Kleinere Parteien bei Hart aber Fair: Von Wahlkampf keine Spur

Bei Hart aber Fair streiten sich u.a. Christian Lindner, Alice Weidel und Katrin Göring-Eckardt. Weidel kommt wenig zu Wort und so versinkt die Sendung im Spätsommerschlaf. Wenige Tage vor der „Richtungswahl“ ein Armutszeugnis.

Screenprint ARD / hart aber fair

Eine knappe Woche vor dem Wahlsonntag hat Frank Plasberg die Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien auf seine Talkhocker gesetzt – „das parlamentarische Machtzentrum“, wie er sagt, ist bei ihm im Studio. Unter dem Slogan „Endspurt im Wahlkampf: Wer macht die letzten Punkte?“ soll es noch einmal richtig spannend werden – so der Gedanke.

Für Spannung sorgt zu Beginn direkt ein leerer Stuhl in der Mitte. FDP-Chef Christian Lindner fehlt, ist noch nicht im Studio. Es dauert ein wenig, bis der FDP-Chef kommt. Das Thema: was die Parteien für die ersten 100 Tage planen. Lindner, noch im Gehen und außer Atem, entschuldigt sich und wirft direkt ein: „Ich kümmere mich um die Verkehrsinfrastruktur.“ Es dauert keine zehn Sekunden, da referiert er schon über das Wirtschaftswachstum und einen „Jumpstart“ aus der Coronakrise heraus – sein Talkshow-„Jumpstart“ ist geglückt. Plasberg wird dem Liberalen seine Verspätung aber noch ein paar mal vorhalten.

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Beim Thema Corona und Impfen kommt es zur erwartbaren Konstellation: AfD gegen den Rest. Alice Weidel spricht sich direkt zu Beginn gegen Impfpflicht, 2G- und 2-Klassen-Gesellschaft aus. Vieles von dem, was sie sagt, wird aber von allen anderen im Studio gar nicht wahr- oder aufgenommen. Von Plasberg bis zu den Gästen beten alle das „schützen Sie sich und andere“-Mantra runter. Katrin Göring-Eckardt von den Grünen wirft Alice Weidel und allen Ungeimpften vor, sie würden „andere bewusst in Gefahr bringen.“ Sie fordert eine Impfpflicht für bestimmte Bereiche. Hier widersprechen Lindner und Amira Mohamed Ali, die Fraktionschefin der Linken. Letztere meint, dass das Moralisieren der Impfdebatte eher schade als helfe. Plasbergs Fragestellungen sind hier mit klarer Schlagseite versehen: Lindner kommt nicht umhin, den Moderator darauf hinzuweisen. „Sie argumentieren sehr stark für eine de facto Impfpflicht. Mit Verlaub: Sie stellen Fragen aus einer bestimmten Perspektive heraus.“

Es folgt eine Diskussion zur Spitzensteuer. Auch hier erwartbar: Amira Mohamed Ali von der Linken ist dafür, Rolf Mützenich von der SPD eigentlich auch, Christian Lindner, Alice Weidel und Ralf Brinkhaus eher nicht so. Mohamed Ali will hier „einfach mal die Wahrheit“ sagen – wie erfrischend. Als Lindner sie angriffslustig in die Mangel nimmt, kann sie nicht benennen, wie hoch der Spitzensteuersatz eigentlich überhaupt ist. Ist das eine Basis für Rot-Rot-Grün? Katrin Göring-Eckhardt redet drum herum. Rolf Mützenich äußert sich da schon kritischer und konkreter – Kapital habe gesellschaftliche Verantwortung, meint der Sozialdemokrat. Hier verschafft sich Alice Weidel mal wieder Gehör, fordert Steuersenkungen für die breite Masse der Steuerzahler – übrigens als einzige in der Runde.

Die CDU hat ausgedient
Welchen Unterschied macht es, grünrot mit einem Roten oder Schwarzen als Galionsfigur regiert zu werden?
Bleibt noch genug Zeit für die Parteienvertreter, die jeweiligen Kanzlerkandidaten in den Himmel zu loben. „Annalena ist die, die mit Mut und Tatkraft und übrigens auch Menschlichkeit on stage ist“, meint Göring-Eckardt über Baerbock. „Er hat im Grunde genommen eine Art und Weise, die richtig gut ist“, sagt Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus über Armin Laschet. Im Grunde genommen sind unsere Leute ja gut – die Leute wissen’s nur nicht.

Ganz am Ende kommt noch ein Thema auf, das in den bisherigen Debatten und Talkshows keine große Rolle gespielt hat: die Außenpolitik. Angesprochen auf den Nato-Hass der Linken rudert Amira Mohamed Ali zumindest leicht zurück: Ihre Partei wolle nicht sofort austreten, sondern die Nato zu einem „echten Friedensbündnis auch unter Einbindung Russlands weiterentwickeln“. Aus der Runde wird sie auf den NATO-Russland-Rat hingewiesen. Die Erkenntnis: Die Sabotage der Westbindung ist und bleibt Linken-Programm.

Fazit: Überzeugend wirkte die Runde nicht. Was mit sechs Spitzenpolitikern eigentlich hätte ein Talk-Hochkaräter werden könnte, wird zu einer Show im abgesteckten Raum. Alice Weidel kommt kaum zu Wort – und der Rest der Runde zankt sich, ohne große Unterschiede wirklich deutlich zu machen. Die Runde repräsentiert den Wahlkampf – leidenschaftslos.

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Kommentare ( 33 )

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33 Comments
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Eberhard
2 Jahre her

Alles, was da als Angebote an die Wähler kam, ist genau-so fade und wirklichkeitsfremd wie das bisherige Wahlgefasel. Keine Partei scheint die wirklichen Herausforderungen der heutigen Welt und erst recht nicht der Zukunft überhaupt nur annähernd verstanden zu haben. Wobei noch hinzukommt, dass alle, die dort das Wort ergriffen, sich kaum in der tatsächlichen Situation der großen Masse ihrer Bürger hinein versetzen können. Am Beispiel der Steuern lässt sich das besten erklären. Alles was da an Vergleichen und Belastungen samt Veränderungen von Reich und den weniger Reichen vorgebracht, ging von völlig fehlerhaften Annahmen aus. Leider ist mir keine Statistik zugänglich,… Mehr

country boy
2 Jahre her

Den „Wahlkampf“ können die Entscheider in Politik und Medien jetzt schon als vollen Erfolg verbuchen. Es ist gelungen, die Themen Migration, Islam und Demographie völlig aus den Medien herauszuhalten. Und das trotz der Afghanistan-Krise! Mit Demokratie hat das nur noch am Rande etwas zu tun.
Dieser Wahlkampf hat auch einmal mehr gezeigt, dass die Sender NDR und WDR unfähig sind, eine Talkshow mit politischen Inhalten zu gestalten. Nun sollten andere Sendeanstalten einmal eine Chance bekommen. Schlimmer kann es kaum werden.

Last edited 2 Jahre her by country boy
Peter Gramm
2 Jahre her

Pressekonferenz am Montag, den 20.09.2021 ab 16 Uhr im Live-Stream …wurde schlagartig bei you tube gelöscht. Es war scheinbar zu viel Wahrheit über die Impfbrühe die den Menschen verabreicht wird.

W aus der Diaspora
2 Jahre her

Die Runde repräsentierte vor allem die Unwissenheit der Spitzenpolitiker.
Und wenn die Spitzen schon nichts wissen, was soll dann wohl weiter unten los sein?

Dummheit ist für mich nicht wählbar!

Willi4
2 Jahre her

Und wieder kamen die wirklich wichtigen Politikfelder nicht zu Sprache. Weder Migration noch Schuldenunion oder eine wirklich kritische Diskussion des Klimahypes sind für die Mainstreamparteien diskussionwürdig. Lediglich Frau Weidel versuchte sich in einem Vorstoß auf die angeschlagene Rechtsstaatlichkeit. Diese Attacke wurde aber von allen anderen einschl. Moderator ignoriert. Man hält halt zusammen.

axel58
2 Jahre her

Herr Plasberg hat sich mal wieder sehr unfair gegenüber Frau Dr. Weidel gezeigt. Wenn Sie mal reden durfte unterbrach er sehr schnell, oder er ließ sie garnicht erst zu Wort kommen.Plasberg sollte wohl auf Anweisung nicht noch mal so ein Fauxpas erleben wie bei Herrn Meuthen der unter anderem dem hessischen Wirtschaftsminister Al Wazir bescheinigte keine Ahnung von Wirtschaftspolitik zu haben. Ähnlich hatte das Frau Weidel mit Herrn Lindner gemacht. Und das musste unbedingt verhindert werden.

Deutscher
2 Jahre her

Interessant ist, dass in diesen Shows bei Plasberg und Lanz immer der Teilnehmer, welcher in die Zange genommen werden soll, direkt neben den Moderator gesetzt wird – also zwischen ihn, sozusagen den Inquisitor, und den restlichen Teilnehmern, die ihre Ablehnung des Delinquenten eint. Das geschieht nicht ohne Absicht.

Protestwaehler
2 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Viel interessanter sind oftmals die Gestalten, die von der Regie direkt hinter den „Klassenfeinden“ platziert werden um jede ihrer Aussagen mit abfälligen Gesten kommentieren. Laienschauspieler?

Boudicca
2 Jahre her

Besetzt war die Runde fast nur mit politischen Versagern. In der Coronakrise hat sich gezeigt, wie schnell sie alle bereit waren unser Grundgesetz und die Freiheit der Bürger über Bord zu werfen, sich selbst zu entmündigen und das Rest-Parlament der Willkür Merkels und den Ministerpräsidenten zu überlassen.
Ob sie es wahr wollen oder nicht, die von ihnen geschmähte Alice Weidel hat nicht in das Panikhorn von Merkel geblasen.

Anja W.
2 Jahre her

Man hatte den Eindruck, Alice Weidel war als „demokratisches Alibi“ eingeladen worden, weil man vor der Wahl doch so tolerant ist, um auch der Vertreterin einer sogenannten “undemokratischen Partei“ die Chance zu geben, sich vor großem Publikum zu blamieren. Leider funktionierte das nicht, da das Publikum eine studierte und promovierte hochintelligente Politikerin sah, die etwas zu sagen hatte und der eine KGE oder eine AMA nicht das Wasser reichen konnten. So wurde sie bald nicht mehr gefragt, während Grüne und Linke auch ungefragt ungestört plappern durften. Es wurde ganz deutlich, dass Rot-Rot-Grün hier eine Stimme bekommen sollte.Gott sei Dank dämpfte… Mehr

littlepaullittle
2 Jahre her

„… Mut und Tatkraft…“
Stimmt doch.
Es ist schon sehr mutig Kanzler sein zu wollen …. mit Plagiaten, Lebenslaufauffrischung, Falsch- und Fehlaussagen, Unwahrheiten …..
Jeder muss seine Lebensluege aufrecht erhalten.