Der erste BlackRock-Wahlkampf in Deutschland

Der Wahlkampf 2025 dreht sich nicht nur um politische Programme, sondern auch um Schlagworte, die sich tief ins Bewusstsein der Wähler eingebrannt haben. Im Zentrum: Friedrich Merz und der Vorwurf, als „BlackRock-Merz“ ein Symbol für unkontrollierte Finanzmacht zu sein. Wie berechtigt sind die Vorwürfe wirklich? Von Saskia Ludwig

picture alliance / epd-bild | Tim Wegner

Man kann darüber philosophieren, ob der Wahlkreis 60 mit der Stadt Brandenburg an der Havel und insgesamt drei Landkreisen der Mark Brandenburg repräsentativ für die gesamte Republik ist. Aber an einem Spitznamen kommt man wahrscheinlich auch in Flensburg und München nicht vorbei: BlackRock-Merz! Interessiert höre ich den Bürgern zu, wenn sie wiedergeben, was man aus der Zeitung oder dem Bekanntenkreis alles über den CDU-Vorsitzenden gehört habe. „Der war sogar Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland“, heißt es, oder „der hat als BlackRock-Lobbyist gearbeitet, dann kann er aber doch nicht Kanzler werden!“ Die Aussprüche ließen sich noch in verschiedensten Ausführungen fortsetzen. Immer verbunden mit einem Wort: BlackRock! Als mir der „BlackRock-Merz“ das gefühlt fünfzigste Mal begegnet war, fragte ich die ältere Dame, die offensichtlich mit ihrer Enkelin an der Hand vor mir stand: „Wissen Sie eigentlich, was BlackRock ist?“

Die Antwort kam wie aus der Pistole: „Das sind die übelsten Heuschrecken und Finanzhaie aus Amerika.“ „Und was machen die so Schlimmes?“ fragte ich zurück. „Die kaufen alles auf und diktieren die Preise in Deutschland. Und Herr Merz will jetzt sogar für alle Kinder staatlich gesponserte Kapitalmarktdepots, diese ETFs von BlackRock und Co. mit Steuergeldern finanzieren. Das stinkt doch bis zum Himmel.“ „Aber was ist die Konsequenz?“ fragte ich die sichtlich erzürnte Rentnerin. „Schauen sie sich die Adidas-Sneaker Ihrer Enkeltochter an. Ihrer Logik folgend dürfte sie nicht nur die drei Streifen von Adidas aus ihrem Kleiderschrank entfernen, ab sofort kein Germany’s Next Topmodel auf ProSieben mehr schauen und auch Kellogg’s Cornflakes wäre ebenfalls Geschichte.“ Zwei entgeisterte Gesichter schauten mich an. „Ich kann die Liste gerne fortsetzen mit Firmen, an denen BlackRock im Hintergrund beteiligt ist bzw. war.“ Und da ich offensichtlich zwei interessierte Zuhörer gewonnen hatte konnte ich etwas breiter ausholen:

„Was macht denn Blackrock? Larry Fink und seine ‚BlackRock-Haie‘, wie Sie sagen, bekommen von Menschen wie Ihnen ihr Erspartes gegen das Versprechen von Rendite und Sicherheit. Meistens ohne wirklich nachzufragen, was mit dem eigenen Geld später passiert. Manch einer mag zu recht abgeschreckt von einem Finanzsystem sein, das vielleicht zu kompliziert oder auch einfach zu langweilig erscheint. Und dann heißt es bei einer großen deutschen Boulevardzeitung: ‚ETFs kaufen ist so einfach wie Pizza zu bestellen‘. Wem genau machen Sie jetzt den Vorwurf, dem Pizzabäcker BlackRock oder Jenem, der die Pizza online bestellt hat?“

Mit so einer Antwort hatte die Dame offensichtlich nicht gerechnet. Sie drehte sich auf der Stelle um und ging mit ihrer Enkelin an der Hand wortlos in den hinter uns befindlichen Rewe-Supermarkt. Den finalen Satz, dass „Friedrich Merz als Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Asset Management Deutschland als einem unbedeutenden Ableger des US-Vermögensverwalters maximal der Pizzalieferant war“, hatte sie sicher nicht mehr gehört.

Diskussionen wie diese gehören im Bundestagswahlkampf 2025 zum Tagesgeschäft. Das Grundproblem bei dieser Diskussion ist aber nicht die rund vierjährige Tätigkeit von Friedrich Merz bei BlackRock, sondern das latente Gefühl der Bürger, dass die Politik „sowieso“ nicht mehr Herr der Lage – insbesondere des Finanzgeschehens – in Deutschland sei. Sollten deshalb in den nächsten Tagen und Wochen aus dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin Forderungen nach einer Stärkung der Kartellwächter oder der Finanzaufsicht insgesamt kommen, wäre dies sicher Balsam für die Wahlkämpfer vor Ort. Den Namen des einflussreichsten globalen Finanzkoloss BlackRock kennen mittlerweile gefühlt 90 Prozent der Wähler. Vielleicht sollte man an dieser Stelle wieder Ludwig Erhard in Erinnerung rufen, der ein Gegner jeglicher Monopole war. Und an globale Monopoltendenzen, wie sie BlackRock forciert, war zu seiner Zeit sicher noch nicht im Ansatz zu denken. Mit einer Grundüberzeugung, dass die freie Marktwirtschaft der Schlüssel zu Wohlstand in einer kleinen Stadt wie Brandenburg an der Havel, aber auch ganz Deutschland ist, lassen sich alle linken Schmutzkampagnen ganz entspannt entzaubern:

Wir schreiben den Monat November des Jahres 2018, als die Geschäftsräume von BlackRock in München von der Polizei durchsucht worden sind. Also genau zu jener Zeit, als auch Friedrich Merz seine Brötchen bei Larry Fink verdient hat. Diesen Umstand haben die Jusos sauber recherchiert. Anlass für die damalige Durchsuchung war aber der Cum-Ex-Skandal. Jener Begriff Cum-Ex, der bis heute mit dem Traditionshaus Warburg in Hamburg und Bundeskanzler Olaf Scholz höchstpersönlich eng verbunden ist. Aber das scheint den Sozi-Nachwuchs nicht sonderlich zu interessieren. Hauptsache, sie haben ihren Lieblingskampfbegriff „BlackRock“ wieder vom Stapel gelassen. Warum Friedrich Merz und Olaf Scholz überhaupt mit dem „lukrativsten Bankraub aller Zeiten“ in einem Atemzug genannt werden, kann bis heute nur vermutet werden.

Im Jahr 2021 hatte der Bundesgerichtshof hierzu geurteilt, dass Cum-Ex-Geschäfte rechtlich als Steuerhinterziehung zu werten sind. Eine Schlüsselrolle bei diesem „Bankraub“ spielt dabei die Aktienanleihe, denn nur so lässt sich mit Cum-Ex überhaupt erst richtig Geld verdienen. Die Aktien, für deren Dividendenausschüttung die Cum-Ex-Abzocker die Steuererstattung forderten, waren aber in der Regel nur geliehen. Und um Cum-Ex lukrativ zu machen, braucht man sehr viele Aktien. Die sogenannte „Aktienanleihe“ ist in einem Schattenreich der Wall Street angesiedelt. BlackRock mit seinen Indexfonds wäre ein potentieller Geschäftspartner. Und nun stellt sich die alles entscheidende Frage, ob BlackRock den Cum-Ex-Zockern die notwendigen Aktien geliehen haben? Auf diese und auch noch viele andere Fragen gibt es bisher keine Antworten.

Deshalb wäre es nicht nur für die engagierten Wahlkämpfer im Januar und Februar 2025 ein Segen, wenn weiterhin nicht nur Banken genau unter die Lupe genommen werden, sondern auch die vermeintlich so harmlosen Vermögensverwalter (die Pizzabäcker der ETFs). Es ist unbestritten, dass BlackRock in puncto Größe, Einfluss und Reichweite mittlerweile sein eigenes Finanzsystem geschaffen hat. Deshalb wäre es das Mindeste, als normaler Bürger zu erfahren, welche Folgen ein solches Finanzsystem im Finanzsystem für uns alle hat? Denn viele von uns erinnern sich noch gut an die Weltfinanzkrise 2007/2008. Damals wie heute eng mit einem Namen verbunden: Larry Fink.

Der Herr aus New York steht am 23. Februar 2025 aber nicht zur Wahl, Friedrich Merz und Olaf Scholz hingegen schon. Von Letzterem erwartet man eigentlich nichts mehr, denn der Satz „Ich kann mich daran nicht erinnern“ ist jetzt schon in den Geschichtsbüchern für alle Zeit verewigt. Bei Friedrich Merz hingegen gibt es die große Hoffnung, dass er sich als Bundeskanzler freischwimmt von seinem Job als „BlackRock-Pizzabote“ hin zu einem Mann, der im Sinne Ludwig Erhards als Bundeskanzler wieder Herr der Finanzen in Deutschland wird.

Saskia Ludwig ist Abgeordnete der CDU im Landtag Brandenburg und Unternehmerin.


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Kommentare ( 55 )

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Altchemnitzer
23 Tage her

Ein Merz, der einen Habeck als Witschaftsminister haben möchte wir wohl selbst noch in der Ausbildung sein. Ob es aber wirklich die Tätigkeit des BRD Kanzlers sein muß?

CaTo23
24 Tage her

Wem bereits, wie Merz, im Wahlkampf das Wasser bis zum Hals steht und er droht unterzugehen, wird sich als Kanzler nicht mehr freischwimmen. Und Ludwig Erhards Schuhe sind Merz nun wirklich ein paar Nummern zu groß. Meine Prognose: Merz wird Merkel 2.0. Mehr wird es wohl nicht.

Nibelung
24 Tage her

Er war einer der fleißigsten Lobbysten innerhalb der Politikerriege und Black Rock war nur sein großtes Aushängeschild, wobei er sich für viele Unternehmen und ihre Interessen einsetzte und in den Aufsichtsräten saß und das alles über sein politisches Fundament, was er dann über viele Jahre persönlich nutzte und wahrlich nicht arm dabei geworden ist, egal ob es dann Bürgerinteressen gedient hat oder auch nicht. Wer nun dem Altkanzler oder seinen Mitkämpfern einen Vorwurf macht, sich mit hoher Wahrscheinlichkeit für Entgeld vor den Karren spannen zu lassen, sollte auch mal in den eigenen Reihen suchen, denn da paßt auch nicht alles… Mehr

Helfen.heilen.80
24 Tage her

Des intellektuellen Anspruchs halber sollte man nicht zu einem Thema schweigen, nur weil sie ein einträgliches PR-Spielzeug des progressiven Milieus sein mag. Trotz unterschiedlicher politischer Verortung kann es m.E. eine Berechtigung haben. Geneigte Zeitgenossen mögen befürworten, dass Firmen erst durch Börsennotierung das Kapital erlangen, das sie zur Entwicklung „toller“ Produkte brauchen. Allerdings liegt die Pointe in der Beschränkung dieser taktischen Abläufe auf den Bereich der Finanzökonomie. Die Weltwirtschaftskrise 1929 hat uns plastisch gelehrt, was passiert, wenn Interessen der Finanzmärkte zu großen Einfluß auf den Bereich der Politk bzw. Gesetzgebung haben. Die Lehre aus dieser Katastrophe war der Glass-Steagall-Act, der das… Mehr

Last edited 24 Tage her by Helfen.heilen.80
F. Hoffmann
25 Tage her

Jaja, bei Merz hofft man und hofft man und hofft man. Und schon kommt der nächste Fallrückzieher, die nächsten 3 Fettnäpfchen, die nächste Grünen-Anbiederung… Und man schaut und hofft und hofft und…

Ohanse
25 Tage her

Um es nochmal ganz klar zu sagen: Das Amt des Bundeskanzlers ist kein Ausbildungsplatz. Jemand, der sich erst „freischwimmen“ muss, hat dort nichts verloren. Wie lange soll das denn gegebenenfalls dauern? Aber kein Wunder, daß Merz dann ähnlich begabte wie Robert Habeck wieder in die Bundesregierung holen will.

Ali Mente
25 Tage her

Omas sind leider sehr oft durch den ÖR fehlgeleitet, außerdem haben sie häufig keine wirkliche Aufgabe mehr, dann kommt es zu solchen schlimmen Auswüchsen, wie bei den Omas gegen Rechts, die mit allen Mitteln verhindern wollen, das Kinder wieder in Sicherheit spielen und zur Schule gehen können. Und zu Merz ist es wichtig, dass alle Wähler nicht vergessen, dass er gerne 10% der Sparguthaben der kleinen Leute haben möchte, dass er ein extremer Befürworter des Impfzwangs war und dass er sich weder von BlackRock noch von Merkel losgeschwommen hat. Er hat sich eingemauert und kann nur noch mit Ampelparteien, also… Mehr

chino15
25 Tage her

Guter Versuch, aber nicht überzeugend. Die BlackRock-Vergangenheit ist für mich das geringere Problem. Hauptprobleme bei Merz sind die komplett fehlenden „cojones“. Erst hat er sich widerstandslos von Merkel ausboten lassen, jetzt fällt er fast täglich vor dem linksgrünen Mainstream auf die Knie – und merkt noch nicht einmal, dass sich die Welt gerade im Wandel befindet. Wie kann man einem „konservativ-liberalen“ Kanzlerkandidaten vertrauen, der behauptet Milei würde Argentinien „ruinieren“, der den Ukraine-Krieg eskalieren und die Meinungsfreiheit noch weiter einschränken will? Wer glaubwürdig liberal-konservative Politik zu vertreten will, muss zunächst die unsägliche Brandmauer zur einzig echten Oppositionspartei einreißen, statt weiter mit… Mehr

Ohanse
25 Tage her
Antworten an  chino15

In der zweiten und 3. Reihe lauern dann so Vertreter wie Paul Ziemiak und Norbert Röttgen auf die nächste Gelegenheit. Nein, da ist kein brauchbares Personal mehr dabei. Bevor da Ersatz nachwächst, ist die CDU bereits in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Deswegen ist es für junge Leute auch völlig sinnlos, sich noch in der CDU zu engagieren. Zeitverschwendung.

Bronstein
25 Tage her

ETF sind ja steuerlich etwas begünstigt. Unter anderem gibt es die sogenannte „Teilfreistellung“. Das bedeutet, dass man weniger Abgeltungssteuer bezahlt. Negativ ist die fehlende Quellensteueranrechnung. Die ist allerdings nur bei Dividendenaktien wichtig. Auf Kursgewinne zahlt man gar keine Quellensteuer. Es gibt weitere Vorteile für ETF. Ja wieso eigentlich?! Ich vermute da effektive Lobbyarbeit der Private Equity Unternehmen. Die Abgeltungssteuer gibt es seit 2008. Herr Merz spielte dabei möglicherweise keine Rolle.

Last edited 25 Tage her by Bronstein
Kaltverformer
25 Tage her

Merz vermittelt keine Aufbruchs- oder Änderungsstimmung, sondern ein weiter dieser den Niedergang verwaltenden Verzweiflung. Er wird immer unter der Fuchtl von Merkel stehen, die nach wie vor ihr Zerstörungswerk im Hintergrund verteidigt. Solange er sich nicht in eindeutiger Weise in Wort und Tat von dieser Frau und ihrer Entourage distanziert, solange bleibt er ein Schwätzer vor dem Herrn. Wer lieber mit einem Habeck als Wirtschaftsminister abwracken, als mit einer Ökonomin Weidel die Wirtschaft wieder ankurbeln will, der hat noch immer nicht verstanden, wie sehr Deutschland geschädigt wird. Und da ist es völlig unerheblich, ob in der AFD ein rechtsextremer Rand… Mehr