Tichys Ausblick Talk: Was ist bloß aus der SPD geworden?

Bei „Tichys Ausblick“ diskutieren Roland Tichy und Frank Henkel mit dem ehemaligen SPD-Politiker Thilo Sarrazin, dem Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz sowie dem Publizisten und Buchautor Holger Fuß.

 
Die SPD-Politik im Umgang mit Russland sorgt für Fassungslosigkeit. Solange wie es nur irgendwie ging, blockierten und verzögerten Bundeskanzler Scholz und Genossen die Waffenlieferungen an die Ukraine, nachdem man zuvor an Nord Stream 2 bis zum Schluss festgehalten hat. Viele fragen sich: Was treibt diese Partei an? Ist es eine überpazifistische Grundeinstellung? Oder stecken doch dichte Verstrickungen mit Moskau dahinter?

Diesen Fragen gehen Roland Tichy und Co-Moderator Frank Henkel in der aktuellen Sendung von Tichys Ausblick mit den Studiogästen auf den Grund.

Thilo Sarrazin war fast 50 Jahre Mitglied der SPD und lange Jahre in verschiedenen politischen Ämtern. Er hält die aktuelle SPD-Russlandpolitik für „gehobenen Slapstick“. Sarrazin erzählt aus dem Nähkästchen – etwa davon, wie absurd ihm der „Olaf“ seinen Parteiausschluss ankündigte. Sarrazin meint, große Teile der SPD hätten eine marxistische Grundsehnsucht niemals abgelegt. Man idealisiere die eigenen Russland-Verbindungen mit einer überhöhten pazifistischen Idee – dies habe dazu geführt, dass man nun als „Vereinigung von Putin-Verstehern“ ende.

Der emeritierte Professor und Medienwissenschaftler Norbert Bolz sieht die SPD ebenfalls „nostalgisch Richtung links“ orientiert. Ein alter „Pazifismus um jeden Preis“-Gedanke sei weiterhin stark verbreitet. Insofern finde Scholz mit seinem Zaudern auch viel Zustimmung. Seine Äußerungen, dass Deutschland durch Waffenlieferungen einen Atomkrieg auslösen könnte, hält er für absurd. Bolz fordert: Scholz müsse endlich Verantwortung übernehmen. Er sieht in seiner permanenten Warnung vor dem Atomkrieg ein „Kontinuum der Politik der Angst“ nach Corona und Klima.

Publizist und Autor Holger Fuß hat jahrelang im Inneren der SPD recherchiert und ein Buch darüber geschrieben (mit dem Titel: „Vielleicht will die SPD gar nicht, dass es sie gibt“). Er vermutet, Scholz müsse nach seinen ständigen 180-Grad-Wenden längst ein Schleudertrauma haben. Er sieht beim Bundeskanzler dennoch ein gewisses undurchsichtiges Kalkül; die Sorge vor der Atombombe hält Holger Fuß für vorgeschoben. In bestimmten SPD-Kreisen sei bis heute eine „unterschwellige Verwandschaftsmentalität Russland gegenüber“ vorherrschend.

Wer oder was steuert die SPD Richtung Eisberg – und Deutschland gleich mit? Was treibt die Riege Steinmeier, Scholz & Co.? Und ist das Ende der SPD als Volkspartei durch Scholz’ Wahlsieg nur hinausgezögert worden? Über diese und weitere Fragen wird gemeinsam diskutiert. 


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Kommentare ( 19 )

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Heinrich Wolter
1 Jahr her

Scholz ist mit seiner Politik nicht gescheitert. In einem Kommentar habe ich gehört, daß die Gepard-Panzer die maximal untauglichen Waffen sind, die man der Ukraine liefern kann. Die Ausbildung soll , da es das komplizierteste Waffensystem der Bundeswehr sein soll, mehrere Wochen dauern, da spezielle Computer zu bedienen sind. Das wird Putin sicher zu schätzen wissen.

DerVoluntaer
1 Jahr her

Die Frage, woher kommt die besondere Begeisterung für die ehemalige Sovietunion, könnte auch ebenso lauten, woher die momentane besondere Begeisterung für die Ukraine kommt. Beide Nationen liefern sich ein Kopf an Kopf Rennen um die oberen Tabellenplätze der Korruptionsliga und sind somit eigentlich keine zuverlässigen Handelspartner oder aufstrebende Wirtschaftsnationen. Meine Freiheit wird auch nicht in einem Land verteidigt, dessen Präsident angeblich 11 Parteien verboten und zudem die Medien gleich geschaltet hat. Die Aufgabe von einer Außenministerin aus Deutschland wäre eigentlich ein diplomatisches Zirkeltraining um eine diplomatische Lösung zu erreichen. Das tut Sie aber nicht, weil Ihr dafür anscheinend die Fähigkeiten… Mehr

Ulric Viebahn
1 Jahr her

Die Trauer und die Wohlstandsverluste und (für viele) die Armut durch jegliche Art von Krieg sind nach meiner Meinung größer und unangenehmer als eine eingeschränkte Freiheit und Meinungsterror. Der Spruch: Lieber rot als tot soll diese Abwägung lächerlich machen.

John Farson
1 Jahr her
Antworten an  Ulric Viebahn

Sie haben noch nie in Unfreiheit gelebt, stimmt`s?
And by the way: Freiheit und Demokratie bedingen Wohlstand, der Gegenbeweis wurde noch nie erbracht. Und sagen Sie jetzt bitte nicht China, deren Erfolg im Wesentlichen auf dem Kapitalismus beruht und erst eintrat, nachdem sich die Chinesen von diversen kommunistischen Narrativen verabschiedet haben.

HDieckmann
1 Jahr her

Kein Wort zu den Gründen, die Russland zu dem Angriff veranlasst haben. Wer nicht über die Ursachen des Ukraine-Krieges spricht, kann auch zu seiner Beendigung nichts beitragen. Auch bei TE leider nur einseitige USA-/Nato-Kriegspropaganda. Nicht die SPD ist derzeit das Hauptproblem, sondern die Kriegstreiber bei Grünen, FDP und CDU/CSU. Unsere Väter und Großväter haben 27 Mio. Russen getötet – das bleibt trotz Nichterwähnung bei TE eine Tatsache. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber dem russischen Volk, die deutsche Waffenlieferungen verbietet. Russland hat nicht Deutschland angegriffen! Jetzt werden wieder Russen mit deutschen Waffen getötet. Und abschließend noch zur Info:… Mehr

jorgos48
1 Jahr her
Antworten an  HDieckmann

Ihre Geschichtskenntnisse bezüglich Russland und der Ukraine sind etwas dürftig. Fragen Sie doch mal die Ukrainer nach dem Hungerkrieg ( Holodomor ?) Stalins gegen die Ukraine. Momentan hat Russland die Ukraine überfallen und zerstört das Land und ermordet die Bevölkerung.

Auswanderer
1 Jahr her

Die Energieabhängigkeit von Russland ist doch der Politik seit 1998 anzukreiden. SPD und auch CDU sind den Grünen hinterhergelaufen, um die Macht zu erhalten! Am Anfang wollte man die AKWs abschalten. Was nimmt man dann als Alternative? Russisches Gas war am günstigsten und Russland hatte Bedarf an Devisen. Dann kam die Klimahysterie mit ihren sogenannten Alternativen: Wind- und Solarenergie! Gaskraftwerke sind halt am besten die Nacht oder Windstille zu managen. Fracking wollte man nicht, also blieb das russische Gas. LNG hat fast die gleichen CO2-Werte wie unsere böse Braunkohle. Also blieb doch nur russisches Gas oder wir werden Albanien! Ohne… Mehr

Christa Wallau
1 Jahr her

In dieser Diskussion hat m. E. Herr Sarrazin die überzeugendsten Aussagen getan. Jedenfalls kann ich dem am meisten zustimmen, was er sagt. Was die deutsche Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine anbetrifft, so hätte ich mir gewünscht, daß Scholz mit seiner Verweigerung standhaft bleibt, um sich stattdessen als Vermittler im Krieg Rußlands gegen die Ukraine anzubieten. Wenn es jemals eine Gelegenheit gab, sich auf die besondere Verantwortung Deutschlands wegen der Kriegsverbrechen an Russen u n d Ukrainern zu berufen, dann war sie jetzt da! B e i d e n Ländern gegenüber haben wir allen Grund, uns aus ihren Auseinandersetzungen… Mehr

Ernst-Fr. Siebert
1 Jahr her
Antworten an  Christa Wallau

Es ist eine Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA, bzw. dem Westen (Die Ukraine liefert nur das Schlachtfeld und seine Männer.) und da sind wir leider Partei, deshalb kann Scholz nicht machen, was er will oder mancher Meinung machen sollte. Leider.

bkkopp
1 Jahr her

Eine sehr informative Perspektive in die SPD durch Sarazzin und Fuß. Die These, dass SPD und Kommunisten “ Familie “ waren, teile ich so nicht. Die SPD war seit Ferdinand Lasalle für eine Arbeiterpartei in einem demokratischen Staat, und nie für eine radikale Revolution und einer Diktatur des Proletariats. Lenin war nie ein “ Verwandter “ der Sozialdemokraten, und die führenden Köpfe und Funktionäre der Sozialdemokraten waren nie entfernte Verwandte von Lenin/Stalin. Die besprochene Russland-Affinität der heutigen Sozialdemokraten hat viel mehr damit zu tun, dass man schon früh, 1960er, eine Alternative zur Konfrontation des Kalten Krieges suchte. Die Konfrontation wurde… Mehr

Frank Gausmann
1 Jahr her

Meiner Meinung nach ist die wichtigste Frage in Sachen Ukrainekrieg doch: können wir mit massiver Unterstützung der Ukraine (Lieferung schwerer Waffen, Wirtschaftsembargo) die vielen gewaltigen Fehler der Vergangenheit nun auf einen Schlag kompensieren, ohne eine echte Eskalation des Konfliktes zu betreiben? Ich denke eindeutig nein! Mich beschleicht allerdings immer mehr der Eindruck, dass Grüne und CDU nun in einer Art kompensierender Übersprungshandlung besonders hart mit der Faust auf den Tisch schlagen wollen. Nicht zuletzt kann man auf diese Weise von der eigenen großen Verantwortung und den massiven Fehlern der Vergangenheit ablenken: Also von der sträflichen Vernachlässigung der eigenen Interessen zugunsten… Mehr

Reiterhofer
1 Jahr her

Interessante Runde und viele interessante Gedanken. Meinen Dank an alle Teilnehmer. Aber dass Bärbock eine gute Figur macht möchte ich vehement bestreiten. Sie wurde als globalistische „young global leader“ Marionette eingesetzt und exekutiert das was die Puppenspieler vorgeben. Diese sitzen halt im Falle Bärbock nicht in Moskau sondern in den USA. Genauso sinnfrei wäre die Behauptung Schröder mache eine gute Figur, weil er nach Putins Takt tanzt. Einem scharfsinnigen Denker wie Bolz dürften diese Zusammenhänge durchaus bekannt sein. Und weil sich über die Atomkriegsgefahr bzw die Furcht davor lustig gemacht wurde- und warum dies nur für D gelte, aber nicht… Mehr

Odysseus JMB
1 Jahr her
Antworten an  Reiterhofer

(1) Sollte Putin seine atomare Bedrohung ausbauen, wird D nicht betroffen sein. Vermutet er doch wohl zurecht eine gewisse emotionale Nähe und Gutgläubigkeit bei seinen handzahmen Partnern in D, die er sich wohl insgesamt als Herde von Milchkühen vorstellt. Plausibler erschiene mir die nukleare Bedrohung der Bewohner von Paris oder Warschau, deren Weltoffenheit, einen Spießer wie Putin, irritieren muss. Dass er aktuell zunächst Polen, Bulgarien und Rumänien gegenüber seine „Gas-Pipeline-Muskelchen“ spielen lässt, kann auch nicht überraschen, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen hier besonders „effektiv“ und die russischen Einnahmeverluste eher überschaubar. (2) Die Einschätzung „sich besser schlagen als erwartet“ dürfte sich hinsichtlich… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Odysseus JMB
MFK
1 Jahr her

(1) Wenn man der Diskussion folgt, könnte man meinen, die SPD hätte die letzten 16 Jahre die Kanzlerin gestellt. Und weiter, das Schicksal von Sarazzin müssen auch Max Otte und Boris Palmer teilen. So sind sie halt unsere Parteien. Diversität ist nicht ihre Stärke. (2) Außenpolitik der SPD kann man nicht beurteilen ohne mindestens am Rande auf Egon Bahr, dem letzten großen Außenpolitiker dieser Republik, einzugehen. Leseempfehlung: https://www.deutsch-russisches-forum.de/portal/wp-content/uploads/2020/03/Rede-E-Bahr-Veranstwortungspartnerschaft-260315.pdf Ich wage mal die Behauptung, ohne diese Politik wäre die deutsche Wiedervereinigung unmöglich gewesen. Kohl hat hier am Sterbebett von Willy Brandt Größe bewiesen. (3) North Stream 2 war keine Erfindung von… Mehr