaktisch nicht so begnadet ist.

Richy
3 Monate her

Bei all dem Jubel im konservativen Bereich der Republik wird vergessen, dass es wahrscheinlich für die Union und den echten konservativen Teil der Bevölkerung noch schlimmer kommen wird: Erstens: Mit der zweiten Kandidatin der Linksfraktion steht eine noch schlimmere Richterin in Spe vor ihrer Ernennung. Zweitens: Merz wird in der Union alles tun, damit bei der nächsten Wahl die SPD und die anderen linken Parteien eine andere links-extremistische Person für dieses hohe Richteramt aufstellen können und die Union aus politischem Kalkül und zum Machterhalt seiner Person zustimmen werden. Drittens: Er macht aus Machterhalt bereits an die Kleinpartei SPD jetzt schon… Mehr

Karl Renschu
3 Monate her

Prüft eigentlich jemand die Doktorarbeiten der 300 Juristen?

spindoctor
3 Monate her

„Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten.“
Ein Spruch – nie war er so wertvoll wie heute!
Lass jucken Kumpel.

Siggi
3 Monate her
Antworten an  spindoctor

Nur gilt das nicht mehr. Es sind die Altparteien zusammen. Der Drecksladen SPD ist ja immer dabei, wenn es bergab geht.

Angela Honecker
3 Monate her

Die halten sich für eine unantastbare Elite, gerade auch diese ganzen beamteten Juristen. Da fällt mir ein anderer Fall aus den USA ein. Der Milliarden-Kryptobetrüger Sam Bankman-Fried, dessen FTX-Kryptobude viele Menschen arm gemacht hat, der hat zwei Elternteile , die Rechtsprofessoren an der Stanford sind. Die haben genau so eine Arroganz und Hybris gezeigt, als es um die gerichtliche Aufarbeitung dieses Großverbrechers ging. Alle anderen sind schuld, unser Junge doch nicht.

Martin Mueller
3 Monate her

Nicht die AfD ist eine Gefahr die Demokratie, sondern die ganze rote-linke-grüne Melange. Der politische und juridistische Angriff auf die AfD ist nur ein konstruiertes KampfNarrativ, das gegen die wahrheitssagende und realitätsbeschreibende Argumentation der AfD in Stellung gebracht wird, weil man die Argumente nicht entkräften kann. Also Angst vor der funktionierenden Demokratie. Und natürlich will man das Verfassungsgericht mit linksradikalen Richtern besetzen. Dann könnte man das GG kontrollieren. Und damit die Demokratie quasi aushebeln. Und weil das nun im ersten Anlauf nicjt geklappt hat, hyperventiliert man aus allen Poren, um die CDU für den zweiten Anlauf politisch sturmreif zu schießen.… Mehr

Kaesebroetchen
3 Monate her

Da hat die SPD mal wieder voll auf einen unqualifizierten Kandidaten für ein hohes Amt gesetzt. Und wenn das schiefgeht, sucht man die Schuld beim Koalitionspartner oder natürlich bei den „Rechten“.

rainer erich
3 Monate her

Offenbar sind H.Simonis und ich die Einzigen, die sich die Mühe machen , Artikel und Leserkommentare jenseits TE oder Achgut zu lesen. Ich rate dringend dazu , um sich ein etwas umfassenderes und realistisches Bild ueber die Michel zu verschaffen. Manche würden sich wundern, oder auch nicht, wie die causa B.G. außerhalb TE “ beurteilt “ wird. Die bekannten 75 % kommen nicht aus heiterem Himmel. Was natuerlich schon rein logisch bedeutet , dass es bundesweit politisch keine Lösung geben wird, egal, was kommt und was dazu geschrieben wird. Das Kartell ist demokratisch nicht zu beseitigen , ein zweifellos unangenehmer… Mehr

Martin Mueller
3 Monate her
Antworten an  rainer erich

Demokratie von oben führt immer in Verfestigung von politischen Machtstrukturen.
Und je mehr Parteien am Tisch sitzen, desto weniger wird ein echter politischer Wechsel periodisch möglich. Desto enger und kleiner auch der offene politische Diskurs.
Die parlamentarische Demokratie benötigt in solcher Konstellation ein Korrektiv, einen verbindlichen Volksentscheid

Last edited 3 Monate her by Martin Mueller
verum dicere
3 Monate her
Antworten an  rainer erich

Sie und Herr Simonis sind nicht alleine. Ich informiere mich ebenfalls breit in der Medienlandschaft, insbesondere lese ich natürlich die Leserbriefe. Hinsichtlich dieser Doppelnamen Dame haben sie sicher Recht, doch in vielen anderen Themenbereichen sind die Leserbriefe bei Spiegel und Co. in der Masse konträr und ich wunderte mich schon öfter, wie man trotz solcher massiven Kritiken eine Zeitung betreiben kann und dann fiel mir sofort ein, dass diese Blätter ja nicht von ihren Lesern leben müssen.

PaulKehl
3 Monate her
Antworten an  rainer erich

Ich lese fast täglich die gesamte Qualitätspresse samt Leserbriefen in der Stadtbücherei. SZ und Zeit sind gruselig. Deren Lesern ist noch nicht klar, daß es auch an ihre Substanz geht. Die FAZ hat sich bei BG zurückgehalten und z. B. den sehr fundierten Leserbrief der Richterin am OLG Köln Eilert veröffentlicht. Die FAZ-Leser wissen, daß der Todesengel nicht kosher ist. Allerdings auch dort eisiges Schweigen über die zweite Hilde Benjamin. Deren sozialistische Gewaltphantasien sind für den gemeinen Bürger schwerer zu durchschauen als das emotionale Thema Abtreibung. Hier wird wieder die Keule Frauendiskriminierung kommen. – BTW: Es gibt keine Anschläge mehr… Mehr