„Menschen ohne Penis“ oder: Der Sexismus des Missoirs

Jetzt gibt es Pissoirs für Frauen - endlich hat der Sexismus ein Ende, jubelt der organisierte Feminismus. Das Beispiel zeigt, was beim Neofeminismus falsch läuft. Frauen sind nämlich nicht traumatisiert, weil sie keine Männer sind.

picture alliance/dpa | Annette Riedl

Vor kurzem hat Cosmo WDR (eine der zig Plattformen veröffentlich-rechtlichen Sender, auf denen ihre GEZ-Beiträge das Klo heruntergespült werden) einen Beitrag über „Missoirs“ auf seinen Social-Media-Seiten gepostet. Der Text dazu lautete „Mehr Gleichberechtigung auf dem Klo; Berlin bekommt Missiors – die Pissiors für Menschen ohne Penis“. Damit dürfte auch geklärt sein, was es mit Missiors auf sich hat. Ich weiß, ich weiß, das ist gleich auf mehreren Ebenen ein geschmackloses Thema und es tut mir leid, wenn Sie jetzt angewidert den Lebkuchen beiseite legen müssen. Und auch wenn ich mir bessere Themen denken könnte, habe ich jetzt Redebedarf. Denn nicht nur dieser Beitrag, auch die ganze Erfindung machen mich wütend. Denn nennen Sie mich Schneeflöckchen, aber ich fühle mich von beidem diskriminiert.

Zuerst mal fühle ich mich davon diskriminiert, dass ich jetzt  „ein Mensch ohne Penis“ sein soll. Also ein Mensch, dem etwas fehlt. Ein Freund von mir sagt immer – als Scherz natürlich – „Die Frau ist der beste Freund des Menschen“. Darüber kann ich lachen, die Zuschauer von Cosmo WDR wahrscheinlich nicht. Aber ich frage mich – wo ist der Unterschied? Wenn wir davon ausgehen, dass man schon bei „Liebe Zuschauer“ von der Unterdrückung durch das Patriarchat sprechen kann, dann doch bei „Menschen ohne Penis“ erst recht, oder? Was wollen mir die Verfasser dieses Textes damit sagen? Das bei uns was fehlt, dass wir nicht vollständig sind? Macht uns wirklich so wenig aus, dass man uns dadurch definieren muss, dass wir eben keinen Penis haben? Klar geht es hier darum zu definieren, dass das jetzt eben nicht für Männer und alle anderen Penisbesitzer ist, aber von Menschen, die sich 50 Geschlechter ausdenken können, erwarte ich mir etwas mehr Kreativität.

— COSMO (@COSMO__ARD) November 23, 2021

Und weiter fühle ich mich noch für eine andere Gruppe diskriminiert – Transfrauen. Ihr wollt jetzt wirklich nicht umoperierte Transfrauen mit Männern zusammen in eine Kategorie stecken und wieder mal darauf reduzieren, dass sie noch einen Penis haben? Sehr unsensibel von euch. Dieses ganze Spiel mit „Menschen ohne Penis“, „Menschen mit Gebärmutter“, „Weiblicher Penis“ und so weiter und so fort, führt einfach nur zu mehr Diskriminierung, als wenn man die Dinge einfach bei ihrem wirklichen Namen nennt. Eine Frau ist keine „Menstruierende“, sondern bleibt eine Frau, auch wenn sie nicht menstruiert. Gibt es mehr Entwürdigung, als Frauen vorzuhalten, dass sie nicht mehr gebärfähig sind? Wenn Frauen Feinde haben, dann sind es Neo-Feministinnen in ihrer ganzen größtmöglichen Gemeinheit anderen Frauen gegenüber.

Damit bin ich aber noch lange nicht am Ende. Kommen wir jetzt also zu der Erfindung des Berliner Frauen-Pinkel-Klos an sich. Erstens frage ich mich sowieso: wer hat danach gefragt? Aber das frage ich wahrscheinlich vergebens. Schließlich wissen wir Frauen und Menschen ohne Penis ja gar nicht was das Beste für uns ist. Da wir ja sonst keine Talente haben und daher ja auch eine Frauenquote und jetzt eine Pinkelhilfe, denn wir sind ja selbst dafür zu blöd. Die Welt gehört denen, die im Stehen pinkeln können. Für die, die sich hierunter gar nichts vorstellen können, erstmal eine Bedienungsanleitung, es muss jetzt leider sein: Ein Missior ist eine Art Metallplattform. Auf dem Boden befindet sich ein Gitter, in das man eben, naja Sie wissen schon, und an der Seite sind Stützen, an denen man sich festhält oder abstützt, während man in der Hocke seine Geschäfte abklärt wie ein Boss.

Männer nutzen Pissiors, weil es schnell geht, es praktischer ist, als sich vor einem Dixie-Klo in die Schlange zu stellen und weil sie – ja einfach nur den Reisverschluss runter und wieder hoch ziehen müssen. Bei Frauen geht das mit Reißverschluss runter und wieder hoch nicht. Da muss alles runter. Dann in die Hocke zu gehen, ist also eine sehr vulnerable Position. So viel zur Praxis.

Niemand macht das freiwillig

Aber was gibt es cooleres, als sich mit runtergelassener Hose hinzuhocken – mitten in Berlin, wo man als Frau ja schon in Burka sexuell belästigt wird – sich zu erleichtern und sich dann sehr elegant mit runtergelassenem Höschen an dem Geländer an der Seite wieder hochzuziehen wie eine Oma bei der Krankengymnastik? Was soll da schon schiefgehen?

Nun, da kann so einiges schiefgehen. Sie können sich ja mal spaßeshalber in die Hockposition bringen. Na kommen Sie schon, machen wir das hier gleich zur Frühsportübung. Aber nehmen Sie mich mit, es folgen weitere Anweisungen. Sind Sie nun in der Hocke? Das machen Sie ganz toll! Fällt Ihnen was auf? Ganz genau, Ihr Po und und Ihre Füße sind nun auf der gleichen Geraden. Was würde das jetzt bedeuten, wenn Sie eine runtergelassene Hose hätten? Das lasse ich Sie selbst erraten. Selbst wenn man die Hose nicht ganz ausziehen würde, gäbe es da immer noch ein großes Risiko. Und das ist der Grund, warum Ihre Frau vor dem Waldspaziergang immer noch mal Zeit im Badezimmer verbringt. Diese Position ist der allerletzte Ausweg, wenn es gar nicht mehr anders geht, und sie zu vollbringen, ist ein Kunststück, das viel Zeit, Konzentration und Verzweiflung braucht. Niemand macht das freiwillig.

Sich auf einem Thron niederzulassen, ist nicht erniedrigend, so wie es diese Froschposition in der Öffentlichkeit ist, und es ist um einiges gemütlicher, hygienischer und vor allem sicherer. Die meisten Badezimmer – jetzt vielleicht nicht die öffentliche Toilette am Alexanderplatz – aber die meisten sind ein Rückzugsort für Frauen. Hier hat sich eine ganze Kultur gebildet, mit uralten Grundsätzen wie „Frauen gehen immer zu zweit auf die Toilette“. Die Männer unter Ihnen und scheinbar auch die Erfinderin des Missoirs scheinen keine Ahnung zu haben, was hinter diesen Heiligen Toren abgeht. Und sie können es sich auch nicht vorstellen. Aber bei den Frauen werden Lästerein und andere Geschichten erzählt, gekichert, geweint, Lippenstifte und Parfüm werden ausgetauscht, Deo nachgetragen, ein großer Teil der Frauentoilettenkultur findet am Waschbecken statt. Aber auch die Kabinen sind ein wichtiger Teil, nicht zuletzt weil man sie abschließen kann. Was meinen Sie, wie viele komische Männer vor dem Klo rumlungern? Das ist auch ein Grund, weshalb Mädchen immer zu zweit gehen. In den Kabinen wird aber auch noch mehr geweint, die Beichte abgelegt, ein Gedicht aus der Fernsehzeitung an die Wände geschrieben, werden geheime Kulte ausgelebt, Liebesbriefe runtergespült – alles was Frauen eben so machen, wenn sie sich sicher fühlen.

Das Bad steht für Frauen für all die Dinge, die man tun kann, wenn man unter sich ist. Wenn man den Bauch nicht weiter einziehen muss und die Freundin fragen kann, ob man auch wirklich nichts zwischen den Zähnen hat. Es geht also vor allem um Sicherheit und auf eine Art auch um Geborgenheit, auch wenn das pathetisch klingen mag. Wo soll man sich bitte freier fühlen als an dem Ort, wo von jedem einzelnen, die schlimmsten Seiten zum Vorschein kommen? Also danke, aber nein danke, eine öffentliche Metallplattform, bei der ich mir womöglich noch meine Sachen ruiniere, werden das nicht ersetzten können. Ich brauche keine Pissoir für Unvollständige, ich habe nämlich kein Problem damit, kein Mann zu sein.

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