Plagiatsjäger Weber findet noch mehr Schwindel bei Habecks Ex-Staatssekretär Graichen

Die Vorwürfe gegen den Habeck-Vertrauten Patrick Graichen erhärten sich. Medienwissenschaftler Stefan Weber entdeckt weitere Plagiate in Graichens Doktorarbeit – und das in beachtlicher Länge und Anzahl. Webers Kommentar zum Ex-Staatssekretär: „Man kann ihm wissenschaftlich nicht trauen.“

IMAGO / Frank Ossenbrink

Wegen Vetternwirtschaft musste sich Robert Habeck (Grüne) zunächst von seinem Vertrauten Patrick Graichen (51) trennen. Doch seit der Staatssekretär im Klimaschutz-Ministerium seinen Hut nehmen musste, wird auch seine wissenschaftliche Qualifikation zunehmend in Frage gestellt.

Nachdem bereits Plagiats-Experte Jochen Zenthöfer 30 Verdachtsstellen in Graichens Doktorarbeit („Kommunale Energiepolitik und die Umweltbewegung“) für die „Bild“-Zeitung gefunden hat, macht der österreichische Plagiatsjäger Stefan Weber (52) noch weitere Funde. Die Menge der heimlich abgeschriebenen Stellen dürfte demnach weit umfangreicher sein, als bisher angenommen. Weber stieß bisher auf 18 zusätzliche Stellen von durchaus beachtlicher Länge auf den ersten 100 der insgesamt 268 Seiten starken Arbeit, wie er dem eXXpress mitteilte.

Stefan Weber: Eindeutiges Täuschungsmuster

Die Fundstücke ließen ein „eindeutiges Täuschungsmuster“ erkennen, sie sind so umfangreich, dass Weber ein Versehen ausschließt. Graichen hat sich bei den mutmaßlich abgeschriebenen Stellen auf Texte der Soziologen Karl-Werner Brand, Dieter Rucht, Kai-Uwe Hellmann sowie des Politikwissenschaftlers Martin Jänicke gestützt.

Zwei Beispiele:

Rechts das mutmaßliche Original des Soziologen Alexa Michaelowa, links die Doktorarbeit von Patrick Graichen.Screenshot

Rechts die Textauszüge des Soziologen Karl-Werner Brand, links die Version von Graichen.Screenshot

Verstoß gegen gute wissenschaftliche Praxis?

Bereits Plagiats-Experte Zenthöfer sah „evidente Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis“. Graichen hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Die beanstandeten Stellen würden alle aus dem „ersten Teil der Arbeit, der eine historische Hinleitung zum eigentlichen wissenschaftlichen Kern-Thema der Arbeit darstellt“, stammen, meinte er gegenüber der „Bild“.

Diesen Einwand bezeichnet Stefan Weber gegenüber dem eXXpress als „irreführende Relativierung des Plagiatsproblems. Denn in 99 von 100 Fällen betreffen Plagiate ebendiese Teile einer Doktorarbeit.“ Doch genau hier liege das Problem. Denn es widerspreche dem Qualitätssicherungskonzept der „guten wissenschaftlichen Praxis“, das 1998 in Deutschland eingeführt worden sei. „Graichen hat sich nicht daran gehalten. Also kann man ihm wissenschaftlich nicht trauen.“

Uni Heidelberg hat das letzte Wort

Es liegt nun an der zuständigen Universität Heidelberg, die Doktorarbeit zu überprüfen. Die Wiener Uni hatte trotz zahlreicher Plagiatsfunde in der Dissertation von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) – darunter Inhaltsverzeichnis und Conclusio am Ende – das Verfahren eingestellt und die konkreten Vorwürfe entkräftet.


Der Beitrag von Stefan Berg ist zuerst bei exxpress.at erschienen.

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Kommentare ( 10 )

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Hieronymus Bosch
10 Monate her

Ja, abschreiben ist doch bei unseren Politikern eher die Regel als die Ausnahme. Insofern ist Graichen doch in bester Gesellschaft!

Peter Gramm
11 Monate her

ich finde dieses ganze Wissenschaftsgedöns, insbesondere im geisteswissenschaftlichen und anderen, nicht MINT, Bereichen ist von gestern. Es wäre doch viel einfacher bei Einreichung dieser „Wissenschaftsblätter“ Plagiatsjäger drüber schauen zu lassen. Die Lehrstühle wo solche „Expertisen“ eingereicht werden sind der falsche Ort. Diese Leute leben doch davon dass diese „Wissenschaftlichkeit“ verbreitet wird. Glaube kaum dass die Verantwortlichen nachvollziehbar erklären können wo und wodurch in dieser „Doktorarbeit“ des Herrn Graichen bahnbrechende, noch nicht bekannte, für die Forschung völlig neue Erkenntnisse, einen Doktortitel rechtfertigende Erkenntnisse zu Tage gefördert wurden. Durch solche „Vorkommnisse“ gerät der Forschungs- und/oder Bildungsstandort Deutschland immer mehr unter Druck. Die… Mehr

GefanzerterAloholiker
11 Monate her

Wieso wird nicht alles an Verdachtsmomenten veröffentlicht, um der Uni Heidelberg Transparenz zu gewährleisten?
Die Uni fällt ja ihr Urteil, aber die zahlenden Gäste (wir) haben ein Recht darauf zu erfahren, auf welcher Basis.
Also ich finde die hier gezeigten Passagen verheerend für Graichen, weil er sie offen umdichtete.

alter weisser Mann
11 Monate her

„Wissenschaftlich“ ist schon dem Thema des Doktorhütchens nicht zu trauen. Das „Trauen“ bzgl. Graichen richtet sich auf andere Eigenschaften, z.B. Ehrlichkeit oder Integrität, die er durch sein plagieren vorzeigt.

Ulric Viebahn
11 Monate her

Danke: Die Gegenüberstellung von Original und Abschreibung ist unterhaltsam und entlarvend zugleich. Es ist verlogen, Erkenntnisse anderer (die einem von Fleiß und Intellekt und Erfahrung her voraus sind) als die eigenen auszugeben. Das gibt auch eine gewisse Sicherheit, daß einem nicht eigener bullshit herausrutscht. Neurotheologie: „Wie Glaube im Gehirn entsteht.“ Und zum Abschreiben wird man in den Geisteswissenschaften oft gezwungen, wenn man sich nicht auf Neuland traut.

Marcel Seiler
11 Monate her

Aus dem Artikel geht nicht hervor, ob er die von ihm offenbar benutzten Quellen überhaupt nicht nennt, oder ob er sie nennt, allerdings nicht Gedanke für Gedanke mit seinem eigenen Text verknüpft. Das erste würde ich für ein echtes Plagiat halten. Das zweite eher für eine formale Lässlichkeit oder nicht einmal das, je nachdem, wie kleinlich man Zitierpflichten auslegt. Wichtig ist, dass er klar macht, wo er seine Gedanken her hat.

Ich erwarte weitere Details zu dem Thema. Und, nur dass das klar ist: Ich hege keinerlei Sympathien für den Mann. Absolut keine.

Farbauti
11 Monate her
Antworten an  Marcel Seiler

Zitierpflichten sind klar und eindeutig geregelt. Stört manchmal den Lesefluss, aber wenn man es denn so haben will ist es halt so. Geht ja nicht um Prosa.
So schwer ist das auch gar nicht, also haben wir es hier mit Faulheit, Unterbegabung oder Frechheit im Sinne von Betrug zu tun.
Ich meine da wird an Diplomarbeiten FH ein größerer Anspruch gestellt.
Eigentlich müssten das schon Abiturienten lernen, ob das heute so ist weiß ich aber nicht.

Last edited 11 Monate her by Farbauti
Stefan Tanzer
10 Monate her
Antworten an  Marcel Seiler

Das spielt gar keine Rolle. Die Zitierpflichten sind hinreichend klar. Es muss genau zitiert werden und möglichst nahe zur Originalquelle. Die Arbeit muss in jedem Fall eine klare Unterscheidung zwischen Eigen – und Fremdarbeit aufweisen. Sätze ohne Quellenangaben sind Sätze, die als Eigenleistung gelten. Sätze, bei denen später herausgefunden wird, dass sie ohne Zitierung in anderen Quellen stehen werden auch Plagiate genannt. All das ist fester Bestandteil der Curriculae von Bachelorstudiengängen. Falschzitation ist übrigens ein ganz anderer Sachverhalt, wenn ein Autor zitiert wird, aber bei Durchsicht der Originalquelle auffällt, dass der Autor diesen Gedanken nicht geäußert hat. Was Sie hier… Mehr

Orlando M.
11 Monate her

Leicht umformulieren war schon vor 20 Jahren ein Betrugsversuch, nun erwischt es den Richtigen. Derselbe Pfusch beim Heizungsgesetz, wobei ich bei der Überzeugung bleibe, dass dieses ein wichtiger Grund war, Graichen rauszuwerfen. Ein Hinweis darauf ist, dass Habeck als Begründung Dinge ausgebuddelt hat, die längst bekannt waren. So lässt man seinen besten Mann einfach nicht fallen. Die Grünen hoffen auf steigende Popularität, wenn sie Graichen möglichst geräuschvoll entsorgen. Immerhin trifft es den Richtigen.

Last edited 11 Monate her by Orlando M.
Vau8
11 Monate her
Antworten an  Orlando M.

„Immerhin trifft es den Richtigen.“
Das wäre Habeck, den es (leider) noch nicht getroffen hat.