Die falsche Solidarität der westlichen NGOs mit Indiens Bauern

Westliche Aktivisten und NGOs unterstützen die Bauernproteste in Indien, ohne überhaupt im Ansatz die tiefsitzenden Probleme des Landes zu verstehen.

IMAGO / ZUMA Wire
Bauern protestieren in Uttar Pradesh gegen Indiens Regierung

Seit Monaten finden in Indien massive Bauernproteste statt, die die Regierung Modi an den Rand des Scheiterns bringen. Weil die Stimmung im Westen auf der Seite der vermeintlich guten Proteste ist, solidarisieren sich westlichen Aktivisten und NGOs, ohne überhaupt im Ansatz die tiefsitzenden Probleme Indiens zu verstehen. Die Superstars Greta Thunberg und Rihanna ergreifen Partei für die Bauern, die Nichte der US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Meena Harris, unterstützt den Protest, die westlichen Medien berichten entsprechend wohlwollend. 

Aber die Lage ist längst nicht so eindeutig, wie viele Medien glauben machen wollen. Es gibt in Indien nämlich auch Gegenproteste. Auf denen werden Plakate von Greta Thunberg und Rhihanna verbrannt und sie werden aufgefordert, sich um ihre Sachen zu kümmern und nicht in Indien die Menschen aufzuhetzen, ohne die geringste Ahnung von der Sache zu haben.

Die Fakten:

Laut den Vereinten Nationen verderben etwa 40 Prozent der in Indien produzierten Lebensmittel, bevor sie auf dem Markt verkauft werden können. 

Im Zentrum der Probleme stehen also der Transport und die oft korrupten Zwischenhändler und nicht Indiens Nahrungsmittelproduktion. 

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Die Reisproduktion mithilfe des genveränderten Goldenen Reis konnte gegen den erbitterten Widerstand von Öko-Lobby-Gruppen wie Greenpeace durchgesetzt werden und führt zu guten Ernten. Beyer wurde wegen seines Engagements für den Goldenen Reis weltweit bekannt und geehrt. 2015 fand untern Protest von Ökoorganisationen die Verleihung Patents for Humanity Award des US-Patentamtes statt. Zum Missfallen der Öko-Lobbygruppen kommt eine 2004 veröffentlichte Studie zum Ergebnis, dass die Anwendung von Goldenem Reis Vitamin-A-Mangelernährung (Blindheit, erhöhte Sterblichkeit) die Gesundheit deutlich verbessern kann.

Das Problem liegt also nicht in der Erzeugung der Lebensmittel, sondern der Transport und die Lagerung sind extrem unproduktiv und von Korruption geprägt. Dazu kommt, dass die Infrastruktur Indien in einem extrem schlechten Zustand ist. Straßen sind vollkommen kaputt und von tiefsten Schlaglöchern gezeichnet. Stromausfälle häufen sich. Wenn es die Lebensmittel schon einmal in eines der wenigen Kühlhäuser geschafft haben, sorgen Stromausfälle dafür, dass die Ware verdirbt.

Small is beautifull?

Während die Agrarwirtschaft im Westen in der Hand von Großkonzernen ist, werden die Märkte in Indien von zigtausend Klein- und Zwischenhändlern dominiert. Sie haben aber weder Geld noch Interesse daran ihre Infrastruktur effektiver zu machen. Aufgrund Modis neuen Agrar-Gesetzen fürchten sie nun, dass ihr Einfluss schwindet. Deshalb haben alle kleinen Zwischenhändler und auch die Bauern Interesse daran, dass das alte ineffektive System erhalten bleibt. Die vielen Profiteure entlang der Lieferketten sind einer der Gründe, warum 40% der produzierten Lebensmittel verfaulen nicht auf dem Markt ankommen. Die vielen Mittelsmänner machen die Transportwege länger und länger. Jeder will etwas verdienen und es gibt genug Händler, die Gemüse horten, um damit zu spekulieren

Die Bauern müssen sich plötzlich der Nachfrage anpassen

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 Bisher hat die Regierung einen Mindestpreis für die Bauern und damit auch für die Zwischenhändler garantiert. Modis neue Initiative sieht nun vor, dass die Bauern ihre produzierten Lebensmittel ohne die vielen Zwischenhändler auch direkt an private Unternehmen verkaufen dürfen. Bauern können nun also selbst an Großhändler oder Supermarktketten verkaufen. Aber die bisherige Preisgarantie fällt weg. 

Nun müssen sich die Bauern der Nachfrage anpassen. Diese neue Lage verunsichert die Bauern sehr. Westliche Stars und NGOs tragen aus falsch verstandener Solidarität dazu bei, die Lage zu destabilisieren.

Das Ziel des indischen Ministerpräsidenten Modi

Modis Ziel ist nun, große Investoren zu rekrutieren, die ihr Geld in Infrastruktur und moderne Kühlhäuser stecken und im Gegenzug einen Teil des Markts übernehmen können.

Die indische Regierung argumentiert, dass durch Wettbewerb auf der Händlerseite die angebotenen Preise steigen werden. Früher gab es für den Bauern nur einen lokalen Zwischenhändler, der alle Macht bei sich vereinte. Jetzt soll es viele geben.

Die neuen Gesetze seien ein Weg zur Modernisierung der indischen Landwirtschaft, begründetet die Regierung ihr Vorhaben. Ökonomen argumentieren, die Reformen würden dem Agrarsektor neue Investitionen bringen und die Produkte würden nicht mehr bei den Zwischenhändlern verfaulen.

Zwischen den Landwirten und den Zwischenhändlern besteht eine geradezu symbiotische Beziehung. Die Bauern bekommen von den Zwischenhändlern Geld und sind in der Regel zu ungebildet, als dass sie verstehen, dass sie von diesen ausgebeutet werden.

Die Proteste

Die Proteste haben sich inzwischen neben den Konflikten mit China zur größten Herausforderung für den indischen Regierungschef Narendra Modi entwickelt. Die Landwirte protestieren nun schon mehr als zwei Monate gegen die neuen Agrargesetze. Zehntausende verarmte Bauern leben mittlerweile in den Protestcamps in Delhi.

Die größtenteils friedlichen Proteste endeten am 26. Januar mit Gewalt. Damals stürmte ein Teil der Bauern die Anlage Rotes Fort aus dem 17. Jahrhundert. Hunderte Polizisten und Dutzende Bauern wurden verletzt. Ein Demonstrant wurde getötet.

Die wirtschaftliche Lage der Bauern

Die wirtschaftliche Lage vieler indischer Bauern ist schon seit langem schlecht. Und die Corona-Pandemie hat die Lage weiter verschlechtert. Immer wieder gibt es deshalb auch Suizide. Der Grund liegt aber auch in dem Zwischenhändlersystem, das Modi nun angehen will. 

Darüber hinaus haben viele Bauern ihr Land von Großgrundbesitzern gepachtet, die sich wie moderne Feudalherren aufführen und keine Probleme haben, Kleinbauern ins Unglück zu stürzen. Darüber schweigt aber die mediale westliche Empörungsindustrie.


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Kommentare ( 25 )

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giesemann
3 Jahre her

Viel zu viele Kinder, die Inder. Mit weniger ginge es denen sofort besser.

EinBuerger
3 Jahre her

Indien ist ein komplett anderes Land. Würde man das Land effektiv organisieren, wären Hunderte Millionen von Indern arbeitslos. Ob die dann alle nach Europa eingeflogen werden? Halte ich für möglich.
Ich weiß nicht, ob ich das schreiben darf, aber ich würde sagen „Indien den Indern und Ausländer raus.“ Die sollen ihre Probleme selbst lösen.

EinBuerger
3 Jahre her

Westliche Aktivisten und NGOs unterstützen die Bauernproteste in Indien“:
Die wollen sich doch nur wieder ins Gespräch bringen. Wie ein Altschauspieler, der sein Herz für hungernde Seehundbabies am Amazonas entdeckt.

fatherted
3 Jahre her

In Indien herrscht ein System der Menschenverachtung, dass durch das Kastensystem bestimmt wird. Will man sich von diesem System befreien, werden leider auch die Armen nicht mitmachen, weil sie um ihr Seelenheil fürchten…bzw. das nächste Leben in einer höheren Kaste. Letzlich würde den Bauern nur ein organisierter Streik, eigenes Land und der Zusammenschluss zu Genossenschaften nützen….das muss nicht unbedingt in einen Argar-Sozialismus ausarten…aber ohne solche Maßnahmen kommen viele in Indien nicht mal mehr an Trinkwasser heran, weil die Brunnen abgegraben werden. Dabei ist nicht zu vergessen….die Inder haben die Atombombe und eine hochentwickelte Software-Industrie.

Imre
3 Jahre her

Also mir fielen da schon an anderer Stelle Beiträge auf, welche von einer Umsetzung neoliberaler Vorstellungen in der indischen Landwirtschaft berichteten. Dem Genossenschaftsprinzip würde ich eindeutig den Vorzug geben, um Effizienz und Beschäftigung gleichermaßen zu fördern. Die tollen „Fortschritte“ in der Ukraine nützen in erster Linie den ausländischen Eigentümern der guten Böden dort…Nebenbei ist der Modi bereits mit anderen Aktionen bzgl. der Bargeldabschaffung einschlägig bekannt, kein Ruhmesblatt und zur Förderung des Volkswohles ungeeignet. Wird wohl mit seinen Vorstellungen von einer „besseren“ Landwirtschaft ähnlich sein!

Peter Silie
3 Jahre her

Die indische Kultur spricht dagegen, daß jemals etwas aus dem Land wird. Dafür werden sie die Welt mit zunehmend mehr CO2-Ausstoß beglücken, während hier unsere Hochkultur zerschlagen wird. Hier Verbot von Einfamilienhäuser, dort immer mehr Kohlekraftwerke und Bevölkerungsexplosion. So geht das.

Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Die Mainstreammedien berichten etwas einseitig, aber auch Sie, Herr Gadamer, sind nicht völlig neutral. Das Problem ist das gleiche wie vor 150 Jahren in Deutschland. Natürlich sind kleine Händler und Bauern unproduktiv, aber gleichzeitig können sie wenigstens sich und ihre Familien leidlich ernähren. Das Problem ist, dass ein Lebensmitteltransport und -verteilsystem nach westlichem Muster zwar vorteilhaft das Verderben der Ware schlagartig massiv reduzieren würde, aber gleichzeitig Millionen Arbeitslose produzieren würde, denn mit dem Einsatz von Technologie braucht es viel weniger Leute. Exemplarisch vor langer Zeit in der deutschen Literatur verarbeitet von Gerhard Hauptmann in „Die Weber“, einem ähnlich problematischen Berufsstand.… Mehr

Gottfried23
3 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Erwachsene Leute haben ihr doch erst den Schwachsinn in den Kopf gepflanzt.
Geistig -moralischer Kindesmissbrauch!

giesemann
3 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Roepke

In 30 Jahren sind die Inder doppelt so viele – vergiß es.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Straßen sind vollkommen kaputt und von tiefsten Schlaglöchern gezeichnet. Stromausfälle häufen sich.“
Zustände wie in der Bundesrepublik.

Zylinderbohrung
3 Jahre her

Die Großgrundbesitzer SIND Feudalherren. Die Menschen hatten früher ihren Raja oder Maharadja als absoluten Herrscher und heute sind diese Leute immer noch die Herren über den Boden oder sogar MP des Bundestaates wie Amarinder Singh, dessen Familie Punjab seit dem 16. Jahrhundert beherrscht. Und das sind keine kleinen Fürsten wie in Deutschland. Punjab ist größer als Niedersachsen.

W aus der Diaspora
3 Jahre her

Das ist alles richtig, richtig ist allerdings auch, dass viele kleine Bauern nun einmal unproduktiv arbeiten. Teilweise wird noch mit Ochsengespannen gearbeitet (selbst 2008 gesehen). Um die Produktivität zu erhöhen hat Modi eben auch erlaubt, dass ausländische Investoren das Land pachten dürfen. Damit besteht die Gefahr, dass zigtausende von Bauern ihre Minimalexistenz verlieren. Damit wird die Produktivität erhöht, was dem Land gut tut, aber die vielen Kleinstbauern sind die Verlierer. Es wäre sinnvoller gewesen LPGs/Genossenschaften zu etablieren. Zusammenschlüsse vieler Bauern, die gemeinsam dann Maschinen anschaffen können und gemeinsam die Ernte verkaufen. Der Weg den Modi geht wird am Ende im… Mehr

Wilhelm Roepke
3 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

: Soweit wird es nicht kommen. Indien ist eine (leidliche) Demokratie und eine Kulturrevolution von oben wie in China wird am Wähler scheitern. Modi wird einfach hinweggefegt werden, wenn er zu schnell vorgeht. Auch wenn die europäischen, amerikanischen und ostasiatischen Lebensmittelkonzerne das gerne sehen würden.