Ein Brüsseler Weihnachtsgeschenk: Neue Uploadfilter und Internetzensur

Die EU will neue Maßnahmen gegen Terrorpropaganda im Netz beschließen. Dafür kommen altbekannte Maßnahmen: Uploadfilter und auf private Dienstleister ausgelagerte Internetzensur.

imago images / Xinhua

Regierende in Brüssel und Berlin wollen seit Jahren Uploadfilter einführen, die das für alle alten Strukturen so gefährliche freie Internet unter Kontrolle bringen sollen. Dreh- und Angelpunkt dieses Kampfes ist das sogenannte Providerprivileg – also, dass die Online-Plattform bzw. die sozialen Netzwerke nicht für die Inhalte haften müssen, die auf ihnen hochgeladen werden. To provide heißt zur Verfügung stellen oder vermitteln – und das ist die Grundlage der sozialen Netzwerke, wie wir sie kennen. Sie sind eben keine Medien mit redaktioneller, inhaltlicher Ausrichtung, sondern Plattformen, auf denen jeder im Idealfall selber veröffentlichen und meinen kann, was er möchte.

Und genau das soll sich ändern. Das Providerprivileg soll weg. Es soll wieder in den Redaktionsstuben der Presse entschieden werden, wer was äußern kann, und das Recht auf freie Meinungsäußerung in einer breiteren Öffentlichkeit also wieder Prominenten oder größeren Institutionen vorbehalten bleiben. Die Abschaffung dieses Prinzips aus dem Jahr 2000 wäre der Schritt zurück in die Medienwelt des 20. Jahrhunderts und der Kahlschlag der Opposition – nicht nur in Deutschland, sondern auch in aufstrebenden Diktaturen wie der Türkei, die sich solche Ideen gerne abschauen. 

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Nach der EU-Urheberrechtsreform, kommt jetzt der „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“ (TERREG). Es geht darum, die Verbreitung von Terrorpropaganda etwa des IS oder Rechtsradikaler zu stoppen. Ein nobles Anliegen, doch wie soll das erreicht werden?

Die Netzwerkbetreiber sollen zukünftig Strafen zahlen, wenn Sie terroristische Inhalte nicht rechtzeitig entfernt bekommen. Da ein soziales Netzwerk wie es jetzt funktioniert, dann aber untragbar hohe Strafen zu tragen hätte, geht das nicht mit menschlichen Kontrolleuren, sondern nur mithilfe von Upload-Filtern, die von vornherein etwa auf Grundlage von Schlagworten etc. das Posten von Beiträgen verhindern. Da ein Computer aber nicht in der Lage ist, Ironie zu erkennen oder die Feinheiten der Gesetzgebung in Deutschland in vollem Umfang zu erfassen, ist ein Upload-Filter immer in hohem Maße ungenau. Da ein gelöschter legaler Post quasi keine Konsequenzen hat, während Facebook & Co. bei Nichtlöschung illegaler Inhalte hohe Strafen drohen, bedeutet das: Im Zweifel gegen den Angeklagten. Das Ganze indes nicht zum Schaden der Tech-Riesen, die man ja vorgeblich immer bekämpfen will. Mit großer juristischer Abteilung und üppigem Budget (das man für die Entwicklung eines Upload-Filters braucht) sind diese weiterhin gut aufgestellt. Hart treffen dürfte es alle kleineren Anbieter, die diese Auflagen nicht tragen können.

TERREG bedeutet, was etwa das NetzDG auch schon bedeutet hat: Zensur, ausgelagert auf private Dienstleister. Das kann katastrophale Folgen haben. In der Vergangenheit gab es ohnehin schon immer wieder Beschwerden von Menschenrechtsaktivisten, die Kriegsverbrechen dokumentierten und dann wegen Gewaltverherrlichung gelöscht wurden – das dürfte sich fortsetzen.

„Mit der verpflichtenden Einführung von Uploadfiltern würde der Grundstein für eine leicht zu missbrauchende, fehleranfällige und noch dazu ineffektive Zensurinfrastruktur gelegt werden“, sagt die Piratenpartei zu TERREG. Ob diese Zensurinfrastruktur ein Kollateralschaden oder nicht sogar die eigentliche Absicht hinter dem Projekt ist, lässt sich nur spekulieren. In Brüssel wird aktuell in einem Trilog-Verfahren in Parlament, Rat und Kommission verhandelt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und wahrscheinlich wird man dort eine entsprechende Verordnung beschließen.

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Kommentare ( 31 )

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31 Comments
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Jan des Bisschop
3 Jahre her

So sehr es zu begrüßen ist, wenn Teŕrorpropaganda nicht mehr ins Netz hochgeladen werden kann, so gefährlich ist dies auf private Betreiber auszulagern. Wir sehen es heute schon, wie die SM unliebsame, aber legale Meinungen löschen. Wie sie Nachrichten zurückhalten, z.B. Hunter Bidens Laptop. Wer kontrolliert die Kontrolleure, KI ist Datadriven, d.h. es gibt eine Ausgangsdatenmenge auf die werden Algorithmen losgelassen und das Ergebnis wird begutachtet, danach sagt man der Maschine, welches der Ergebnisse am nächsten an den Erwartungen dran war, so werden die Ergebnisse Schritt für Schritt besser. Die Maschine lernt die Erwartungen des Menschen zu erfüllen. Sind die… Mehr

Sonny
3 Jahre her

Ich verstehe die Briten und Boris Johnson.
Die Argumente gegen diese Europäische Union werden immer bestechender und vielfältiger.

Albert Pflueger
3 Jahre her

Hoffen wir, daß sie an ihre bisherigen Erfolge nahtlos anknüpfen kann!

Albert Pflueger
3 Jahre her

Leider haben die Internetunternehmer dazu beigetragen, die Nutzer zu polarisieren. Das Bestreben, jedem möglichst nur das zu zeigen, von dem ausgefeilte Algorithmen meinen herausgefunden zu haben, daß es ihm gefällt, führt zu riesigen Meinungsblasen und sich selbst vergrößernden Clustern, in denen jede noch so popelige Minderheit sich als Masse wähnt. Das ist die Grundlage für die Identity-Politik und allerlei Radikalisierungen, auch für Terrorismus. Auch waren z.B. Pädophile oder Liebhaber abseitiger sexueller Varianten, bis hin zu Kannibalen, früher sehr isoliert mit ihrer Macke, das hat sich geändert, seit sie sich mit weit entfernten Gleichgesinnten vernetzen können, um ihrer Leidenschaft zu frönen.… Mehr

Albert Pflueger
3 Jahre her

Und bald tippen wir wieder von Hand auf Matritzen, wenn wir nicht konforme Ansichten unters Volk bringen wollen, weil Kopierer auch erkennen, was sie nicht kopieren sollen.

fatherted
3 Jahre her

hmmm…evtl. sollte sich der klägliche Rest der freien Presse in Europa eine Auswanderung überlegen…die Redaktion in ein noch unzensiertes Land verlegen und von dort aus agieren. Macht die Recherche vor Ort zwar umständlich und teuer…aber wenigstens kann man dann veröffentlichen ohne Zensur. Fragt sich nur, ob solche Seiten dann von der „Fürsorglichen EU“ gesperrt werden…so wie in China….ups….was für ein Vergleich.

Konservativer2
3 Jahre her

Lediglich die ÖR-Spartenkanäle (z.B. arte) verkünden noch unangenehme Wahrheiten, v.a. aus französischen Quellen. So wurde dort kürzlich der e-Auto-Hype zerlegt und in einem kurzen, prägnanten Bericht dargelegt, dass der Gründer von Huawei ein ex-Offizier der Volksbefreiungsarmee ist, der, bevor er uns nun mit Handys und Netzwerktechnik zu beglücken begann, China militärisch (!) und zivil mit Netzwerken überzogen hat.

Beides findet in der deutschen Berichterstattung nicht statt. Der letzte Rest an ungefilterten Informationen wird demnächst wohl dem hier thematisierten Filter zum Opfer fallen.

Ach ja, das „rebellierende“ spanische Offizierscorps findet bei uns auch kaum Beachtung… (siehe t-online gestern).

Horst
3 Jahre her

Warum der Aufwand? Die Mehrheit interessiert sich doch gar nicht für Informationen jenseits des Hauptpfades, alle trotten den Leithammeln nach. Und wer sich informieren will, der kann das tun. Anonym und sicher vor Zensur. Aber wo kein Wille ist…

Ratloser Waehler
3 Jahre her

nicht nur in Deutschland, sondern auch in aufstrebenden Diktaturen wie der Türkei, die sich solche Ideen gerne abschauen. 

Jetzt schaut sich schon die Türkei, „Maßnahmen“ von Deutschland (respektive der EU) ab.

GWR
3 Jahre her
Antworten an  Ratloser Waehler

Und Polen und Ungarn wollen sie die Rechtsstaatlichkeit aberkennen.
Da sollte vdL und Merkel vor der eigenen Haustüre kehren.
Ich glaube aber auch, dass dieses neue Zensurgesetz von Merkel kommt. vdL ist doch nur ihre Statthalterin in der EU-Kommission. Und Merkel hat das schließlich über Jahrzehnte gelernt.

Manfred_Hbg
3 Jahre her

ANBEI Und als zusätzliche kleine weitere Weihnachtsüberraschung habe ich grad bei RTL 2 die Teletext-Meldung gelesen: „EU will Datenzugriff Im Kampf gegen den (na klar doch) Terror setzt die EU-Kommission auf den heftig umstrittenen Zugriff auf verschlüsselte Daten. Man werde mit den EU-Staaten daran arbeiten, eine legale Lösung für einen rechtmäßigen Zugriff zu finden, heißt es im Anti-Terror Plan, den die Brüsseler Behörde vorstellte. Es soll ein Ansatz gefunden werden, der den Schutz der Privatspähre sicherstellt und zugleich eine effektive Antwort auf Kriminalität und Terror sei.“ > Ähm, UND MEINE Lösung ist: Anstatt und EU Bürger immer mehr Überwachung, aZensur,… Mehr

Wolfsohn
3 Jahre her
Antworten an  Manfred_Hbg

Es geht ja doch nicht um den Terror, der von der „Religion des Friedens“ ausgeht, sondern von den bösen, bösen Rechten, die die „Demokratie“ der „Rechtschaffenden“ vernichten wollen!