Linke nach Gründung ratlos: „Ein Angriff auf Bodo Ramelow“

Der Vorsitzende der Linken Martin Schirdewan zeigt sich ratlos und hilflos, nachdem Sahra Wagenknecht die Gründung einer eigenen Partei angekündigt hat. Janine Wissler taucht gleich gänzlich ab.

IMAGO / Fotostand
Martin Schirdewan, Vorsitzender der Partei Die Linke, Pressekonferenz, Berlin, 23. Oktober 2023
Die Linke hat gleich zwei Bundesvorsitzende. Doch wenn es unangenehm wird, muss Martin Schirdewan alleine auftreten. Janine Wissler mag es nicht, wenn es unbequem wird, droht dann, Interviews abzubrechen. So musste Schirdewan in letzter Zeit öfter allein auftreten. Nach den derb verlorenen Wahlen in Hessen und Niedersachsen und jetzt, nachdem Sahra Wagenknecht mitgeteilt hat, zum Jahreswechsel ihre eigene Partei gründen zu wollen.

Überraschend kam das nicht. Trotzdem hat das die Linken überrollt. Selbst einfache Fragen konnte Schirdewan auf der Pressekonferenz nicht beantworten. Zuerst müsse der Parteivorstand an diesem Montagabend tagen – und selbst da würden noch nicht alle Entscheidungen getroffen. Schirdewan hatte lediglich Kampfansagen, Schuldzuweisungen und Polit-PR zu bieten.

Die Situation in der Linken ist bizarr und damit nur bedingt übersichtlich: Neun oder zehn Abgeordnete sind mit Sahra Wagenknecht aus der Partei „Die Linke“ ausgetreten. Sie sind aber noch Mitglied der Bundestagsfraktion. Das wollen sie bis zum Jahreswechsel bleiben. Denn sonst verlöre die Fraktion ihren Status, hätte weniger Rechte und bekäme vom Steuerzahler weniger Geld. Amira Mohamed Ali ist die Vorsitzende des Vereins BSW, der die Gründung der Wagenknecht-Partei vorbereitet. Gleichzeitig ist sie noch Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag. Sie sagt, die Abtrünnigen wollen vorerst in der Fraktion bleiben, um deren Geld und deren Jobs zu sichern.

Ob die Fraktion die Abtrünnigen aus diesen Gründen in der Fraktion belässt, gehört zu den Entscheidungen, die Schirdewan erst noch beraten will. Dabei geht es um zwei Monatsgehälter für Leutenschen, die gut verdient haben und erstmal durch ein großzügiges Arbeitslosengeld abgesichert sind. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Schirdewan es offensichtlich für möglich hält, dass Abtrünnige in der Fraktion bleiben. Eigentlich kann es keinen Zweifel darüber geben, dass jemand, der eine Partei verlässt, auch die Fraktion verlassen muss.

Seit einem Jahr diskutiert die Politszene über die Gründung der Wagenknecht-Partei. Wie offen die Debatte um die Zugehörigkeit der Abtrünnigen zur Fraktion ist, zeigt, wie wenig Schirdewan und die Linken faktisch auf diesen Schritt Wagenknechts vorbereitet waren. Dem Vorsitzenden bleibt so nur der Appell an die Abtrünnigen, ihr Mandat abzugeben. Dass die dies nicht tun, dürfte ihn aber kaum überraschen. Doch seine Empörung ist mal wieder ein Crash Linker mit der Realität.

Der Bürger wählt die Abgeordneten – auch wenn sie über die Liste ihrer Partei einziehen. Konservative Kritiker sagen, durch den Einzug über die Liste fühlen sich Abgeordnete eher der Partei als dem Bürger verpflichtet und würden sich entsprechend linientreu im Bundestag verhalten. Linke tun dies in der Regel als rechte Verschwörungstheorie ab. Wenn es Schirdewan nun als „höchst unmoralischen Diebstahl“ bezeichnet, wenn Abgeordnete ein Mandat ihrer Partei nicht zurückgeben, wenn sie diese verlassen, dann bestätigt der Linken-Vorsitzende aber diese „rechte Verschwörungstheorie“.

Der nächste linke Crash mit der Realität: In den Parteien ist es üblich, dass Abgeordnete einen Teil der üppigen Diäten an die Partei weitergeben. Das nennt sich zwar Mandatsträgerabgabe, wird aber formal als Spende gehandhabt. Denn so können die Abgeordneten das Geld von der Steuer abziehen und den Steuerzahler ein zweites Mal schröpfen. Nun verlangt Schirdewan von den Abgeordneten, die ausgetreten sind, dass sie ihrer ehemaligen Partei weiter spenden. Er kündigt sogar an, juristisch prüfen zu lassen, ob er sie dazu nicht zwingen kann: Weil die Spende genannte Summe in den Parteien gefühlt eine Abgabe ist, soll sie gesetzlich durchgesetzt werden – es tut Linken nicht gut, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden.

So sind dann auch Schirdewans weitere Auslassungen zu verstehen. Er sagt, der Bürger habe eine „starke linke Opposition verdient“ – ignoriert aber, dass der Bürger eine solche „starke linke Opposition“ zuletzt nicht mehr gewollt hat. Zudem kündigt Schirdewan eine Mitgliederoffensive an. Die gab es im letzten Jahr schon einmal. Da wollten die Linken eine Sammlungsbewegung gegen die aus ihrer Sicht unsoziale Politik der Ampel starten. Doch schon auf der Auftaktveranstaltung gab es hässliche Szenen: Linke beschimpften Linke lautstark und verdrängten sie von der Kundgebung, weil diese gegen Corona-Maßnahmen waren. Es sollte also eine Sammelbewegung werden für alle, die genau auf linker Parteilinie sind – nur gibt es halt davon nicht allzu viele. Es ist eine Perspektive der Wagenknecht-Partei, dass sie eine größere Meinungsvielfalt innerhalb ihrer Partei zulassen will.

Und selbst in der Einschätzung der Stärke der neuen Konkurrenz ist Schirdewan widersprüchlich. Einerseits nennt er es einen Angriff auf die Partei und einen „Angriff auf Bodo Ramelow“, dass die Wagenknecht-Partei nächstes Jahr bei den Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen antreten will. Andererseits tut er sie ab. Auf mögliche Koalitionen mit der Wagenknecht-Partei angesprochen, will er den starken Mann geben und tut dies ab: Man müsse erst einmal sehen, ob die Wagenknecht-Partei „überhaupt eine Rolle spielen wird“.

Schirdewan zeigt sich als ein Mann, der nicht auf die Gründung der Wagenknecht-Partei vorbereitet war. Oder wohl eher als einer, der mit der Situation überfordert ist. Aber immerhin ist er ein Mann, der sich zeigt. Seine Co-Vorsitzende Janine Wissler ist gänzlich abgetaucht. Dabei würde ihre Präsenz jedem eine Analyse darüber erleichtern, warum die Linke seit Jahren in einem Abwärtssog ist – und warum Sahra Wagenknecht nun ihre eigene Partei gründet.

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Kommentare ( 72 )

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Del. Delos
6 Monate her

W. musste sich den Vorwurf gefallen lassen, sie denke nicht an die arbeitslos werdenden Kollegen.
Nun muss die Partei Die Linke die Entscheidung selbst treffen – ein cleverer Schachzug von W.
Unabhängig davon aber gilt für mich:
Wagenknecht hat sich vom System instrumentalisieren lassen,
damit eine starke AfD verhindert wird.
Wagenknechts Lösung ist alter Wein in neuen Schläuchen:
● Migration wie vorher
● staatliche Eingriffe ins Privatleben wie vorher
● Steuern wie vorher
Wollen wir tatsächlich schon WIEDER Sozialismus???
Nur mit der AfD gibt es unsere Freiheit zurück.

November Man
6 Monate her

Da sagt einer mal die Wahrheit und schon wird sogar die Sitzung eines Untersuchungsausschussgen abgebrochen. Der frühere Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, hat Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und dessen Partei Die Linke in einem Untersuchungsausschuss als linksextrem bezeichnet. Dem Bundesverfassungsschutz habe der Linksextremismus in seiner Zeit als Präsident der Behörde große Sorge bereitet, „da mit Bodo Ramelow und seiner Partei Linksextremisten in diesem Land regierten“, sagte Maaßen am Dienstag in einer Sitzung des Untersuchungsausschusses zu politischer Gewaltkriminalität im Thüringer Landtag. Der Ausschuss brach die Befragung Maaßens daraufhin ab. Darauf habe sich der Ausschuss während einer nicht-öffentlichen Beratung verständigt. Die allgemeinen… Mehr

Del. Delos
6 Monate her
Antworten an  November Man

Klar haben sie das… solange das VS-Amt und das BVerfG in linker bzw. globalister Hand sind und die Justizminister gegenüber den Staatsanwälten weisungsbefugt sind.

Stuttgarterin
6 Monate her

Ja, Martin Schirdewan stellt sich immerhin. Das dürfte er von seinem Vater Karl gelernt haben, einer politischen Größe der DDR. Fairerweise zu ergänzen, eines Mannes, der es nicht einfach gehabt hat.

Delegro
6 Monate her

Frau Wagenknecht konnte die Linke nicht wie gewünscht kapern. Also versucht sie es über diesen Weg. Geschenke gibt es gratis dazu (vom Steuerzahler). Ihr behaltet Eure Kohle, den wir bleiben in der Fraktion. Dafür werde ich Euch dann zwingen, mir Eure Wähler zu geben. Die Linke ist eh am Ende. Gut so. Viele Wähler wird man da nicht bekommen können. Da sind kaum noch welche. Das wahre Gesicht wird Wagenknecht erst zeigen, wenn sie es tatsächlich schaffen sollte, in der Politik mitzusprechen. Und dann werden wir wieder die Linke erleben, die heute schon keine Rolle mehr spielt. Strategie. Von hinten… Mehr

Del. Delos
6 Monate her
Antworten an  Delegro

Mal sehen, wie lange es sich die anderen Mitglieder gefallen lassen, zu Fans degradiert zu werden. Das Bündnis trägt ja bereits ihren Namen… deutlicher geht’s wohl nicht.

doktorcharlyspechtgesicht
6 Monate her

Wäre doch fein, wenn jede andere Partei auch noch ihre Abspaltung kriegt: nationalkonservative CDUler und FDPler machen eine Neuauflage der DNVP, linke SPDler und der Rest der LINKEN machen eine neue USPD als Konkurrenz zum BSW. Rechte SPDler gründen die AEG – Aktion Eiserner Gustav in Remniszenz an Gustav Noske. Auch eine Bauernpartei mit linkem, rechten und klerikalen Flügel täte mal wieder gut. Dazu brauchen noch die Millionen moderat-religiösen Muslime die mit Moscheehetzern nichts am Hut haben aber möglicherweise ein sehr konservatives Weltbild wie das der alten CDU haben – traditionelle Familienwerte, Kleinunternehmer, kein Herz für Homosexuelle, Gendern schon gar… Mehr

fatherted
6 Monate her

Gestern wieder mal ein „Umfrage“ in den ÖRR über die Wagenknecht-Partei….zwei „Rentner“….nein eine neue Partei wolle man nicht…das sei zu „unübersichtlich“ und verwirrend. Waren das wieder Parteigenossen oder ÖRR-Rentner? man glaubt es nicht…nicht mal der Versuch einer ausgeglichenen Berichterstattung wird unternommen.

dienbienphu
6 Monate her

Die Aussage man wolle den Bestand der Fraktion sichern, um Arbeitsplätze zu erhalten, denn man habe eine Verantwortung gegenüber den Angestellten, ist ja schon bezeichnend. Von einer Verantwortung für die Wähler ist gar keine Rede.

Transformation
6 Monate her

Die Medien kapieren es wieder nicht (oder absichtlich nicht). Wagenknechts Partei ist die Rettung für eine linke Partei. Da die alte Linke sowieso überall rausgeflogen wäre, ist nun die Wagenknecht Partei das Rettungslager für alle Linken, SED sowie auch frustrierte linksgerichtete bisherige Grünen und SPD Wähler. Es wird quasi eine Neuauflage der linken Partei wieder ins Spiel gebracht. Damit gehen aber der SPD und den Grünen Stimmen verloren, aber keinesfalls AfD Stimmen. Denn AfD Wähler halten nichts von SED/Linken/Grünen/SPD und schon gar nichts von deren Programmen. Und außer Frieden mit Russland, ist alles was Wagenknecht will eine kommunistische Planwirtschaft. Das… Mehr

Last edited 6 Monate her by Transformation
Del. Delos
6 Monate her
Antworten an  Transformation

Ach, wäre das schön, wenn es so käme. Ich zweifle aber daran. Nach meiner Beobachtung würden derzeit Viele die AfD wählen, weil es keine andere Alternative gibt. Nun aber taucht die nette Wagenknecht auf, die doch immer so RECHT hat mit dem, was sie sagt. (Dass nach der richtigen Analyse meist vorsichtshalber keine der sozialistischen Lösungen genannt wird, fällt denen leider nie auf.) Es gibt leider sehr viele Menschen, die nach Gefühl und Wellenschlag wählen – und nicht mit dem Verstand.
Sonst würden sich die Menschen nicht immer wieder für sozialistische Experimente breitschlagen lassen.

Kuno.2
6 Monate her

Fakt ist, dass sich die BSW politisch links der SPD verortet.
Dazu muss man wissen das der Generalsekretär der SPD, Kühnert, die Verstaatlichung einiger (zunächst also nur „einiger“) Unternehmen fordert.
Das war in Berlin so, als er die Verstaatlichung von Unternehmen der Wohnungswirtschaft forderte, sowie von BMW in Berlin.

dienbienphu
6 Monate her
Antworten an  Kuno.2

Wagenknecht spricht auch von Enteignung. Allerdings haben auch die Altparteien schon ausgelotet, wie man enteignen könnte: Titel: Kompetenz des Bundes zur Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe in Krisenlagen

Nibelung
6 Monate her

Ramelow. der dürfte doch von Rechts wegen garnicht mehr im Amt sein und Kemmerich von der FDP müßte Ministerpräsident sein, hätten wir nicht so eine rechtlose Bande, die schon damals in ihrer größten Not zu absolut unlauteren Mitteln gegriffen habem, was unerträglich ist, wenn man an diesen einmaligen Vorgang in der Nachkriegsgeschichte zurück denkt. Die Strategie muß anders verlaufen, denn das Kartell, Ampel in Verbindung mit Schwarz muß gebrochen werden und das kann man erreichen, wenn noch zusätzlich eine bürgerliche Partei in der Mitte erwächst um alle jene einzusammeln, die sich in der Verweigerungshaltung als Nichtwähler befinden oder die Bürgerlichen… Mehr