Bundeswehr könnte in Afghanistan mehr leisten, wenn sie dürfte

Dass die Europäer ohne US-Unterstützung nicht mal zur Evakuierung ihrer Bürger fähig gewesen wären, ist aber nichts weniger als eine glatte Irreführung der Öffentlichkeit.

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Die NATO-Staaten starteten nach dem totalen Fiasko des überstürzten Abzugs Evakuierungsoperationen, um westliche Staatsbürger und afghanische Helfer sowie politisch genehme Kreise auszufliegen. Nun wird behauptet, dass keiner der Verbündeten bereit oder in der Lage gewesen wäre, diesen Einsatz ohne die USA auch nur eine Minute fortzuführen. Auch in Brüssel wurde zurückgewiesen, dass die Europäer die Luftbrücke in Eigenregie weiterführen könnten. Das sei ohne die Amerikaner nicht vorstellbar.

Dass die Europäer ohne US-Unterstützung nicht mal zur Evakuierung ihrer Bürger fähig gewesen wären, ist aber nichts weniger als eine glatte Irreführung der Öffentlichkeit.

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Unstreitig ist, dass die militärischen Kräfteverhältnisse zwischen den USA und den Europäern in einem massiven Ungleichgewicht sind. Deutschland und andere europäische Staaten haben in den vergangenen Jahren zwar ihre Verteidigungsausgaben beträchtlich erhöht. Dennoch geben die USA alleine mehr als doppelt so viel für ihr Militär aus, als die restlichen Verbündeten zusammen. Nur deren Streitkräfte verfügen im nordatlantischen Bündnis über die Fähigkeit zur weltweiten Machtprojektion. Ihre auf allen Meeren präsente Marine, die modern ausgerüstete Luftwaffe, das mit Eliteverbänden kampfstarke Heer, die Satelliten- und Cyberfähigkeiten und anderes mehr brauchen gegenwärtig kaum eine Konkurrenz zu fürchten.

Durchsichtiges Kalkül

Zu welcher Hybris diese Stärke führt, ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Es geht auch nicht darum, den Europäern einzureden, dass diese im Krieg am Hindukusch hätten eigenständig operieren können. Das wollten und mussten diese nicht, sie hätten es auch nicht gekonnt. Dieser Einsatz hing von Anfang an vom unbedingten Willen der USA ab, nach den Terrorangriffen von 2001 ihre militärischen und finanziellen Ressourcen einzusetzen. Es war ein US-Krieg, dem sich ein Großteil der Verbündeten bereitwillig angeschlossen hat. Die Amerikaner wurden in gewissen Grenzen militärisch, nicht zuletzt aber auch politisch unterstützt. Der Beitrag der Verbündeten zum afghanischen Krieg sollte denn auch nicht kleingeredet werden. Dahinter lauert politisches Kalkül.

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Zum einen macht sich speziell die deutsche Regierung gerne möglichst unsichtbar hinter dem breiten Rücken der Vereinigten Staaten. Damit sollte von Anfang an die Angreifbarkeit für Misserfolge klein gehalten und gleichzeitig ein dauerhafter Druck auf die Abgeordneten des Bundestages zur Zustimmung zu den diversen Mandaten aufgebaut werden. Zum anderen trägt das Kleinreden der eigenen Fähigkeiten auch zu der bequemen Haltung bei, wann immer es geht, Bündnispartner die Kohlen aus dem Feuer holen zu lassen. Dieses Kalkül ist über bald zwei Jahrzehnte aufgegangen. Insbesondere Kanzlerin Merkel perfektionierte die Arithmetik politischer Machtfragen und schaffte es, strategische Schwächen insbesondere durch große Teile der Medien zu angeblicher Führungsstärke aufblasen zu lassen.

Im Zuge der Evakuierungsoperationen der NATO-Verbündeten wird dieser Mechanismus wiederum deutlich. Unabhängig davon, was von den fünf oder gar sechsstelligen Zahlen zu evakuierender Afghanen zu halten ist, unabhängig von der aus durchsichtigen Gründen befeuerten Hysterie, es würden tausende Afghanen dem Lynchmord ausgeliefert, betreiben weite Teile der Medien systematisch das Geschäft der Regierung. Die oben zitierte Behauptung der SüZ, dass der Evakuierungseinsatz ohne die USA nicht eine Minute hätte fortgeführt werden können, ist schlichtweg falsch. Sie zeugt von völliger Unkenntnis der deutschen militärischen Fähigkeiten. Ein Redakteur der das behauptet, kennt die Bundeswehr nicht, er sollte sich ins Feuilleton versetzen lassen.

Die Bundeswehr kann mehr als sie können darf

Bei aller berechtigten Klage über die Unzulänglichkeiten unserer Streitkräfte: Allein die Bundeswehr verfügt über die erforderlichen Ausstattungen und Geräte, um mit etwas Vorlauf einen Feldflugplatz aufbauen und betreiben zu können. Verlegefähige Radargeräte, Abfertigungsanlagen und die sonstigen für den Betrieb eines Flugplatzes erforderlichen technischen Systeme einschließlich des erforderlichen Personals sind in der Luftwaffe verfügbar. Bei Bedarf ließen sich Verstärkungen von europäischen Verbündeten organisieren. Man müsste dies nur wollen. Zumal in Kabul ein betriebsbereiter Flughafen vorhanden ist, der seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat.

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Die größte Herausforderung wäre bei einem Betrieb ohne die Amerikaner die notwendige Sicherung der Anlage. Die dazu erforderlichen paar Tausend Soldaten hätten die Deutschen bzw. Europäer ohne weiteres auch kurzfristig auf die Beine gebracht. Dass die Bundesregierung dies kategorisch ablehnt, entstammt einem bekannten Drehbuch, das da lautet: wir können nichts, wir wollen nichts außer dem Weltfrieden und wir sind auf andere angewiesen. Aus Unterwürfigkeit der Führungsnation USA gegenüber bestätigt auch das NATO-Hauptquartier bereitwillig deren Unverzichtbarkeit.

Nochmals: Hier soll nicht dafür plädiert werden, mit einer eigenen Luftbrücke zusätzliche Afghanen zu evakuieren. Es geht um das systematische Unterschlagen eigener Fähigkeiten aus durchsichtigen politischen Motiven. Eine derartige Politik verfolgen die verschiedenen Bundesregierungen spätestens seit der Jahrtausendwende. Die hehren Beschwörungen der Bündnissolidarität werden bei jeder Gelegenheit hintertrieben. Und unsere sogenannten Qualitätsmedien machen bereitwillig mit. Die Öffentlichkeit wird hinters Licht geführt, den Tatsachen wird keine Ehre gegeben. Soviel zum Funktionieren der vierten Gewalt in diesem unserem Lande. Medien als Büchsenspanner der Regierung.

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Kommentare ( 34 )

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34 Comments
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Deutscher
2 Jahre her

„Dass die Europäer ohne US-Unterstützung nicht mal zur Evakuierung ihrer Bürger fähig gewesen wären, ist aber nichts weniger als eine glatte Irreführung der Öffentlichkeit.“

Ich frage mich eher, was „Bürger“ – also Zivilisten – überhaupt in einem angeblichen Kriegsland zu suchen haben, das sooooo gefährlich ist, dass man nicht mal die Einheimischen dorthin zurückschicken darf….

November Man
2 Jahre her

Erst die Afghanen, dann die Europäer. Die Europäer kann man anschließend mit noch mehr Afghanen hier her holen holen.
In Katar warten unerwünschte 40.000 Afghanen auf die Weiterreise Richtung Hauptzielland Deutschland.
In Rammstein haben die Amerikaner 21.000 Afghanen abgeladen die angeblich in die USA weiterreisen sollen.
Das glaubt doch kein vernünftiger Mensch. Deutschland wird keinen einzigen hergeben, wir brauchen schließlich Mieter auf Staatskosten, damit auch die deutsche Kirche ihr riesiges Immobilienvermögen an Migranten zu Höchstpreisen und zu Lasten unserer Sozialsystem vermieten kann.
Auch deren Rente ist sicher und wir sollen arbeiten bis 70.

Kassandra
2 Jahre her

Tja. Deutschland ist zwar nicht aufgeführt, aber sicherlich vorneweg dabei. Die in Ramstein gelandeten sind damit wohl fürderhin unsere: „Denn Ziel der US-Regierung ist es offenbar, so viele Ortskräfte wie möglich auf Drittländer in der ganzen Welt zu verteilen, bis ihre Visa-Anträge geprüft und bewilligt sind. Ende vergangener Woche verkündete US-Außenminister Anthony Blinken, gut ein Dutzend Partnerländer hätten bereits zugesagt, US-Ortskräfte aufzunehmen: Albanien, Kanada, Costa Rica, Chile, Kosovo, Nordmazedonien, Mexiko, Polen, Katar, Ruanda, Ukraine sowie Uganda und Kolumbien.“ https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/warum-die-usa-afghanische-ortskr%c3%a4fte-in-drittl%c3%a4ndern-unterbringen/ar-AANQ2mP?ocid=st „Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger sieht das ähnlich: „Flüchtlinge haben in diesem Land immer extremen Unternehmergeist gezeigt. Wir alle wissen, dass… Mehr

Mampfred
2 Jahre her

Herr Drexl hat durch seine Laufbahn gewiss mehr als genug Expertise über die Fähigkeiten der Luftwaffe.
Sie kann mehr. Aber sie SOLL meiner bescheidenen Meinung nach, gar nicht in Afghanistan ihre Fähigkeiten ausspielen.
Heer, Luftwaffe und Marine sollen ihre Fähigkeiten auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland unter Beweis stellen, und sich nicht in weltfremden out-of-area-Einsätzen verheizen lassen.
Dann könnten möglicherweise auch wieder Flutopfer in Deutschland gerettet werden, anstatt Dosenbier aus Afghanistan zu retten.
Wie gesagt – nur meine Meinung. Aber eine funktionierende Bundeswehr HIER als eine marode DORT würde mir mehr gefallen.

Last edited 2 Jahre her by Mampfred
zweisteinke
2 Jahre her
Antworten an  Mampfred

Der Fluteinsatz hätte auch dem Ansehen der Bürger in Uniform nichts Geschadet, ganz im Gegensatz zu unserer Demokratie, die am Hindukusch verteidigt werden sollte.
Letzteren Schwachsinn hat übrigens ein SPD-Kriegsminister abgelassen.

Lesterkwelle
2 Jahre her

Was die politische Führung, von v. d. Leyen über AKK bis hin zu Merkel, von einer professiellen Armee hält, wurde spatestens sichtbar, als v. d. Leyen sich über angebliche Wehrmachtsdevotionalien und „Haltungsprobleme“ in den Kasernen sorgte und AKK mit der Demontage des KSK weitermachte. Jetzt ist man froh, dass gerade diese Einsatzkräfte bei der Evkuierung mithelfen konnten.

teanopos
2 Jahre her

Dass die USA mehr als doppelt soviel ausgeben wie der Rest der Staaten dürfte wohl daran liegen dass allein die USA bestimmen wo es weltweit politisch lang geht, zumindest bei den größeren/kostspieligeren Einsätzen bzw. Einflussnahmen. Das ist bei der Verwendung der Geheimdienste nicht anders. Wer nicht für die USA ist wird von denen als Feind betrachtet. Eigenständigkeit drückt sich in Missfallen aus. Hegemonie nennt man das. Andererseits nutzen die Verantwortlichen NATO Mitglieder diese Hegemonie der USA gerne um sich hinter ihr zu verstecken. Solang die USA derart agieren, wird sich das nicht ändern. Merkel hat versucht sich dem zu entziehen,… Mehr

Last edited 2 Jahre her by teanopos
olympos
2 Jahre her

Das Merkelregime ist die groesste Gefahr der EU. Die anderen Laender sollen endlich einschreiten und den Merkelspuk beenden. Sonst sind sie selber schuld, auf dir Dummkoepfe aus Berlin zu hoeren

olympos
2 Jahre her

Wer sich auf die USA verlaesst, ist verlassen. Da sind Kriege der USA nur zu deren Intetesse. Die restlichen Stiefellecker sind zum Schaemen. Die USA haben in den letztem 100 Jahren keinen einzigen Krieg „gewonnen“. Alle Kriege wurden von den USA angezettelt.1944 sind diese Feiglinge erst dann in der Normandie gelandet, als die Russen den 2. WK zu ihren Kunsten entschieden haben. Das wollten die verhindern, den die Russen haetten alles ueberrant. Die gesamte Wehrmacht war an der Ostfront, vom Westen waren nur Minderjaehrige zur Verteidigung Deutschlands parat. Feige wie immer die USA „Heros“. Sogar gegen Ziegenhirten sind sie machtlos.… Mehr

Nibelung
2 Jahre her

Zu was sie fähig sind oder auch nicht ist doch völlig belanglos, sie sind in den Zug nach Afghanistan auf Geheiß der Amis eingestiegen und nun mußten sie geschlagen von dannen ziehen und Siege sehen anders aus, schon die Generale von Alexander waren intelligenter und haben ihn am Hindukusch zur Umkehr gezwungen, von den anderen dazwischen wollen wir erst garnicht sprechen. Der größte Verlierer hat auch noch ein großes Mundwerk und will seine Niederlage nicht eingestehen, was für eine Blamage für alle Beteiligten, die selbst aus einem verlorenen Krieg noch einen Sieg konstruieren wollen, was typisch ist für die heutige… Mehr

K.Behrens
2 Jahre her

Am besten vergisst man die deutsche Bundeswehr und damit jeden einzeln dieser sozial-pädagogisch-besoffenen Mitglieder. Ich spreche den deutschen Elite-Einheiten meinen höchsten Respekt aus, möglicherweise sind diese Männer rechtzeitig vor Ort und stoppen damit jeden abstrusen Moslem oder afrikanischen Wanderfreund. An dieser Stelle meinen Respekt vor der israelischen Wehrkraft, wo junge Frauen und Männer für die Sicherheit ihres Landes einstehen!

Wilhelm Roepke
2 Jahre her
Antworten an  K.Behrens

Widerspruch! Sozialpädagogisch besoffen ist nicht die Bundeswehr, sondern wenn überhaupt die politische Führung in Regierung, Parlament, Parteien und Leitmedien. Die Mitglieder der Bundeswehr haben das auszubaden.