CDU versucht in Rheinland-Pfalz den Neuaufbau mit altem Vorsitzenden

Die CDU erlebt nach Angela Merkel Trümmerjahre. In Rheinland-Pfalz soll nun der neu gewählte Vorsitzende Christian Baldauf die Scherben zusammenkehren. Als erstes bittet er um Themenvorschläge.

IMAGO / Rainer Unkel
Christian Baldauf beim Landesparteitag der CDU von Rheinland-Pfalz am 26.03.2022

Eine völlig neue Art von Bettlern könnte sich in den Innenstädten auftun: Sie tragen schlecht sitzende Anzüge von C&A und, um jung zu wirken, Basketball-Mützen. Verkehrt herum. Diese Bettler kommen von der CDU und hauen den Passanten mit dem Spruch an: „Haste ma’n Thema?“ Das ist eine ironische Zuspitzung. Aber es ähnelt dem, was die CDU in Rheinland-Pfalz nun versucht.

Eine „Mitmachkampagne“ werde es geben, teilt die Partei mit. Wichtigster Teil davon sei eine „Ideenwerkstatt“. Wie diese Werkstatt in der Praxis aussehen soll, kann die CDU noch nicht sagen, nur dass Veranstaltungen zu allen denkbaren Themenbereichen durchgeführt werden sollen. Nun: In den 16 Jahren Angela Merkel hat die Partei jeden politischen Grundsatz zugunsten von tagespolitischen Umfragewerten aufgegeben. Sodass jetzt halt neue her müssen. Und da den Funktionären alleine offenbar nicht mehr genug einfällt, sollen die neuen Themen über eine „Graswurzelbewegung“ gefunden werden.

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Die Idee ist nicht neu. Als Julia Klöckner nach der Bundestagswahl ankündigte, nicht mehr als Landesvorsitzende zu kandidieren, kündigte sie einen ähnlichen Prozess an. Mögliche Kandidaten sollten sich über regionale Veranstaltungen präsentieren können, in Diskussionen mit der Basis einen neuen Weg beschreiben. Herausgekommen nach diesem innovativen, basisdemokratischen Prozess ist Christian Baldauf: 54 Jahre alt. Von 2006 bis 2010 schon mal Landesvorsitzender. Seit 2018 Fraktionsvorsitzender im Landtag. Und auch schon mal gescheitert als Kandidat um das Amt des Miniserpräsidenten. 2021. Mit dem schlechtesten Ergebnis, das die CDU im Land von Helmut Kohl je geholt hat. Auch „Graswurzelbewegungen“ können zu durchaus herkömmlichen Ergebnissen führen.

Im Moment stehen die Verantwortlichen jedenfalls ziemlich blank da, wenn sie beschreiben müssen, für welche Themen die CDU steht: „Nachhaltige Bildung, Zusammenhalt der Generationen oder Frauenrechte“, zählt Klöckner als Themen auf, für die ihre Partei stehe. Baldauf wird ein wenig plastischer, aber auch nicht überzeugender. Einer lokalen Zeitung erklärt er, dass die Mitglieder am Buffet noch über Veganer lästerten. Doch die Zeiten änderten sich und die CDU müsse moderner werden. „Vegane Wurst – die Leute sollen mehr vegane Wurst essen“, kann also schon mal ins Protokoll der Ideenwerkstätten geschrieben werden, falls die Mitglieder keine eigenen Ideen einbringen.

Im Ernst bedeutet das, was Baldauf sagt, die CDU solle den Weg zur grüneren Partei gehen. Ein Blick ins Saarland könnte den rheinland-pfälzischen Christdemokraten aber zeigen, wie heute Wahlen gewonnen werden. Eben nicht wie ihr Kandidat Tobias Hans es gemacht hat: dem Zeitgeist nachlaufen. Auf aktuelle Themen aufspringen und mit möglichst großem medialen Getöse besetzen. Sondern durch Arbeit. Langfristig angelegte Arbeit, ruhig betrieben. Und vor allem: durch Realpolitik.

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Die designierte saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hat vorgemacht, wie das funktioniert. Die ehemalige Kugelstoßerin besetzte über Jahre das Thema Arbeitsmarkt, mit dem sie als Wirtschaftsministerin auch verknüpft wurde. Keine allzu dankbare Aufgabe im Saarland. Dort musste sie meist schlechte Nachrichten verkünden oder kommentieren. Aber sie machte es beharrlich, vermittelte den Bürgern so das Gefühl, die Lage sei nicht so hoffnungslos, wie es aussehe und erweckte den Eindruck, hart zu arbeiten und eine von ihnen zu sein. Bei den Kompetenzwerten in Sachen Wirtschaftspolitik verbesserte Rehlinger den Wert der SPD so von 31 auf 40 – die CDU stürzte in ihrer ehemaligen Kernkompetenz von 50 auf 25 ab. Ein wahlentscheidender Faktor, wie sich am Sonntag zeigte.

Es ist fraglich, ob Baldauf der richtige Mann für Rehlingers Strategie wäre. Als Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender hat er schon jede Rolle eingenommen – genau wie das Gegenteil von dieser Rolle. Baldauf war ebenso der Vorkämpfer gegen den Ausbau erneuerbarer Energien, der sich mit dem heutigen Fraktionsvorsitzenden der Grünen Bernhard Braun über das Thema stritt. Er war aber auch schon der Waldfreund, der die CDU Rheinland-Pfalz zur eigentlichen Klimaschutzpartei des Landes machen wollte. Einer der führenden Mitarbeiter der Fraktion nannte das vertraulich die „Bauchladen-Strategie“. Wie in einem Bauchladen habe die CDU zu jedem Thema etwas parat und nehme das hervor, was gerade gefragt sei.

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Dass der Wahlverlierer Baldauf jetzt zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, liegt auch daran, dass kein anderer aussichtsreicher Kandidat sich bewarb. Wie dünn die Personaldecke ist, zeigt ein Blick auf die Stellvertreter: Zu denen zählt Ellen Demuth. Die 39-Jährige aus Linz am Rhein fiel bundesweit zum ersten Mal auf, als Norbert Röttgen sie als Generalsekretärin für den Fall nominierte, dass er Bundesvorsitzender der CDU wird. Nach der Bundestagswahl bedrängte sie Armin Laschet entgegen den Absprachen in der Partei über Twitter zu einem direkten Rückzug. Politische Beobachter vermuteten, Röttgen habe sie da vorgeschickt. Doch der distanzierte sich noch am selben Abend von ihr, als er in einem Brennpunkt auf Demuth angesprochen wurde.

Ihr Verhalten in den sozialen Netzwerken war ohnehin schon öfters unüberlegt. So trug sie ihren Beziehungsstreit öffentlich über Facebook aus. Als Kommentar zu dem Beitrag eines Landeskorrespondenten. Der später der Pressesprecher der grünen Ministerin Anne Spiegel wurde. Trotz solcher Fauxpas gilt Demuth notorisch als Führungsreserve der CDU. Neben veganer Wurst wird vermutlich auch „Mehr Frauen in Führungspositionen“ auf dem Notizzettel der „Ideenwerkstätten“ stehen.

Die CDU Rheinland-Pfalz war einst mit Vordenkern wie Kohl, Heiner Geißler oder Norbert Blüm der Motor der Modernisierung der CDU im Bund. In dieser Aufgabe wird sie dieses Mal ausfallen, sie hat genug mit sich selbst zu tun. Die Abnabelung von Merkel habe noch nicht funktioniert und sei weiterhin notwendig, sagt der ehemalige Leiter des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, mit Blick auf die Saar: Dort habe es eine Niederlage gegeben, die von allen erwartet wurde. „Es ist keine Wahlniederlage des CDU-Vorsitzenden Merz, sondern einzig und allein eine von Tobias Hans und den Merkel-Getreuen in der CDU, die mit Tobias Hans und anderen linientreue Parteifunktionäre ohne Berufsausbildung und fachliche Eignung in politische Führungsfunktionen gebracht haben.“ Dieses „System Merkel“ müsse „endlich beendet werden“, fordert Maaßen. Stattdessen brauche es Kompetenz.

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Kommentare ( 49 )

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Axel Fachtan
1 Jahr her

Ich hätt da mal ein Thema: Wie sorgt das Volk dafür, dass Versager wie Jens Spahn und Andreas Scheuer rechtzeitig ihrer Ämter enthoben werden ? Abwahl korruptionsverdächtiger Akteure durch das Volk wäre doch mal eine Massnahme. Zur Erinnerung der Vertrag mit den Parteikumpels von Fiege. 120 Millionen für Masken. Ohne Ausschreibung. Ohne Mängelgewährleistung. 40 Millionen Vorschuss sofort. Ohne Sicherheiten. Welcher verständige Kaufmann macht das ? Ach so, ein Bankkaufmann wie Jens Spahn. Wenn der sowas bei einer Sparkasse macht, fliegt der sofort raus. Er aber blieb Minister bis zur letzten Sekunde. Hoffentlich wird sich die CDU in Rheinland Pfalz mal… Mehr

Montgelas
1 Jahr her

Themenvorschläge? Diese Leute müssten eigentlich nur ihre Parteiprogramme durchlesen – freilich die von 2005 und davor!

Sargas
1 Jahr her

Der CDU RLP ist genauso wenig zu helfen wie der CDU an sich. So wie Putin Russland mit seinen Silowiki durchsetzt und die Opposition vernichtet hat, tat es auch Merkel mit ihren stromlinienförmigen Funktionären und innerparteilichen Gegnern (gelernt ist halt gelernt).
Aus der linksergrünten / überaltert-naiven Basis kann daher keine Erneuerung kommen. Ebenso muss der Top-Down-Ansatz scheitern, da ein echter Konservativer bei dieser Basis keinen Fuß auf den Boden bekommt (den sehr wendigen Herrn Merz halte ich für keinen wirklichen Konservativen).
Also, CDU hat fertig …

Last edited 1 Jahr her by Sargas
Waehler 21
1 Jahr her

Wer meldet sich bei einer Karawane an, die nicht weiß wo sie hinwill? Der Markenkern der CDU ist weg. Die Beliebigkeit macht diese Partei unberechenbar.
Meine Idee wäre, damit aufzuhören unerreichbare Ziele zur Rettung der Welt anzustreben und stattdessen Politik für die Menschen im Land im EIGENEN LAND zu betreiben.

Trivium
1 Jahr her

Ganz genau, und hätte die CDU im Saarland gewonnen, hätte Merz diesen Erfolg für sich reklamiert.

Brigittchen
1 Jahr her

Es ist schon faszinierend, was aus dem „allgemeinen“ Deutschen Wähler so geworden ist. Jetzt, wo sich alle Altparteien in ihrem linksgestricken Wahlverhalten gleichen, ziehts die Wähler beim kleinsten Fehler zu irgend einer anderen, von diesen antidemokratischen Parteien hin. Ein Volk, wie verblödete Lemminge. Am Ende kommt nur wieder das Gleiche heraus, wie beim letzten Wahlsieger: Das Leben der Deutschen verschlechtert sich merklich, die Steuern werden im Weltmeistersteuerland auch mehr und von Demokratie oder Mitspracherecht ganz zu schweigen. Dazu noch Politiker, welche durch Betrug, Misswirtschaft und Korruption glänzen. Und eine Presse, wie sie nicht in Nordkorea besser hätte sein können. Ein… Mehr

Roland Mueller
1 Jahr her

Der traurige Haufen hat sich vollkommen überflüssig gemacht.

imapact
1 Jahr her

Ja, so wird es wieder aufwärts gehen mit der Union: vegane Wurst, mehr Frauen in Führungspositionen (gerne auch „ehemalige“ Frauen à la Tessa G.), dann natürlich Klima, Klima, Klima, nicht zu vergessen eine „europäische Lösung“ für die „Flüchtlings“-Frage. Diese Partei und ihre Chargen sind vollkommen vom Merkelmoder durchdrungen, der Geruch und der Schimmel sind einfach nicht herauszubekommen aus denen, die tatkräftig über anderthalb Jahrzehnte daran mitgewirkt haben. Echte Persönlichkeiten, die einen Neuanfang ins Werk setzen könnten wie Hans-Georg Maaßen werden gerade noch geduldet, immer hart am Rande eines Ausschlußverfahrens. Und Merz, der nach den Wahlen seiner Partei“freundin“ Merkel den Ehrenvorsitz… Mehr

Reinhold
1 Jahr her

Dass der Mann als Merkelianer keine eigenen Ideen hat, sieht man ihm auf dem Foto deutlich an. Eigene Gedanken, evtl. sogar noch konservativ, sind ihm ausgetrieben worden.
Sie können und wollen nicht anders, bis sie hoffentlich bald ganz weg sind.
Einfach nur hilflos.

Luckey Money
1 Jahr her

Wer noch immer nicht verstanden, hat, dass es egal ist, was oder wen er wählt, dem ist nicht zu helfen. Am Ende wählt er immer WEF, den finanziellen Komplex und die Globalisten! Und einen Merz als Neuanfang zu bezeichnen ist in etwa so, wann man das Rad als neue Wertschöpfung ansieht. Die Agenda ist vorgeben, und die Marionetten führen sie aus. Siehe Österreich. Ich glaube 4 Kanzler, 4 Gesundheitsminister und etliche andere Minister in 2 Jahren. Millionen Menschen auf der Straße… und es wird Kurs gehalten. TE könnte mal vorausgehen und aufzeigen, wer alles aus dem JGL Programm und dem… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Luckey Money