Wenn die Außenministerin zum Sicherheitsrisiko wird

Nicht nur, aber gerade in der jetzigen Situation sind Klugheit, Besonnenheit, Rationalität, Klarheit über deutsche Interessen, Selbstbeherrschung, Erfahrung und kühles Kalkül gefragt – Eigenschaften, über die Annalena Baerbock nicht verfügt. Kanzler Scholz sollte sie abberufen.

IMAGO / Fotostand
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), 25. Januar 2023

Sprechen wir es offen aus: Wenn man ein Grüner ist, muss man in Deutschland weder einen Berufsabschluss noch ein abgeschlossenes Studium haben, man muss keinerlei Fachkenntnisse besitzen, die Vertrautheit mit der grünen Phraseologie genügt vollkommen, man muss weder bei seinem Lebenslauf sich streng an die Wahrheit halten, noch es allzu genau mit dem Urheberrecht nehmen, man kann die Physik umdichten, indem man das Netz zum Speicher erklärt.

Man kann sich servil vor Selenskyj in den Staub werfen und eine Ergebenheitsadresse derart formulieren, dass man der Ukraine liefern will, was sie braucht, unabhängig davon, was die eigenen Wähler darüber denken, und schließlich darf man auch noch Deutschland so mal eben nebenbei zur Kriegspartei erklären – und dennoch Außenministerin bleiben. Ideologiesicherheit ersetzt Kompetenz, Medienkumpanei kritischen Journalismus. Kompetenz ist inzwischen alt, reaktionär und rechts, eine schlechte Angewohnheit aus den überwundenen Zeiten des Realismus.

Sollte eine Äußerung grüner Politiker dennoch für Stirnrunzeln sorgen, werden eilig willige Politiker und willige „Experten“ herbeigerufen, die dem erstaunten Volk erklären, dass beispielsweise Außenministerin Annalena Baerbock zwar am Dienstag bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg gesagt hat: „We are fighting a war against Russia and not against each other“ („Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“), aber sie natürlich nicht gemeint habe, dass wir einen Krieg gegen Russland führen, sondern dass diejenigen, die behaupten, dass Annalena Baerbock gesagt habe, dass wir einen „Krieg gegen Russland führen“ Annalena Baerbock böswillig missverstehen würden. Linguistik ist eben böse. So wurde beispielsweise getwittert: „Die @ABaerbock hat natürlich nicht gemeint, was man jetzt unterstellt, und das wissen auch alle, die es jetzt unterstellen. Aber dass man ihr die unglückliche Formulierung um die Ohren haut, kann in ihrer exponierten Stellung nicht überraschen. Berufsrisiko.“

Baerbocks Satz ist nicht verschachtelt, er ist einfach, ein einfacher Satz, mit einer einfachen, nicht metaphorischen Äußerung. Nein, Annalena Baerbock hat genau das gesagt, was sie gesagt hat. Die Sprache ist eindeutig. Allerdings dürfte sie nicht gewusst haben, was sie damit gesagt hat. Was die Frage erhebt: Können wir uns in Zeiten, in denen wir am Rande eines großen Krieges balancieren, eine Außenministerin leisten, die nicht weiß, was sie sagt?

Wenn man sich allerdings Baerbocks Äußerungen zu Russland anschaut, die markigen, zuweilen dreisten Sätze, die sie so sehr liebt, die einem Oppositionsführer zustehen, nicht aber einer Außenministerin, so kommt der leise Verdacht auf, ob sie sich nicht in Wahrheit mental im Krieg mit Russland befindet – und ihr deshalb der Satz entfleuchte. Parallel zur umstrittenen Entscheidung der Ukraine, Leopard-Panzer zur Verfügung zu stellen, wo es auf diplomatische Millimeterarbeit ankommt, der Bundeskanzler alle Register zieht, um die Sorge zu minimieren, dass Deutschland dadurch Kriegspartei wird, verkündet die Außenministerin frank und frei auf noch dazu großer Bühne: „Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“

Das ZDF eilt ihr zur Hilfe
Baerbock blamiert Deutschland und beschert Putin einen Propagandasieg
Das ist mehr als eine unglückliche Formulierung – und die Aufgabe des Bundeskanzlers wäre es gewesen, Annalena Baerbock als Außenministerin abzuberufen. Stattdessen wird ein Nebel von Scheindebatten und Scheinargumenten, auch mit Experten aus den USA, was niemanden verwundert, auch mit dem Sicherheitspolitiker der CDU, Roderich Kiesewetter – der Mann ist ein einziger Ausfall als Oppositionspolitiker –, entfacht, denn natürlich kann Annalena Baerbock nicht gemeint haben, was sie doch gesagt hat. Warum hat sie eigentlich nicht einfach das gesagt, was sie meint, wenn sie nicht gemeint haben sollte, was sie phonetisch klar und verständlich äußerte? Wäre das nicht viel einfacher? Wozu dann die sprachliche Scharade?

Wir sprechen von keinem poetischen Text, nicht von Sätzen, die von James Joyce oder Franz Kafka stammen, sondern über einen einfachen, nicht anspruchsvollen Satz der deutschen Außenministerin. Es mag für deutsche Politiker und deutsche Journalisten unverständlich sein, aber außerhalb der deutschen Grenzen nimmt man die Statements der deutschen Regierung zur Kenntnis, nicht die mehr oder weniger geschickten Interpretationshilfen aus deutschen Redaktionsstuben. Was in Deutschland erledigt zu sein scheint, ist es deshalb in der Welt noch lange nicht. Dass Annalena Baerbock ohne Not Wladimir Putin ein großes Propaganda-Geschenk gemacht hat, dürfte selbst ihr klar sein.

In Prag hatte Baerbock unmissverständlich gesagt: „Egal, was meine Wähler in Deutschland darüber denken, aber ich will den Menschen in der Ukraine gegenüber liefern.“ Nach der Äußerung erklärten Heerscharen von Baerbock-Fans in den Medien auch damals schon, dass Baerbock etwas anderes gemeint habe. Man entwickelt langsam eine Routine im Wegframen von Baerbock-Äußerungen. Seitdem sind immer diejenigen schuld und rechts und damit verdammungswürdig, die einfache deutsche Sätze so verstehen, wie sie gesagt worden sind. Und natürlich hat Baerbock geliefert. Am 22. Januar 2023 hat Baerbock klargestellt, dass, wenn Deutschland gefragt werden würde, es nicht den Export von „Leopard-2“-Panzern von Drittstaaten an die Ukraine blockieren würde, Baerbock wörtlich gegenüber dem französischen Sender LCI: „Im Moment ist die Frage noch nicht gestellt worden, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen.”

Mit Drittländern ist Polen gemeint. Italien – im Worte sehr an der Seite der Ukraine – will irgendwelche Waffensysteme schicken, von Panzern scheint nicht die Rede zu sein, und Frankreich kann sich zwar grundsätzlich die Lieferung von französischen Panzern vorstellen, doch tatsächlich sprechen konkret Gründe dagegen, so zum Beispiel, dass die Lieferung von Panzern zur Eskalation des Kriegsgeschehens führe und die eigene Armee geschwächt werden könnte.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, sagte am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“, die Lieferung sei „gut für die Ukraine einerseits, schlecht für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr andererseits“. Weiter sagte Wüstner: „In den letzten Monaten wurde zum Ausdruck gebracht, dass wir nur noch bedingt abwehrbereit sind – wenn überhaupt.“ Und: „Die Wahrheit ist: Seit Februar geben wir weiterhin Waffengeräte und Munition ab. Wir sind immer noch im freien Fall, wir haben immer noch keine Wende mit Blick auf die eigene Verteidigungsfähigkeit.“

Unterdessen twitterte der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk: „Der Countdown läuft. Da bin ich gespannt, wie lange noch die #Ampel die Lieferung von ??Kampfjets & Raketen ablehnen kann. Auch wenn die Mehrheit noch skeptisch ist, unterstützen – immerhin – schon heute 26% diesen Schritt??Das ist viel. Wir schaffen das.“

Ganz gleich, wie man zu der Panzerlieferung steht, die Lage ist kompliziert und komplex zugleich. In dieser Situation sind Klugheit, Besonnenheit, Rationalität, Klarheit über die deutsche Interessen, Selbstbeherrschung, Erfahrung und kühles Kalkül gefragt – alles Eigenschaften, über die Annalena Baerbock nicht verfügt. Im Interesse Deutschlands muss Olaf Scholz sie abberufen, es wäre allerdings schon einiges erreicht, wenn sie das Reden anderen überlässt. Die Welt ist kein grüner Parteitag. Deutschland braucht einen Walther Rathenau, einen Gustav Stresemann oder einen Otto von Bismarck, aber weiß Gott keine Annalena Baerbock.

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Kommentare ( 122 )

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andreashofer
1 Jahr her

Tritt Scholz zurück, haben wir große Chance auf Schwarz-Grün. Und die führen uns in den Krieg.

andreashofer
1 Jahr her

Möglicherweise bin ich es ja, der völlig übergeschnappt ist. Aber wer sich mit Baerbock anlegt, legt sich mit der USA an. Für mich ist die Umdrehung der Grünen von einer pazifistischen Partei zu DER Kriegspartei schlechthin in Deutschland der erfolgreichste Coup der CIA überhaupt.
Baerbock ist für Deutschland das, was Georg Double-You Bush für die USA war, mit dem Unterschied, dass er Sternenkreuzer kommandiert hat, während wir eher wie die Ewoks ausgerüstet sind.

Dieter
1 Jahr her

wie hatte es der ex-Vize Präsident von Pfizer so schön ausgedrückt:
Es gibt Menschen, die sind so abgrundtief böse, dass ein normal sterblicher Mensch das einfach nicht glauben KANN und deshalb schlicht verdrängt, dass es wahr ist..

Dieter
1 Jahr her

wie sieht das eigentlich so mit Nato, Völkerrecht etc aus?
Also wenn jetzt eine deutsche Außenminister erklärt, das „we are at war with Russia“ sind?
Zieht nach einer quasi Kriegserklärung das Nato-VERTEIDIGUNGS Bündnis noch?
Oder gehört das in die Kindergarten Krabbelgruppe unter „ferner liefen“

Last edited 1 Jahr her by Dieter
EUje
1 Jahr her

Sie hat’s nicht drauf.
So einfach ist das.

JamesBond
1 Jahr her

Das schlimmste ist die Merz-, Wüst-, Günther-CDU denn auch wenn es für die Plappertante mit der SPD und FDP nicht mehr reichen sollte, dann geht dasselbe Elend trotzdem, dann mit der CDU weiter.
Maaßen wird deshalb gemobbt, damit jeder sieht: In der CDU geht es weiter wie bei Merkel.
Das ändert sich erst, wenn in einem Bundesland im Osten die AfD die absolute Mehrheit erzielt.

albert deutsch
1 Jahr her

Schweigt Sie :Alle denken Sie ist dumm.
Redet Sie :Alle merken ,das Sie es ist.

Kindermund
1 Jahr her

„Im Interesse Deutschlands muss Olaf Scholz sie abberufen“ – Und dann? Dann werden die Grün*!:_Innen Plapperlenas Nachfolgerin dort installieren, also eine gewisse Ricarda Lang wenn nicht gleich eine Sarah-Lee Heinrich. Ob das die Sache besser macht?

ralf12
1 Jahr her

Es ist ja nicht die erste Entgleisung Bärbocks. Wenn ein deutscher Außenminister sich hinstellt und sagt, „wir müssen Russland zerstören“ ist das kein allzugroßer Unterschied zur jetzigen „Kriegserklärung“. Wir wissen alle, dass diese dumme Göre nichts auf dem Posten zu suchen hat. Leider ist CumEx Scholz nicht der Kanzler mit Richtlinienkompetenz. Andernfalls hätte er dieses verzogene Kind schon längst entfernt haben. Falls er doch noch Ei.. in der Hose hat und sie endlich feuert, was sind eigentlich die Alternativen? Wegen der Quote muß es ja eine Güne sein? Also eventuel Anton(ia) Hofreiter? Der ist ja „Experte“ für alles. Selbst niemals… Mehr

Jatoh
1 Jahr her

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ – in „Die Brüsseler Republik“ Der Spiegel, 27. Dezember 1999.
Das ist genauso wie bei der Lieferung von Kampfflugzeugen.
Zuerst ist es unvorstellbar, dann kann sich der erste das vorstellen, dann der zweite und dritte. Usw. usf.
Am Ende ist es ALTERNATIVLOS.
„Das nie eine Mutter mehr, ihren Sohn beweint.“