Tichys Ausblick Talk: Politik ohne Anstand und Moral – geht das gut?

Bei „Tichys Ausblick“ diskutieren Roland Tichy und Co-Moderator Achim Winter mit Laszlo Trankovits, langjähriger Auslandskorrespondent der dpa, Moritz Hunzinger, Unternehmer und Vorstandschef der Action Press AG, sowie Monika Hausammann, Schriftstellerin, Kolumnistin und PR-Beraterin.

 
In der neuesten Folge von „Tichys Ausblick“ geht es um eine politische Kultur, der Anstand und Moral fehlen: Bundeskanzler Olaf Scholz spielt eine fragwürdige Rolle im Cum-Ex-Geschäft, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nutzt Bundeswehr-Helikopter für private Flüge, die Grünen-Abgeordnete Emilia Fester tänzelt in jugendlichen Klamotten durch den Bundestag – und missachtet offen die Würde des Hauses.

Darüber diskutieren Roland Tichy und Achim Winter mit dem langjährigen Auslandskorrespondenten der Deutschen Presseagentur (dpa), Laszlo Trankovits, der sowohl im nahen Osten als auch in den USA tätig war, mit Moritz Hunzinger, Unternehmer und Vorstandschef der Action Press AG, einer der größten Bildagenturen der Welt, und außerdem mit Monika Hausammann, Schriftstellerin, Kolumnistin und PR-Beraterin.

Zu Beginn der Debatte steht die Frage, ob Politik heute unmoralischer ist als früher. Hausammann verneint das zwar, merkt allerdings an: „Wir haben heute einen Sturm der Scheinmoral ohne jeden Anstand. Die Moral dient als Werkzeug für politisches Handeln.“ Konkret führt sie aus: „Es fing schon an mit der Einführung des Euro. Versprochen wurde eine starke Währung, die aber jetzt seit Jahren abgewertet wird.“ Und weiter: „Man kann diese ganzen Krisen durchdeklinieren – Eigentum, Recht und Freiheit, die moralischen Grundprinzipien, wurden sehr selten respektiert.“

Hunzinger merkt an: „Wir leben in einer Zeit, in der einfach unheimlich viel entschuldigt wird, weil es Haltung sein soll. Aber nach unseren Prinzipien, wie man eine Firma zu führen oder sich überhaupt in einer Gesellschaft zu benehmen hat, ist es eigentlich ein Haltungsschaden.“ Er kritisiert: „Eigentlich müsste das bürgerliche Lager das aufklären. Ich weiß nicht, wo die CDU geblieben ist, ich weiß auch nicht, was Friedrich Merz den ganzen Tag macht.“

Auf die Frage, ob durch ein allgemein schlechteres Benehmen heutzutage, das sich in Kleidung, Umgangsformen und Sprache ausdrückt, auch die Moral vor die Hunde geht, sagt Hunzinger: „Wir haben eine große Infantiliserung, es ist ein großes Theater geworden.“ Trankovits stimmt ihm hier zu: „Die Moralisierung ist eine Begleiterscheinung der Emotionalisierung.“

Dann führt Hausammann aus: „Es gibt eine totale Übergewichtung der Moral in der Politik einerseits und andererseits wird den moralischen Mindeststandards ‚nicht Lügen, nicht betrügen‘ nicht Rechnung getragen, beziehungsweise sie werden umgedeutet mit schönen Worten. Wenn die Leute beispielsweise während Corona aufgefordert wurden, ihre Nachbarn zu denunzieren, nannte man das ‚Sorge tragen‘. Das ist für mich ein gutes Beispiel für diese Umkehrung.“ Auch betont sie, mit Blick auf Hypermoral: „Wer fordert, subjektive Moral in Gesetze zu gießen, der fordert ein Meinungsdiktat.“

Hunzinger kritisiert die Scheinheiligkeit des moralischen Zeigefingers: „Wir sind in einer Lage, in der Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die ihre eigentliche Aufgabe extrem schlecht durchführen, uns gleichwohl moralisch belehren wollen, wie wir zu sprechen und was wir zu essen haben.“ Weiter prangert er an mit Blick auf das Handeln der Politik im Ahrtal: „Wir haben Verantwortungsträger, die nur versprechen, aber nichts halten.“ Weiter führt er aus: „Es gibt auch keine Opposition mehr, weil sich aus Angst vor der AfD alle anderen zusammenmauscheln.“ Trankovits mahnt: „Die Moralisierung führt dazu, dass man die wesentlichen Dinge aus den Augen verliert, und sich mit Belanglosigkeiten herumschlägt.“

Gegen Ende der Debatte geht der Fokus nochmal auf die Absolutheit moralisierender Politik, die sich selbst gegen jeden Widerspruch immunisieren kann. Dazu sagt Hausammann: „Die Politiker schaffen sich Moral als Instrument. Wenn man sagt ‚ich schaffe eine moralische Alternativlosigkeit‘, zum Beispiel, weil wir eine diverse Gesellschaft brauchen oder eine solidarische, dann fragt niemand mehr nach Kompetenzen oder nach Kosten, und auch nicht nach Konsequenzen langfristig.“ Und weiter: „Viele Leute gehen dem auf den Leim. Da wird eine Energiewende durchgepeitscht mit Milliardenkosten und Konsequenzen, die wir noch nicht einmal absehen können, aus moralischen Gründen.“

Zum Schluss geht Trankovits nochmal auf die Probleme im Journalismus ein: „Die Konzentration auf Haltung und Moral im Journalismus führt dazu, dass alles in einem großen emotionalen und infantilen Bereich verschwimmt.“ Er versucht, diese Entwicklung rational zu erklären: „Moral ist ein wunderbares Mittel, um Aufmerksamkeit zu generieren. Skandale sind interessant.“ Hunzinger ergänzt hierzu: „Medien sind in einem Existenzkampf, Berichterstattung muss verkauft werden.“

Zu diesem Thema diskutiert Roland Tichy heute Abend mit seinen Gästen. Schalten Sie um 20:15 Uhr ein – bei Tichys Ausblick: hier auf der Webseite, bei YouTube oder tv.berlin!


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Kommentare ( 12 )

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Zylinderbohrung
1 Jahr her

Leider erst spät, obwohl ich beim Meckern gerne der Erste bin…
Super Sendung! Kontrovers, guter Ton! Die Nudeln fast unsichtbar. Wenn Ihr die noch mit einer Sicherheitsnadel hinten am Kragen festmacht, ist es perfekt!

Hans-Georg Villy
1 Jahr her

Sehr wichtige Diskussion. Fazit: Weniger Moralismus, mehr Leistung, Inkaufnahme kleiner Verfehlungen von Politikern, sofern die Leistung stimmt. Alles richtig, nur kaum mehr realisierbar. Wir leben in einer Zeit der Postmoderne und des Kulturmarxismus, mit einem enormen Moralismus, in der die Meinung und Interessen großer Teile der Bevölkerung offenbar keine Rolle mehr spielen. Ziel der Altparteien und zwar unisono, orchestriert von einem Großteil der MSM scheint es zu sein, das linke Narrativ des Umbaus der Gesellschaft, sprich die große Transformation, durchzusetzen. Kollateralschäden werden dabei billigend Inkauf genommen. Man versucht, alternative Meinungen nach Möglichkeit zu unterbinden und in die rechte Ecke zu… Mehr

TinaTobel
1 Jahr her

Das ist ein extrem wichtiges Thema. Theoretisch könnte man ja eine Haltung haben und anständig sein. Praktisch wird die Gesinnung aka Haltung als billige Ausrede dafür benutzt, jeden Anstand fallen zu lassen. Und die Moral dient nur dazu, für diese Unanständigkeit eine schöne, bei genauerem Hinsehen aber ziemlich schäbige Verpackung zu liefern. Man verschreibt sich einer (vermeintlich) guten Sache, und ab da ist alles erlaubt, was dieser Sache (angeblich) dient. Das ist sehr bequem, während Anstand doch immer ein bisschen anstrengend ist. Und es eröffnet reiche Gestaltungsspielräume, die es erlauben, den Nutzen für diese gute Sache mit dem eigenen Vorteil… Mehr

Last edited 1 Jahr her by TinaTobel
Siggi
1 Jahr her

Lieber Herr Tichy, zu der Moral der Politik gehört mittlerweile auch die Moral der Justiz. Eine Scheinjustiz in einer Scheindemokratie, die nur noch die Aufgabe hat, die Fehler und Missgriffe der Verantwortlichen abzudecken, kann nicht durch beliebige Wahlen behoben werden.

Dr.Remberg
1 Jahr her

Interessanter Beitrag und Gäste, wobei mir Herr Trankovits die wichtigste Erkenntnis des Abends lieferte, nämlich dass es vielmehr darauf ankomme, ob unsere Politiker unabhängig von moralischen Betrachtungen ihren Job richtig machen. Zunächst allerdings regte sich in mir der vertraute Reflex der Empörung über diese Aussage nach dem Motto: „Nein, nein, Politiker müssten doch gerade auch in moralischen Dingen Vorbild sein, müssen einen nach bürgerlichen Maßstäben untadeligen Lebenswandel führen! usw. usw.“ Wir Normalos machen allerdings den Fehler, unsere bürgerlichen Moralvorstellungen auf Spitzen-Politiker zu übertragen und sie oftmals in erster Linie nach DIESEN moralischen Maßstäben zu messen, obwohl Politiker anders als wir… Mehr

eisenherz
1 Jahr her
Antworten an  Dr.Remberg

++Ob ein Spitzen-Politiker mit den ihm anvertrauten Menschen und Geldern verantwortlich umgeht ist für uns Bürger doch viel wichtiger als die moralische Frage, mit wem der Politiker ins Bett geht,…) Guten Tag Herr Dr.Remberg, vielleicht habe ich ihren Beitrag auch nicht richtig verstanden, aber “ umgeht sollte für uns Bürger doch viel wichtiger sein, als die moralische Frage, mit wem der Politiker ins Bett geht,…“ Aber, wenn es nun mal so geworden ist wie es geworden ist, dass moralische Fragen dem jeweiligen Zeitgeist gemäß beim Bekämpfen von Politikern, bis hin zu seiner gesellschaftlichen Ächtung ein Mittel geworden ist, dann gibt… Mehr

Peter Gramm
1 Jahr her

Ach gottchen – Amtsträgerhaftung!!!! – und das in Deutschland. Selten so gelacht.

thinkSelf
1 Jahr her

Moral und Anstand in einen Satz mit „Politik“ zu setzen ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich selbst. Berufspolitiker stellen den intellektuellen und charakterlichen Ausschuss jeder Gesellschaft dar. Und das ist systemisch bedingt (die ganz selten Ausnahmen sind da nur historische „Unfälle“). Oder wie es Oliver Gorus auf Eigentümlich frei so richtig ausgedrückt hat: „Berufspolitiker sind Freiheitsfeinde von Beruf. Sie sind ideale Marionetten für die Interessen anderer Akteure (Big Pharma, Nato oder Energiewendeprofiteure beispielsweise) zulasten der individuellen Freiheit aller Bürger. Und fachliche oder kommunikative oder charakterliche Kompetenz sind für ein Marionettendasein schlicht nicht nötig, wenn nicht gar hinderlich. Weil die… Mehr

Last edited 1 Jahr her by thinkSelf
hoho
1 Jahr her

Moral ist nicht nötig zum regieren. Es ist hilfreich die Realität nicht komplett zu verblenden das tun aber auch nicht alle da oben. Sie lügen uns nur an. Ich glaube nicht zB Scholzomat nicht weiß was passiert wenn man die ganze Energiewirtschaft auf Wind, Sonne und Mist umstellt, Russengas und -öl abstellt. Nun der Staat funktioniert auch. Ich kriege regelmäßig Mahnungen von der Propagandaabteilung. Steuer wird auch angesammelt. Irgendwann wird es natürlich nicht Kohle geben aber für die Beamten die dafür sorgen dass unsere Herrscher kontaktlos (also mit uns) regieren können, wird schon Kohle geben. Genauso wie für gutes Essen.… Mehr

Klartexter
1 Jahr her

Tolle Sendung, ein Highlight mit klugen Teilnehmern und Moderatoren, ein Vergnügen zuzuhören.

Nur der Auftritt könnte verbessert werden, vier Männer mit gespreizten Beinen sind nicht attraktiv. Ein schlichter Tisch würde die Situation schon verbessern.

Schlaubauer
1 Jahr her

Es fehlen Anstand und Moral. Wir haben ja lange genug dafür gearbeitet, dass durch Haltung zu ersetzen. Klappt auch prima, siehe Corona, Ukraine und BVG. Es zeigt aber, dass sie wenigstens noch Hohn und Spott für uns haben.