Kehrtwende in Brüssel? EU erwägt offenbar doch, Grenzzäune zu finanzieren

EU-Ratspräsident Charles Michel will womöglich doch Grenz-Barrieren mitfinanzieren. Das wäre eine Blamage für Ursula von der Leyen und ein Sieg der Grenz-Staaten. Die Schleuser an der deutsch-polnischen Grenze sind offenbar mehrheitlich in Deutschland lebende Iraner, Iraker, Syrer und Türken.

IMAGO / SNA
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel

In die EU-Politik kommt anscheinend Bewegung, was die Finanzierung von Grenzzäunen angeht. Bisher hatten sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Innnenkommissarin Ylva Johansson in dieser Frage skeptisch bis eindeutig ablehnend gezeigt. Jetzt hat der Dritte im Bunde, EU-Ratspräsident Charles Michel, festgestellt, dass man eine Finanzierung »physischer Infrastruktur an den Grenzen« in den nächsten Tagen diskutieren werde. Am Mittwoch war es Migranten in Weißrussland an drei Stellen gelungen, den polnischen Grenzzaun zu durchbrechen. Das Verteidigungsministerium berichtet vom gewaltsamen Vorgehen der Migranten, die Gegenstände auf die polnischen Soldaten warfen und den Zaun zerstörten. Es gab 468 versuchte Grenzübertritte. In 350 Fällen sollen Migranten für kurze Zeit auf polnisches Gebiet gelangt sein. Laut der Sprecherin der Grenzschutzbehörde in Białystok wurden alle wieder nach Weißrussland zurückgeschickt. Gegen 42 von ihnen wurden förmliche Ausweiseverfügungen erlassen.

Viel spricht dafür, dass Michels »physische Infrastruktur« nur ein anderes Wort für die Zäune und anderen soliden Barrieren der Polen und Litauer ist. Wenn das so wäre, machte sich der ehemalige belgische Premierminister damit zum Fürsprecher der Mitgliedsstaaten. Michel präsentierte zudem eine Stellungnahme von Rechtsexperten des Europäischen Rates, die keine Einwände gegen eine Finanzierung von »physischer Infrastruktur« zum Grenzschutz aus EU-Mitteln sahen. Dagegen hatte von der Leyen noch letzte Woche mit sehr eindeutigen Worten gesagt, dass »die Kommission kein Geld für die Einrichtung physischer Barrieren zur Verfügung stellt«. In Michels Äußerungen zeigt sich der Druck, der in dieser Frage auf der Kommissionspräsidentin lastet.

EU-Dokument: Bald auch Migrantenflüge ins russische Pskow?

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Mitte Oktober hatten sich zwölf EU-Mitglieder für die Finanzierung physischer Barrieren an der EU-Außengrenze ausgesprochen. Johansson hielt das für keine gute Idee. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn meinte, er sei »absolut nicht« für die Errichtung weiterer »Mauern«. Der Sozialdemokrat aus dem liquiden Großherzogtum sprach sich außerdem gegen die »Internierung« von Migranten in Lagern aus.

Man könnte die Stellungnahme Michels, der dem Gremium der 27 Mitgliedsstaaten namens Europäischer Rat vorsitzt, als ersten Anfang einer Gewaltenteilung in der EU  interpretieren – und als Anfang vom Ende der Herrschaft unlegitimierter Eurokraten  und europäisches Gewissen auftretender EU-Politiker wie Asselborn.

Der österreichische Innenminister Karl Nehammer hat das Zögern der EU-Führung in Sachen Grenzbarrieren mit deutlichen Worten kritisiert: »Die EU-Kommission wiederholt die gleichen Fehler, die schon bei der Migrationskrise in Litauen gemacht worden sind. Auch da hatte Brüssel eine finanzielle Unterstützung für einen Grenzzaun abgelehnt und wollte nur bei der Aufnahme von illegalen Migranten helfen.« Käme die gemeinschaftliche Finanzierung der Zäune an den Außengrenzen, wäre das vor allem ein Sieg der zwölf Mitgliedsstaaten über Brüssel.

Ein EU-Dokument zur Schleusungskriminalität in der EU (Einzelheiten weiter unten) bemerkt indes, dass auch im russischen Pskow ein Flughafen bereit steht, auf dem schon bald weitere Flugzeuge aus Nahost landen könnten. Damit wäre ein noch längerer Grenzverlauf betroffen. Die EU-Mitglieder Estland und Lettland verfügen über gemeinsame Grenzen mit Russland. Bald könnte also noch ein weiterer Nachbar der EU in Fragen der illegalen Migration Druck ausüben.

Unterdessen fanden in Berlin und Görlitz Demonstrationen zugunsten Polens statt. Die polnischen Grenzschützer bedankten sich via Twitter. In einem anderen Tweet beschreibt der polnische Grenzschutz ein großes Migrantenlager, das auf weißrussischem Gebiet geschaffen worden sei: »Alle Menschen dort haben ein einziges Ziel – über die EU-Außengrenze nach Deutschland zu gelangen. Sie wollen keinen Schutz in Polen.«

Nach Ansicht des Potentaten in Minsk, Alexander Lukaschenko, sitzen die eigentlichen Ur-Schleuser im Westen. Die westlichen Anführer seien es gewesen, die die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens einst »zerstört« hätten und nun die Ernte einfahren. Ob die betroffenen Staatenlenker im Nahen Osten und Nordafrika wirklich »große Denker« waren, wie Lukaschenko einem russischen Journalisten sagte, bleibt dahingestellt. Aber dass der Westen die Beseitigung nach außen stabiler Regierungen wie der von Muammar al-Gaddafi oder Saddam Hussein betrieben hat, dürfte unstrittig sein. In Afghanistan ist kürzlich gerade ein weiteres Demokratisierungsprojekt des aufgeklärten Westens gescheitert.

Und noch eine weitere Andeutung machte Lukaschenko, die vielleicht ernster zu nehmen ist, als es viele hier in Deutschland wahr haben möchten: Auch die aktuellen Schleuser seien meist »Deutsche, Polen, Ukrainer«, während die Flüge nach Weißrussland schlichtweg legal seien.

Nun zeigt ausgerechnet ein EU-Dokument, dass wirklich ein großer Teil der Schleuser tatsächlich aus Deutschland stammt – auch wenn es vermutlich zum Großteil nicht deutsche Staatsbürger sind. Das vertrauliche EU-Schriftstück, das heute in der Welt zitiert wird, präsentiert offenbar eine Statistik zu den festgenommenen Fluchthelfern in Polen. Zum einen ist daraus zu erfahren, dass die meisten der berichteten Fälle illegale Schleusungen mit »gemieteten PKW« sind, die über Polen nach Deutschland führen. Das wussten wir schon. Inzwischen sind ganze Bundespolizeidirektionen auf diesen Umstand eingestellt, haben Fahndung und Grenzkontrollen aufgegeben und widmen sich ausschließlich der Registrierung der Ankommenden.

Die geschleusten »irregulären Migranten« kamen laut demselben Dokument meist aus »Syrien, aber auch aus Afghanistan, Iran, Irak, Kuwait und Jemen«. Aber es geht eben noch weiter: Denn »in den meisten Fällen« waren eben auch »die Fahrer Drittstaatenangehörige (Iraner, Iraker, Syrer und Türken), die in Deutschland wohnen«. Daneben gab es einige Weißrussen mit polnischen Schengen-Visa sowie Syrer, die in den Niederlanden ansässig sind. Die Hauptzielländer der Migranten sind dem Dokument zufolge Deutschland und Finnland. Was sich aber zeigt, ist, dass die einmal gestartete und akzeptierte irreguläre Migration (nach Deutschland) offensichtlich weitere Folgemigranten nach sich zieht, denen auch die bereits angekommene Vorhut Hilfe leistet.

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Kommentare ( 56 )

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Johann Thiel
2 Jahre her

Hähähä, der Charles Michel ist böse, der hat der Uschi schon beim Erdogan den Platz auf‘m Sessel geklaut und jetzt hat der den Propeller von der Green-Deal-Torte einfach gegen ein kleines Atomkraftwerk ausgetauscht. Böser Michel – also der Charles, nicht der deutsche, der ist nur doof.

Freige Richter
2 Jahre her

Das Schleusen ist ein gutes Geschäft. Gerade Clans können dabei richtig absahnen und sprechen idealer Weise auch noch arabisch. Das erleichtert die Verständigung.

Monika
2 Jahre her

Ich vermute, daß so langsam vielen EU-Mitgliedern klar wird, daß das eben auf Dauer nicht nur ein Problem der blöden Deutschen ist. Alle Eingewanderten bekommen früher oder später Freizügigkeit in der EU. Sollte es in den nächsten Jahren mit der deutschen Wirtschaft bergabgehen, wird die Karawane irgendwann weiterziehen. Es ist ja derzeit wieder im Gespräch, ein einheitliches europäisches Asylrecht zu schaffen. Ich könnte mir sogar inzwischen vorstellen, daß man Deutschland demnächst verbietet, so viele illegale Einwanderer aufzunehmen und die mit überbordenden Sozialleistungen anzulocken. Das wäre langfristig zum Vorteil aller EU-Mitglieder, denn jeder Araber, der jetzt noch in Deutschland verköstigt wird… Mehr

fatherted
2 Jahre her

Wer sich nicht selbst helfen kann (siehe Polen) ist verloren. Mehr als ein paar Worte kamen ja nicht von Seehofer. Deutschland hätte ja eine Zusage über eine finanzielle Beteiligung an den Grenzbefestigungen machen können…aber mehr als Worte sind nicht zu erwarten. Wenn die Polen schlau wären, würden sie es so machen wie Orban….einfach durchlassen und gut ist. In Polen will eh keiner von denen bleiben. Und auf die EU zu hoffen wird vergebens sein….

Olaf W1
2 Jahre her

Mal ganz unbedarft gefragt: Darf ein Land, dessen Grenzen gewaltsam, mutwillig und illegal von wem oder was auch immer eingerissen und auf das Hoheitsgebiet eingedrungen wird, darf das dortige Land nicht mit allen Mitteln (also auch Schußwaffen, Panzer, etc.) seine Grenze schützen? Oder hat die Nato dafür gesonderte Statuten? Ich meine, rein hypothetisch, da die Gegenseite ja extrem offensiv und gewaltsam vorgeht, wäre es nicht statthaft da mal die Fronten zu klären und die nächste Stufe in Form von illegaler Übertritt=kriegerischer und illegaler Akt forciert vom Militär der Gegenseite=Grund zum Abschuß anzustoßen?

Bahl Renate
2 Jahre her

Vielleicht wieder das Spiel good cop, bad cop. Lasst Worten endlich Taten folgen.

old man from black forrest
2 Jahre her

Die Hütte brennt und bei der EU will man demnächst zu diskutieren beginnen. Der Winter steht vor der Tür und es wird zu keinen schönen Bildern kommen – es sei denn Deutschland nimmt alle auf und das wird es machen. Sobald die Koalition steht. Auf EU-Ebene wird solange nichts passieren, bis hier das Chaos ausbricht. Corona wird dabei kräftig mithelfen. Es wird einen harten Winter geben und in einem halben Jahr wird Deutschland anders dastehen – aber nicht besser.

Kraichgau
2 Jahre her

wer weiss,wie „Gross“ schon engere Familienverbünde zb in egypt sind(da kommen gern 3000 ENGE Familienverwandte zu Heiraten oder Beerdigungen), der weiss,das EIN erfolgreich situierter illegaler von 2015 locker hundert nachziehen wird,die alle irgendwie „verwandt“ sind.
Und wenn es legal nicht geht über Familiennachführung,denn eben mit one way ticket zur belarussischen Grenze und mit Transfer von Cousin im gemieteten Hartz4 Taxi

Last edited 2 Jahre her by Kraichgau
Maja Schneider
2 Jahre her

Die Tatsache, dass sehr viele Deutsche sich unter den Schleusern befinden, überrascht ebenso wenig wie die Bemerkung, man müsse jetzt über die Einrichtung „physischer Barrieren“ diskutieren. Das kann erfahrungsgemäß wieder sehr lange dauern, und die Zeit haben wir nicht, sonst werden Tatsachen geschaffen, die uns gar nicht gut bekommen könnten. Es fehlt die dringende und unabänderliche Aufforderung, endlich dem Mitgliedsland Polen beizuspringen, das in unglaublicher Weise von Lukaschenko erpresst und bedroht wird und wieder die Kohlen für Deutschland und die realitätsferne EU aus dem Feuer holen soll.

Lotus
2 Jahre her

Die Schleuser an der deutsch-polnischen Grenze sind offenbar mehrheitlich in Deutschland lebende Iraner, Iraker, Syrer und Türken.“

Deutschland – das Land, in dem diese Schleuser gut und gerne leben. Von der Staats(ohn)macht unbehelligt, von NGO-„Aktivisten“ und Parteien eines best. politischen Spektrums handgreiflich oder mindestens moralisch unterstützt. Natürlich ist dieses Deutschland das beste, das es je gab. Also für die Schleuser ganz bestimmt.