Das neue Zentrum der Macht verweist Europa in die zweite Reihe

Die Vertreter von Nato und EU kamen uneingeladen zu den Ukraine-Verhandlungen nach Washington. Und Donald Trump schickte sie mit reichlich Gepäck wieder zurück. An ihrer gegenwärtigen misslichen Lage sind die Europäer einzig und alleine selbst schuld.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Handout/White House

Jetzt, da sich ein Ende des blutigen Konflikts in der Ukraine mit einem Sieg Russlands am Horizont abzeichnet, hat sich die Richtung des politischen Reisegeschehens europäischer Spitzenpolitiker um 180 Grad gedreht. Reisten Macron, Scholz und von der Leyen bis vor wenigen Monaten in illustrer Medienrunde, vornehmlich mit dem Zug nach Kiew, ist nun Washington das begehrte Reiseziel. Die Europäer erhoffen sich ausgerechnet von dem Mann, den sie seit einem Jahrzehnt mit allen (un)lauteren Mitteln bekämpfen, die Herbeiführung des Friedens in einem Konflikt, den sie bis zuletzt finanziell, mit Waffenlieferungen und ohne Rücksicht auf die ukrainische Bevölkerung und deren enormen Blutzoll, aktiv befeuerten.

US-Präsident Donald Trump empfing die Reisegruppe um Nato-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Anschluss an die Verhandlungsrunde mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky und fügte die Gespräche, an denen auch Bundeskanzler Friedrich Merz sowie die Staatschefs Großbritannien, Frankreichs, Italiens und Finnlands teilnahmen, in seine Verhandlungsagenda ein.

Das ist vor dem Hintergrund der jüngsten Russia-Gate-Enthüllungen, der anhaltenden verbalen Attacken der Europäer und der seinerzeit von London aktiv betriebenen Gegenkampagnen im US-Wahlkampf durchaus eine großzügige Geste des US-Präsidenten.

Europa plant Kriegswirtschaft

Die Washington-Reise endete die Rutte und Co. jedoch in einem Fiasko. Die Ukraine kauft Waffen für 100 Milliarden Euro, die von den Europäern bezahlt werden. Und selbst im Falle eines Friedens müssen sie nun allein für Kiews Sicherheit geradestehen. Im Prinzip hält Russland weiterhin die besseren Karten in der Hand. Russische Truppen realisieren kontinuierlich Geländegewinne und es ist bislang nicht klar, wie die Europäer nach dem Bruch des Minsk-Abkommens Russland von einem Friedensschluss überzeugen wollen. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte 2022 in einem Interview mit der Zeit, man habe diesen Vertrag mit Russland lediglich abgeschlossen, um Zeit zur Aufrüstung der ukrainischen Armee zu gewinnen. Das ist der Stoff, mit dem Vertrauen exterminiert wird und der eine Heilung im Fortlauf der Ereignisse massiv erschwert.

Über allem schwebt die entscheidende Frage:

Weshalb sollte Russland einem Waffenstillstand oder gar einem Friedensvertrag zustimmen, wenn die Gegenseite den Zeitgewinn ausschließlich zur Konsolidierung ihrer militärischen Kräfte nutzen wird?

Vorbild Vereinigte Staaten von Amerika
Der von der Leyensche Traum: EU-Armee und EU-Empire
In der EU stehen die Zeichen auf Kriegswirtschaft, Aufrüstung und Wehrbereitschaft. Das haben Vertreter der EU zuletzt immer wieder betont. Neben massiver Aufrüstung auf nationaler Ebene, beteiligt sich auch die EU-Kommission mit einem Rüstungsvolumen in Höhe von bis zu 800 Milliarden Euro am Aufbau eines europäischen Rüstungssektors. Über Direktzuweisungen (131 Milliarden Euro), Kredite und Investitionsgarantien für die private Wirtschaft will man bis 2034 zur militärischen Supermacht aufsteigen und die technologische Lücke zu den USA und China auf eigenem Boden schließen.

Fatale Kommunikation

Selbstverständlich ist es das gute Recht der Europäer, eine eigene, autonom gesteuerte Rüstungsindustrie aufzubauen und selbst über ihre militärischen Interessen zu entscheiden. Doch in Moskau liest man die Milliarden für Panzer und Raketen als direkte Drohung, und als eine Aufrüstungsspirale, die außer Kontrolle zu geraten droht.

Und selbst an einem derart entscheidenden Verhandlungstag wiesen von der Leyen und Macron gleich mehrfach darauf hin, den Sanktionsdruck auf Russland hochhalten zu wollen und Waffenlieferungen an die Ukraine sicherzustellen. Konzilianz, diplomatischer Brückenbau. Nicht mit der EU!

Die Ukraine nach Rom
Die Diplomaten wollen Krieg - die Krieger wollen Frieden
Ursula von der Leyen sprach vor den Verhandlungen mit Donald Trump davon, dass Europa den diplomatischen und insbesondere den wirtschaftlichen Druck auf Russland aufrechterhalten werde, solange das Blutvergießen anhalte. „Wir werden die Sanktionen weiter verschärfen. Wir haben bisher 18 Sanktionspakete verabschiedet und bereiten das 19. vor, das Anfang September kommen wird“.

Frankreichs Präsident Macron erklärte dazu, der Aggressor Russland weigere sich, einen Waffenstillstand und Frieden zu akzeptieren. Es werde keine Einschränkungen für die Größe der ukrainischen Streitkräfte geben.

Klingt so eine Kriegspartei, die tatsächlich an einem Frieden interessiert ist?

Europas Abstieg

Was der gestrige Tag aufs Neue enthüllte ist, dass sich die europäische Politik im globalen Kräftefeld zwischen den USA, China und Russland längst in die zweite Liga der Macht verabschiedet hat. Und Trump versteht, dieses historische Faktum medial in Szene zu setzen. Ein Foto zeigt die Reisegruppe, nebeneinander wie Schuljungen vor dem mächtigen Eichenholztisch im Oval Office platziert. Eine weitere Schmach, die von der Leyen und Co. nach dem Abschluss des niederschmetternden Handelsdeals mit Trump über sich ergehen lassen mussten.

Es wird immer deutlicher, dass die Strategie der EU einzig und allein auf dem Versuch bestand, die USA auf das ukrainische Schlachtfeld zu zwingen und die Angelegenheit – wir kennen das aus der jüngeren Geschichte europäischer Großkonflikte – in ihrem Namen zu Ende zu führen.

Mit Blick von Holger Douglas ins Weiße Haus
Statt Trump auf ihren Kurs zu bringen, nahm er die Europa-Auswahl für sich in Pflicht
Mit Donald Trump, und das macht diesen Mann aus europäischer Sicht so gefährlich, haben die Amerikaner einen Präsidenten ins Amt gebracht, der einen patriotischen und US-zentrierten Blick auf die Geopolitik pflegt und der aktiv daran arbeitet, postkoloniale Konflikte zu befrieden und die USA schrittweise aus der geopolitischen Umklammerung zurückzuziehen. Diese Strategie schließt auch den Rückzug aus dem Ukraine-Konflikt ein.

Die Machtstruktur der USA, die Trump vorschwebt, ist handelsbasiert, sie fußt auf der Dominanz des US-Dollars und der Kapitalmarktintegration sowie einem überzeugenden Standortangebot für internationale Investoren. An alteuropäischen Konflikten, dem Ringen Europas um seine Energieunabhängigkeit, zeigt Trump keinerlei Interesse.

Europäische Interessen

Die Europäer verließen Washington am Montag nicht nur mit leeren Händen. Sie wurden von Donald Trump zum Zwischenhändler der Waffenlieferungen an die Ukraine degradiert und dürfen sich nun alleinverantwortlich mit der Finanzierung des Kriegsdebakels herumschlagen. Europäisches Steuergeld, neue Schulden, die unmittelbar dem amerikanischen Rüstungssektor zugute kommen. Es ist der nächste Deal, den Trump in seine Bilanz schreiben kann.

Trump handelt sichtbar aus der Position der Stärke. Und wir erleben eine historische Volte, in der eine der alten europäischen Kolonien den Spieß umgedreht hat. Jahrhunderte nach der Unabhängigkeitserklärung wird nun der einstige Kolonialherr zum Tribut gezwungen.

Denn genau darum handelt es sich, wenn die EU sich verpflichtet, aus wirtschaftlicher und militärischer Schwäche und mit Blick auf ihre Energieabhängigkeit, Flüssiggas aus den USA zu erwerben und nun amerikanische Waffenlieferungen an die Ukraine zu finanzieren.

Das europäische Zeitalter geopolitischer Dominanz ist Geschichte. Es endete bereits mit dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Gefolge die USA und später China hegemoniale Ansprüche erhoben. Donald Trump hat Europa nun zum zweiten Mal daran erinnert, dass das neue Machtzentrum der Globalpolitik im pazifischen Raum seinen neuen Gravitationspunkt hat.

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Kommentare ( 67 )

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67 Comments
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3 Monate her

„Das europäische Zeitalter geopolitischer Dominanz ist Geschichte.“
SO, wie es sich derzeit in aller bösartigesten Dreistigkeit darstellt ist es vielmehr „geisteskrank“.

giesemann
3 Monate her

Ein Esel und ein Tiger streiten sich, der Esel sagt, das Gras ist blau, der Tiger nur: Bist du farbenblind, das Gras ist grün wie seit jeher. Als Schiedsrichter rufen sie den Löwen, den König der Savanne herbei und der sagt: Das Gras ist blau. Deshalb wirst du, Tiger, ab jetzt zum Schweigen verurteilt. Jauchzend springt der Esel davon, freut sich wie ein Idiot, laut furzend. Der Tiger fragt den Löwen nochmals, der sagt nur: Natürlich ist das Gras grün, was denn sonst? Der Tiger ist verwundert, will wissen, warum ihn der Löwe bestraft. Der sagt: Du wirst bestraft, weil… Mehr

Wilhelm Roepke
3 Monate her

Man sollte nie unterschätzen, wie dumm europäische Politiker sind. Und die jüngsten Entwicklungen bestätigen dies aufs neue.

Gert Friederichs
3 Monate her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Das greift zu kurz. Die EU-Konsorten sind noch immer dem „Tiefen Staat“ verpflichtet, den Trump zugunsten eigenem Machtzuwachs in USA in den Untergrund vertrieben hat. Diese feigen Gestalten hinterm Vorhang nutzen immer noch ihre alten transatlantischen Netzwerke. Und diese sind in den EU-Gehirnen (und Geldbörsen) so verankert, dass sie wohl hoffen, in vier Jahren vom Beelzebub befreit wieder in altem Glanz wiederauferstehen zu können.

Juergen P. Schneider
3 Monate her

Für die Europäer gilt der alte Satz: Wer sich selbst zum Wurm macht, muss sich nicht wundern, wenn er getreten wird. Durch die Weltrettungspolitik der EU, die daraus folgende Deindustrialisierung und die geradezu verbrecherische Migrationspolitik haben sich vor allem die westeuropäischen Staaten selbst so massiv geschwächt, dass man mit ihnen umspringen kann wie Trump dies tut. Merz, Macron Starmer und v.d.Leyen haben immer nicht begriffen, dass sie geopolitisch keine Rolle mehr spielen, außer vielleicht als Zahlmeister einer Politik, die ihnen wegen ihrer eigenen Schwäche von den wirklich mächtigen Staaten aufgezwungen wird. Mehr Niederlage und Blamage geht kaum. Aber die regierungstreuen… Mehr

Autour
3 Monate her

Na für mich stehen die woken schon in der 3.Reihe! Da sind China Indien schon lange dran vorbeigezogen…
Europa nimmt doch kaum noch jemand weltpolitisch ernst! Nur wenn mes ums zahlen geht darf man an den Katzentisch.

Sonny
3 Monate her

Der Anfang vom Ende Europas war die Schaffung der EU. Bis auf einen kleinen Euphorie-Aufschwung am Anfang ging es danach nur noch seitwärts oder bergab. Und die europäische Politik ist viel zu arrogant und dumm um zu erkennen, dass sich Europa (bis auf wenige Länder-Ausnahmen) ob seiner dämlichen und inkonsequenten Politik immer mehr in der Abwärtsspirale befindet. Eine grünsozialistisch ausgerichtete EU ist wie alles, was aus dieser politischen Richtung kommt: Vernichtend. Verbote und irrationale Entscheidungen pflastern ihren Weg. Bezeichnend, dass Länder wie z.B. Holland oder Ungarn bei solchen „Besuchen“ in Amiland nicht dabei waren. Trump hat das sehr gut erkannt.… Mehr

HDieckmann
3 Monate her

Die europäischen Staaten und die EU sind am Ende: Finanziell, wirtschaftlich, insbesondere aber geopolitisch. Statt einer friedlichen Koexistenz mit Russland haben sie sich von besten Freunden Nord Stream wegsprengen lassen und sich von US-Falken in einen Krieg gegen Russland treiben lassen. Den Politikwechsel in den USA durch Trump – statt totaler Krieg Anerkennung der militärischen Niederlage – wollen die europäischen Großkotze nicht zur Kenntnis nehmen, auch weil eine europäische Journaille sich mit ihrer einseitigen Kriegspropaganda gegen Russland in eine Sackgasse geschrieben und gesendet hat. Die Kriegstreiber in Politik und Medien kommen da nicht ungeschoren raus, darum setzen sie weiter auf… Mehr

giesemann
3 Monate her

Dass der Eurozentrismus lange vorbei ist, dürfte klar sein, spätestens ab 1945. selber schuld. Dennoch ist Europa der mit Abstand interessanteste Kontinent, gerade wegen seiner Vielfalt. Und Vielfalt birgt eben auch Schwäche in sich, damit müssen wir leben. Na und? Wen es woanders hinzieht, bitte sehr. Ich wäre schon froh, wenn sie nicht alle zu uns rennen würden, am liebsten für lau und von uns finanziert. Als zahlende Touristen natürlich welcome, добро́ пожа́ловать! Wenn *TT, die USA Europa zusammenschweißen ist das nur gut für uns. *Tariff Trump. Die transatlantische Brücke steht, long, long may it stand. China? Darf gerne die Neue… Mehr

Lucius de Geer
3 Monate her
Antworten an  giesemann

„Dennoch ist Europa der mit Abstand interessanteste Kontinent, gerade wegen seiner Vielfalt.“ – Sie waren noch nie in Südamerika oder Fernost, stimmt’s? Die übrige „Völkerkunde“ im Wochenschau-Jargon bleibt unkommentiert.

Last edited 3 Monate her by Lucius de Geer
EinBuerger
3 Monate her

Europa spielt seit 1945 keine Rolle mehr. GB und Frankreich hatten in den Kolonien noch eine gewisse Macht. Aber auch die wurde immer geringer.
Bei den großen Konflikten in Europa seit dieser Zeit spielten die Amerikaner und mit deutlichem Abstand die Russen eine Rolle. Die Europäer waren als Verwalter, Diplomaten, zivile Helfer, Funktionäre, … immer nur Hilfstruppen der Amerikaner.
Die undiplomatische Art eine Trump und die moralische Überheblichkeit der Europäer macht das nun nur deutlicher.
Ich würde Europa mit den Arabern vergleichen. Die Existenz vieler Staaten und Regierungen hängt vor allem vom Wohlwollen der USA ab.

giesemann
3 Monate her

Merkwürdiger Artikel. Hoffe nur, dass sich diesmal Russland ruiniert, so wie damals die SU – der Fluch der bösen Tat. Keiner will mit Moskau spielen, mal sehen, wann die böse dreinblickenden hässliche alten Männer dort das verstehen. ¡afuera!

deltacenter
3 Monate her
Antworten an  giesemann

Sie sollten sich mal die Listen anschauen,welche Länder sich an den Sanktionen beteiligen und welche einfach weiter Handel mit Russland treiben …u.a die USA…sie werden erstaunt sein !

Dellson
3 Monate her

Die EU agiert wie ein Drittligist der mal in der 1.Liga spielte und nun nur noch von viel Tradition statt Leistung lebt. Aber immer noch sich selbst als superwichtig wahrnimmt. Das wird durch den hauseigenen Stadionsprecher auch dem Heimpublikum immer wieder so eingetrichtert! Währenddessen gibt es andere Player die ohne Tradition aber mit viel Leistung einen Sieg nach dem anderen einfahren. Oder einfach machen statt sollten können! Und noch eine Frage zu dem Trump und Macron Smalltalk Wie kann ein angebliches offenes Mikro ein einzelnes Gespräch aus der Entfernung abhören in einem geschützten Bereich? Kann dann jede akkredierte Person einfach… Mehr