AfD – muss man kritisieren dürfen

Die Unduldsamkeit vieler Anhänger und Sypmpathisanten der AfD hat Ausmaße wie bei deren schärftsten Gegnern angenommen. Sebastian Antrak möchte aber seine Sicht der Dinge von keiner Seite aufgezwungen kriegen.

Bernd Zeller
http://www.zellerzeitung.de

Wer in heutigen Zeiten von der AfD spricht, muss vorsichtig sein. Egal in welche Richtung man sich äußern möchte, der Gegenwind ist gewiss. Der Gegenwind ist keine Frage des Obs, sondern des Wies. Dass und wer Äußerungen pro AfD ahndet, ist hinlänglich bekannt. Hier geht es um die andere Seite der Medaille.

Die Alternative hat sich bei vielen Sympathisanten, Interessenten und Wählern nicht mehr als Alternative einquartiert, sondern als Obligat. Die Partei zu unterstützen, ihrer Programmatik unkritisch zuzustimmen und ihr beinahe den Mythos eines Heilsbringers zuzuweisen, ist für diesenTeil der Gesellschaft unvermeidlich. Wer es nicht tut und das auch öffentlich kommentiert, dem bläst Gegensturm ins Gesicht.

Gerade in den sozialen Medien zeigt sich, dass die AfD mittlerweile im Kreis ihrer Anhänger und Sympathisanten den Rang eines Familienmitglieds eingenommen hat, dem man selbst natürlich nichts Böses will, das andere aber schön in Ruhe zu lassen haben. Mit der Partei haben sich inzwischen so viele solidarisiert und verbrüdert, dass Kritik einfach so an ihnen abperlt. Vielfach schaut man in verdutzte Gesichter, wenn man wagt, die AfD in Teilaspekten zu kritisieren. Manchmal bleibt es beim ratlosen Gesicht. Manchmal wird es aber auch ungemütlich. Majestätsbeleidigung 2.0.

The same procedure as last time
Grüne, Die Linke, AfD: etablierte Parteien
Früher gab es dafür mit dem Rohrstock auf den Hintern, heute steht man am digitalen Pranger. Der Rohrstock von damals ist der Shitstorm von heute. Und genau wie damals treffen kritische Geister auf eingefahrene Meinungen, die beide nicht zusammen passen wollen, obwohl sie im Kern vielleicht das Gleiche antreibt. Eine andere Politik, einen anderen Umgang mit Flüchtlingen, konsequenteres Auftreten einem radikalen Islam gegenüber, Meinungsfreiheit, Liberalismus. Das alles kann man befürworten und darauf hinarbeiten, ohne für die AfD sein zu müssen. Aber mehr und mehr füllen sich die Kommentarspalten im Netz mit der Ansicht, dass das alles einzig nur mit dieser Partei ginge. Wer die genannten Punkte also unterstützt, muss doch gleichzeitig ein Anhänger der AfD sein.

Dass den Jüngern einer Gruppe ihr eigenes Vorbild als die segensreichste Erfindung seit dem Feuer gilt, ist natürlich nicht neu. Aber das vehemente Verlangen ist es, das unbeirrbare Festhalten am eigenen Blick, der Drang, andere beinahe schon missionarisch vom Vorteil der AfD zu überzeugen. Diese Partei scheint ein Erweckungserlebnis bei so vielen hervorgerufen haben, dass keiner bereit ist, sich seine Träume (und das ist nicht negativ gemeint!) von anderen kaputt machen zu lassen. Mittlerweile fühlt es sich eher wie ein Vertretergespräch an: das eigene Produkt kennt keine Schwächen. Je mehr und je öfter das wiederholt wird, desto stärker werden es die Leute schon glauben. Glaubt der Vertreter.

Öffentliche Unterstützer von CDU, Grünen, SPD, FDP und der Linken müssen Sie inzwischen mit der Lupe suchen. Es gilt als schändlich, denen beizuspringen, die unser Land erst in diese Lage gebracht haben. Keine Frage soll sein, ob die AfD bessere Konzepte als andere hat. Das stellt sich erst in der Regierungsverantwortung heraus. Keine Frage soll sein, ob die AfD wichtig ist oder gebraucht wird. Ja und ja, unsere Demokratie braucht auch einen rechten Flügel und es ist genauso unsinnig darüber zu diskutieren, ob AfD-Wähler abwechselnd Rassisten oder Nazis sind. Weder noch.

Wer sich von der AfD vertreten fühlt, darf das kundtun und es ist der Partei hoch anzurechnen, wenn sie wie zur Wahl in Mecklenburg-Vorpommern auch Tausende Nichtwähler mobilisiert. Aber die Haltung mancher Parteigänger driftet schon wieder dorthin ab, was die AfD und viele Kritiker an den etablierten Parteien eigentlich bekämpfen: Meinungsdiktatur, Unfreiheit, Schönfärberei, Wegdrücken, Verächtlichmachung.

Wer andere wegen dieser Punkte kritisiert, muss es besser machen. Es hilft nichts, auf „die dort“ zu zeigen und zu sagen, sie machten es nicht anders. Veränderung braucht immer erst einen Stein des Anstoßes. Ein größeres Lob könnte man doch der AfD nicht geben, als ihr irgendwann einmal diese Initialzündung zuzuschreiben, oder etwa nicht?

Ich möchte selbst entscheiden, wie ich die AfD zu sehen habe, ob ich sie mag, was ich an ihr mag und was nicht. Ich will es nicht vorgeschrieben kriegen. Ich benötige keine gebetsmühlenartig wiederholten Punkte aus dem Parteiprogramm, um mich überzeugen zu lassen. Ich mag es nicht, wenn ohne eigene Sichtweisen einer Sache hinterhergelaufen wird. Ich mag es nicht, wenn Anhänger urplötzlich aus der Deckung schießen und mir reflexartig „ihre“ Partei als die einzig Wahre aufzwingen wollen. Bekehren kann man nur mit eigenen Interpretationen und Gedankengängen, nicht, indem Vorgefertigtes in Dauerschleife läuft. Das sei all jenen ins Gebetbuch geschrieben, die sofort unangemessen und anmaßend zur Attacke ansetzen, sobald Einwände gegen „ihre“ Partei fallen.

BerndZeller_Buch

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