"Ich finde es nicht richtig, dass man immer die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst nehmen muss“, sagte eine SPD-Politikerin mitten im Landtagswahlkampf in Brandenburg. Dass sie offen ausspricht, was so viele in der Partei denken, wird die SPD noch weiter in den Abgrund reißen.
Es gibt Momente, da bleibt einem selbst als hart gesottenem Journalisten die Spucke weg. Man langt sich an den Kopf, denkt sich: Das gibt es doch nicht! Man schaut noch mal hin, dann noch mal, und wenn man dann immer noch nichts anderes sieht, denkt man, es müsse Satire sein, ein böser Witz. Und es braucht eine Weile, bis man sich eingesteht – es ist Realität. Ein politischer Suizid vor laufender Kamera.
Es ist tatsächlich erschreckend ernst gemeint, was Elfriede – „Elfie“ – Handrick vom Vorstand der SPD-Wustermark jetzt im Wahlkampf in Brandenburg gesagt hat und das ZDF gestern ausstrahle. Die adrett frisierte, elegante graue Dame, die nicht so aussieht, als müsse sie sich um ihren Lebensunterhalt Sorgen machen, sagt da, sichtlich genervt, in bestem Hochdeutsch in die Kamera: „Ich finde es nicht richtig, dass man immer die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst nehmen muss. Was haben die denn für Sorgen und Nöten? Ich kann das nicht verstehen!“ Beim Wort „Sorgen und Nöte“ hebt Handrick, die eher nach Mallorca als nach Maloche aussieht, derart ihre Stimme und rümpft derart die Nase, als würde sie von einer Geschlechtskrankheit sprechen oder zumindest etwas sehr ekeligem. Verachtung gemischt mit Wut kommt zum Vorschein. Und die steigert sie dann noch einmal: „Und selbst wenn sie Sorgen und Nöte haben, dann haben sie noch lange nicht das Recht, mit ,Heil Hitler´ durch die Straßen zu laufen.“ (anzusehen hier oder in Originallänge beim ZDF (Zeitmarker 1:10))
Das sitzt! Was für ein authentischer Moment. Kein Gestelztes „wir müssen“, keine abgewetzte Floskel wie „den Menschen unsere Politik besser erklären“ oder „mitnehmen“ – nur: „Was haben die denn für Probleme“? Mit einem langgezogenen Igitt-„die“. So unendlich bitter das ist: So eine Aussage kann nur von jemandem kommen, den das Wohl seiner Wähler, der Bürger in diesem Land, wirklich nicht mehr juckt. Und der sich nicht einmal mehr geniert, seine Verachtung für das gemeine (Wahl-)Volk ganz offen zu zeigen.
Mit Handrick hat die SPD ihren ganz offenen Marie-Antoinette-Moment: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Eine offene Ohrfeige für den Wähler. Eigentlich muss man Handrick deshalb dankbar sein. Sie liefert Klartext! Und spricht das aus, was die Obergenossen nur denken – zumindest legt ihr Verhalten nahe, dass sie sich, wenn die Kameras ausgeschaltet sind, ähnlich äußern. So sind etwa Aussagen wie diese in Hintergrundgesprächen zu hören: „Wir machen so tolle Politik, aber den Leuten geht es zu gut, sie sind zu verblödet, sie kapieren das nicht.“
Dankbar sein muss man auch den Journalisten vom ZDF, dass sie diese Stelle tatsächlich gesendet haben und die Selbstentblößung der Genossin nicht mit dem Tuch der Schere verdeckt, also weggeschnitten haben. Der Verdacht liegt nahe, dass die Reporter die Aussage nicht etwa sendeten, um die SPD bloßzustellen – sondern dass sie so ähnlich denken wie Handrick und die Brisanz der Aussage deshalb gar nicht verstanden haben.
Selten hat jemand so offen seine Verachtung für den Wähler zum Ausdruck gebracht wie die SPD-Lokalpolitikern Handrick: Massiv schaden wird der SPD ihre zumindest ehrliche Aussage wohl nur deshalb, weil die Wähler genau diese wählerverachtende Einstellung eben auch von der Parteispitze instinktiv spüren.
Dazu tragen auch Skandale bei wie der um Simon Vaut, den „Felix Krull von Brandenburg“: Der Mann, dessen Karriere Sigmar Gabriel gefördert hatte, sorgte bundesweit für Schlagzeilen, weil er mit erfundener Partnerschaft und erfundenem Wohnsitz die Wähler in die Irre führte. Statt Empörung erntete er für seine Hochstapelei aus dem eigenen Milieu viel Unterstützung (siehe hier). Die Äußerungen von Vaut selbst legen nahe, dass er sich eher als Opfer der AfD sah statt als Täter. Aus gut informierten Kreisen ist zu hören, dass ihm ein Versorgungsposten winkt. Eine Genossen-Hand wäscht die andere.
Die SPD wurde von karriereorientierten Funktionären, denen Gucci, Toskana und Edel-Italiener viel näher sind als Blaumann, Schalke und Currywurst-Stand, feindlich übernommen. Statt Empathie für die kleinen Leute empfindet die aktuell in der SPD tonangebende Funktionärsriege eher Verärgerung, ja Verachtung für diese – weil sie sich ihrer „progressiven“ Politik verweigern, nicht genügend übrig haben für die Lieblingsthemen der Funktionäre, wie Minderheiten, Diversity, Gender und LGTB. Ideologen, für die ein Helmut Schmidt wohl schon ein böser „Rechter“ (neudeutsch für Rechtsextremer) wäre, weil er Themen offen ansprach, die heute tabu sind in der Partei, wie die Sorgen der Bürger vor zu starker Zuwanderung. Schlimmer noch: Der Ex-Kanzler äußerte sich sogar lobend über den Partei-Paria Thilo Sarrazin und dessen Buch, das in der SPD zwar kaum jemand gelesen hat, aber alle massiv verurteilen (wie es in der Sowjetunion üblich war für Bücher von Dissidenten).
Heiko Maas ist das Sinnbild dieser Funktionärskaste – schon zwei Jahre vor seinem zweiten Staatsexamen wurde er Abgeordneter im Landtag, noch im Jahr des Examens Staatssekretär, und zwei Jahre später Minister. Solche Retorten-Politiker aus dem Funktionärs-Brutkasten haben etwa die gleiche Nähe zu ihrer früheren Stammwählerschaft wie Greta zu einem Kohlekumpel.
Die SPD hätte eine Überlebenschance, wenn sie sich für den Weg der dänischen Sozialdemokratie entscheiden würde – die in Sachen Migration und Sicherheit inzwischen für so ziemlich das Gegenteil stehen wie ihre deutschen Genossen. Die sprechen verächtlich von einem „Rechtsruck“ im Nachbarland, was auch entlarvend ist, denn der Kurs der Dänen ist schlicht sozialdemokratisch – Politik für den kleinen Mann. Wenn deutsche Sozialdemokaten das als „rechts“ diffamieren, wenn sie das Beispiel Dänemark als Schreckgespenst sehen und nicht als Chance, müssen sie sich nicht wundern, dass ihnen so viele Wähler zur AfD davon laufen und ihre Partei untergeht.
So wird die SPD zum Sinnbild dafür, wie ein starres Weltbild und Ideologie nicht nur Herz und Verstand ausschalten, sondern offenbar auch den (politischen) Selbsterhaltungstrieb. So könnte ihr Ableben zumindest noch einen Sinn haben – als abstoßendes Beispiel für anderen Parteien, allen voran der CDU. Die leidet zwar weniger an Ideologien, aber umso mehr am Hinterherhecheln hinter dem von Ideologen bestimmten rotgrünen Zeitgeist und Realitäts-Verweigerung. Auch wenn die Hoffnung gering ist – vielleicht führt der Suizid der SPD ja doch noch zu einem Umdenken bei der Union auf ihrem Weg in den Abgrund.
P.S.: Dieser Artikel ist ohne jede Schadenfreude geschrieben. Im Gegenteil: In Trauer. Schon mein Urgroßvater war Mitglied dieser einst großen Partei, auch unter dem Kaiser und den Nazis, und ich selbst war es in jungen Jahren auch. Wir bräuchten dringend eine Sozialdemokratie, wie es sie früher gab, die sich eben genau um Sorgen und Nöte der Bevölkerung kümmert, statt die in „Linke“ umbenannte SED und die Grünen links zu überholen.
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Lesen Sie auch Reitschusters Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad»: Darin lüftet der Autor ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik.
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Es wundert mich, dass diese Aussage vom ZDF tatsächlich so gesendet wurde.
Abgehoben, arrogant und zudem auch noch dumm. Ein Träumchen, dass wir solche Leute auch noch mit unseren Steuergeldern finanzieren dürfen.
Für mich beschrieb es Machiavelli vor 500 Jahren am treffendsten: „Das Streben und die Gier nach politischer Macht unter Verwendung jeglicher Mittel, völlig unabhängig von Recht und Moral“ dem sogenannten Machiavellismus . Viel zu viele unsere Politiker und Akteure in deren Umfeld reden, handeln und leben nach diesem Motto. Welch Geistes Kind viel zu viele von den Politikern sind, zeigen sie immer wieder durch Aussagen wie im Artikel beschrieben und dass dies ohne politisch mediales Erdbeben locker von der Hand geht, klappt auch nur durch die nicht mehr vorhandene 4.te Macht einer Demokratie. Beispiele dieses moralischen Verfalls gab und gibt… Mehr
Wir brauchen tausend Elfried Handricks, die dem tumben deutschen Wähler die Wahrheit mehrmals täglich um die Ohren hauen. Diese SPD ist nur noch ein horrender Schatten ihrer selbst und soll zu Recht in der Bedeutungslosigkeit versinken. Gleiches gilt für fast alle anderen „Volksparteien“, in denen meiner Meinung nach kein anderer Wind weht. Nicht, dass man echte Volksparteien nicht bräuchte. Doch sie sind nur noch täuschende Fassade, so wie ein Vampir als offizieller Verwalter einer Blutbank. Wir brauchen wieder echte, bodenständige Parteien, die in einem Klima von Respekt und demokratischer Toleranz den Geist echter Demokratie leben. Die einzige Partei, die diesem… Mehr
Chapeau! Die Dame hat in zwei Sätzen das gesamte Dilemma der SPD auf den Punkt gebracht: Eine Partei, die „Volkspartei“ sein möchte, sich aber einen feuchten Kehrricht um eben jenes Volk schert. -Die 5%-Hürde winkt schon mal fröhlich „hallo“..
Wunderbar! Ich hoffe sehr, dass diese Offenbarung bei den nächsten Bundestagsdebatten nocheinmal von der (einzigen) Opposition thematisiert wird. Die SPD hat sowas von fertig. Ich muss dazu sagen, dass ich tief im Herzen eigentlich Sozialdemokrat bin und mit Willy Brandt und Helmut Schmidt groß geworden bin, aber die SPD ist mir völlig fremd geworden. Schaut man sich mal Interviews mit Helmut Schmidt zum Thema Zuwanderung und Islam an, dann wäre er heute wohl ein Nazi. Wahnsinn!!!!
Sehr richtig. Aber Egon Bahr war auch schon problematisch. Für mich war er ein Gesundbeter der SED.
Das überrascht doch keinen wirklich !!! Wir sind nun mal das „Pack“, dem man der Stinkefinger zeigt – gern auch die aus Dunkeldeutschland !
Dann wartet mal ab:
„Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten – dann richtet das Volk und dann Gnade euch Gott.!“ -Körner……wartet nur ab !!!
Ich war 20 Jahre Mitglied in der SPD – damals aus Überzeugung – heute schäme ich mich dafür !!!
Geht mir genauso.
Wie drückte sich doch die „Märkische Allgemeine“ (Partner im Redaktionsnetzwerk Deutschland) so schön aus? „Elfriede Handrick engagiert sich seit Jahren in der Wustermarker SPD. Nun wurde sie mit einer unglücklichen Aussage in einem TV-Interview zur Hauptperson in einem Online-Shitstorm aus dem rechten Spektrum.“ Womit klar ist, wer schuld ist: das rechte Spektrum. Das erinnert doch stark an die Entgleisung einer Eva Högl (stellv. Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion), die während einer Statements von Martin Schulz zu den Opfern des Terroranschlags in Barcelona fröhlich winkend hinter ihm stand. Dafür von ihr keine Entschuldigung, sondern ein verbaler Angriff auf die, die das nicht so… Mehr
Die Märkische Allgemeine und alle anderen bundesweiten Medien inklusive dem RND aus dem SPD-Madsack-Labor sind es nicht einmal wert, ignoriert zu werden. Dagegen war die DDR-Presse fast schon wieder lesenswert. Denen scheint es neuerdings schon so dreckig zu gehen, dass die gefühlt 80 Prozent der Artikel hinter eine Bezahlschranke gesetzt haben. Der Style auf allen Seiten wurde auch einheitlich geändert und hat jetzt immerhin den Standard aus dem Jahr 2000 erreicht. Achja und die Kommentarfunktion wurde überall komplett eingestellt. Jetzt können die ihre ganze Propaganda ohne Gegenkommentar absondern. Die Auflagen gehen trotzdem weiter in den Keller ?
Jeder blamiert sich so gut wie er kann, in diesem Falle mit (e) .
Aber es hat auch sein gutes, eine überflüssige Partei weniger. Der Anfang ist gemacht , ich denke und hoffe, es folgen weitere.
Anhand dieses Interviews zeigt sich einmal mehr, dass der Kontakt der SPD Funktionäre zu ihrem ursprünglichen Klientel längst abgebrochen ist. Es stellt sich die Frage, wer diese Partei dennoch wählt. Hierzu fällt mir ein Erlebnis ein, dass ich hier an einem Wahllokal einer deutschen Grossstadt bei einer der letzten Wahlen selbst hatte. Das Wahllokal war in einem Klassenraum einer örtlichen Grundschule, dort in einem Pavillon in der 1.Etage. Vor dem Pavillon sass eine ältere Dame, ich schätze sie auf knapp 80, auf ihrer Gehhilfe. Sie wollte wählen, weil sie das schon immer getan hat, und kam nicht die Treppe hinauf.… Mehr
… Und es sind die Jungen, die links oder grün wählen, ohne sich inhaltlich mit der Politik dieser Parteien zu befassen. Damit ist der Stimmenzuwachs auch für diese Truppen erklärt.