Polizei – ein Beruf so interessant wie das Leben

Für die Politik hat die Polizei keinen angemessenen Stellenwert. Doch jetzt, wo die Innere Sicherheit Konjunktur hat, kann die Polizei auf die Politiker und vielleicht auch ein wenig auf die Justiz zählen - und hoffentlich nicht wieder nur vorübergehend. Ex-Kommissar Norbert Zerr erzählt über seinen Beruf, was viele nicht wissen.

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Früher hatten große Kommunen noch ihre eigene Polizei mit gewissen Kompetenzen und eigener Uniform. Heute haben wir wieder in ähnlicher Weise den Gemeindevollzugsdienst, der polizeiliche Aufgaben, die sich auf das Hoheitsgebiet der Kommune beschränken und nicht so weitgreifend sind, wahrnehmen. Die Polizei ist dem jeweiligen Innenministerium unterstellt.

Im Bund gab es bis 2005 noch den Bundesgrenzschutz, der danach in die Bundespolizei überführt wurde, die man beispielsweise auf Bahnhöfen oder Flughäfen sieht. Die Uniformen und Streifenwagen haben sich im Laufe der Jahre vereinheitlicht und dem EU-Standard, in blau, angepasst.

Zu erwähnen sind noch die Sondereinheiten, wie GSG 9 und SEKs, die Spezialeinheiten der Polizei, für Terrorismusbekämpfung oder Geiselbefreiung und ähnlichen Eingriffen mit besonderer Gefährdungslage. Ein Direkteinstieg ist dort nicht möglich. Man muss zunächst den regulären Polizeidienst durchlaufen und kann sich zu einer Spezialeinheit bewerben. Es bedarf besonderer Voraussetzungen wie physische und psychische Belastbarkeit und Sportlichkeit.

Beziehe ich mich auf meine intensiven Erfahrungen, so war der mittlere Dienst das große Heer der Polizei. Ich bleibe beim Beispiel Baden-Württemberg. Ich wurde 1981 eingestellt. Der Prozentanteil des höheren Dienstes lag damals im einstelligen Bereich, der des gehobenen Dienstes im unteren zweistelligen. Gerade im ländlichen Raum blieb man lange in Besoldungsstufe A 8 (Polizeiobermeister) stecken. A 8 erstreckt sich heute von  etwa 2.400 € brutto mit Leistungsendstufe bis ca. 3100 €. Das Eingangsamt war damals nach abgeschlossener Ausbildung (2,5 Jahre) A 6 – Polizeihauptwachtmeister. Heute dauert die Ausbildung gleich lang, wobei man davon 1 Jahr praktische Erfahrung vor Ort sammeln kann. Dies war damals leider noch nicht der Fall.

Grober Überblick

Als ich damals eingestellt wurde, gab es die Möglichkeit, mit 17 und mittlerer Reife einzusteigen. Ein Direkteinstieg in den gehobenen Dienst war nicht vorgesehen. Das ist heute jedoch für Abiturienten und mit Fachhochschulreife möglich. Zu meiner Zeit suchte man noch junge Leute mit Hauptschulabschluss und Beruf. Für den gehobenen Dienst wurden damals pro Studienjahrgang etwa 100 Auserwählte zugelassen. Heute sind es pro Jahrgang um 400 Absolventen.

Ich hatte Hauptschulabschluss und Beruf. Bevor ich die zweieinhalbjährige Ausbildung beginnen konnte, musste ich den ABL machen. Das bedeutete Aufbaulehrgang und war nichts anderes als die Mittlere Reife. Diesen ABL absolvierte man bei der Polizei mit dem entsprechenden Gehalt. Heute hätte ich mit Hauptschule und Beruf die mittlere Reife automatisch (mit entsprechendem Notendurchschnitt). Vorausgegangen ist eine Auswahlprüfung, die heute noch den Entwicklungen angepasst bestanden werden muss.

Wer später von der Schutzpolizei zur Kriminalpolizei wechseln wollte, musste einen halbjährigen Kriminalfachlehrgang machen, den es heute auch nicht mehr gibt, sondern man kann nun direkt wechseln. Seit 1987 bekommen zudem Frauen den Zugang zur Schutzpolizei in Baden-Württemberg. In anderen Bundesländern war dies früher oder später der Fall, heute ist es überall möglich.

Im Laufe der Jahre stellte man fest, dass der Beruf so anspruchsvoll ist und das das Personal anteilig mehr qualifiziert sein müsste, also mehr gehobener und höherer Dienst erforderlich ist. Die Gewerkschaften fordern schon seit Jahrzehnten die zweigeteilte Laufbahn, also nur noch gehobener und höherer Dienst. Der gehobene Dienst ist mittlerweile auf 40 % aufgestockt worden. Der höhere Dienst wurde entsprechend angepasst.

Hauptmeister aus dem mittleren Dienst, die sich besonders mit ihren Leistungen hervorheben, können auch über einen Qualifizierungslehrgang, der damals acht Wochen betrug, das müsste heute auch noch so sein, in den gehobenen Dienst aufsteigen. Allerdings ohne Führungsaufgaben und nur bis A 11.

Sonst geht der Aufstieg nur über das Hochschulstudium, wo man zusätzlich den Hochschulgrad Dipl. Verwaltungswirt (FHPol), heute Bachelor, erworben hat. Das war dann auch der ersehnte Einstieg in die Kommissarlaufbahn, beginnend mit A9. Die Dienstgrade beziehen sich jeweils auf Schutz- und Kriminalpolizei. Bei der Schutzpolizei heißt es dann Polizeikommissar und bei der Kripo Kriminalkommissar. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie die Polizei dienstgrad- und besoldungsbezogen aufgestellt ist.

Polizeitabelle

Zum Vergleich: B2/B3 ist ein Bürgermeister einer Stadt/Gemeinde ab 10.000/15.000 Einwohner und die Präsidenten der neuen Präsidien in Baden-Württemberg nach der von der SPD so hochgelobten Polizeireform.

Damit hatten einige Wenige die Chance von A 16 nach B3 aufzusteigen. Der Rest ist, wie ich übereinstimmend höre, nicht so begeistert. Das hängt aber mit mehreren Faktoren zusammen, also nicht nur mit der Besoldung. A 16 hat ein Bürgermeister in Baden-Württemberg mit einer Gemeinde über 2.000 Einwohnern. Das Grundgehalt brutto in A 16 beträgt ca. 5.500 € und kann sich bis knapp 7.000 € erstrecken. Bei A 13 wären dies 3900 € bis 5100 €. Der Streifenbeamte findet sich im Durchschnitt bei A 10, ca. 2.700 € bis ca. 3.800 €. Die Besoldungszahlen sind öffentlich, Besoldungstabellen übers Internet problemlos abrufbar, wer dazu noch genauere Informationen wünscht.

So viel ist uns der Sicherheitsbeamte wert, der auch noch die Nächte für eine geringfügige finanzielle Aufbesserung von ca. 100-150 € um die Ohren schlagen darf. Neben den dienstlichen Belastungen kommen noch die unregelmäßigen Dienstzeiten, vor allem im Streifendienst oder entsprechenden Einsatz- und Ermittlungseinheiten, hinzu. Dies dürfte auch mit ein ausschlaggebender Grund dafür sein, warum so viele Ehen von Polzisten kaputt gehen oder sie dem Alkohol anheim fallen.

Lassen wir noch ein paar Zahlen sprechen 

Fragen Sie einmal im Bekanntenkreis, wie viel Polizeibeamte wir in Deutschland haben, die für unsere Sicherheit sorgen sollen und was uns das kostet. Dabei verschätzt man sich gern. In der Welt vom 05.02.2015 heißt es: „Das hoch verschuldete Italien hat 277.000, davon sind 8.500 Waldpolizisten – damit leistet sich das Land 33.000 Beamte mehr als das größere potentere Deutschland.“

Im Schnitt liegt die Polizeidichte bei 300 Beamten pro 100.000 Einwohner. Dem Behördenspiegel vom Februar 2016 war zu entnehmen, dass Bund, Länder und Kommunen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit 50 Mrd. Euro ausgeben. Relativ zur Wirtschaftsleistung sei dies weniger, als die Mehrheit der anderen europäischen Länder im Durchschnitt ausgeben. Da fällt einem sofort wieder der Stellenwert ein.

Wahlhelfer Polizei und ein abschließende Anmerkung

Dort wo Wahlen sind, wird die Polizei gern als Wahlhelfer herangezogen. Wie ich beschrieben habe, hat die Polizei – bei der Einschätzung bin ich ganz sicher in guter Gesellschaft – für die Politik keinen angemessenen Stellenwert. Doch jetzt, wo die Innere Sicherheit wieder an größter Bedeutung gewinnt, kann die Polizei auf die Politiker und vielleicht auch ein wenig auf die Justiz zählen; ja, vielleicht.

Wahlplakat CDU

Meist hält der Zustand der großen Versprechungen nur bis nach den Wahlen an. Voran die Sicherheitspartei, die gern wieder im Ländle regieren würde. Sie wissen wer damit gemeint ist. Jetzt stellt die Politik fest, dass ein Mehrbedarf an Polizei erforderlich ist. Nach aktuellen Zahlen, die auch von den Gewerkschaften genannt werden, fehlen bundesweit 20.000 Stellen.

Es ist etwas Besserung in Sicht. Im Ländle sollen 1.100 Stellen mittlerer Dienst und 300 gehobener Dienst hinzukommen. Bewerber scheinen genügend vorhanden zu sein. Es kommt nur noch auf die Qualität an. Im Großen und Ganzen sind die Einstellungs-Voraussetzungen noch ähnlich wie damals. Natürlich sind sie an die modernen Möglichkeiten eines Auswahlverfahrens angepasst. Nicht mehr möglich ist der Erwerb der mittleren Reife oder der Fachhochschulreife bei der Polizei; zumindest in Baden-Württemberg. Anscheinend gibt es genügend Bewerber mit Abitur, so dass dies gar kein Problem mehr darstellt.

Geändert hat sich auch noch, dass bestimmte Nationalitäten wie zum Beispiel Bewerber mit türkischer Staatsangehörigkeit oder Abstammung eingestellt werden, da sie Leute aus andere Kulturen besser verstehen. Voraussetzung ist, dass Bewerber auch das Türkische beherrschen. Hoffen wir, dass der Stellenwert der Polizei nicht nur vorübergehend besser erkannt wird.

Norbert Zerr, Hauptkommissar a.D., war 22 Jahre bei der Polizei, engagierte sich in der CDU, war Bürgermeister und gab 2000 zusammen mit Professor Adolf Gallwitz das Buch Horrorkids? heraus.

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