EU-Gipfel: Friedrich Merz hat verloren

Gegen massiven Widerstand selbst enger Verbündeter wollte der deutsche Bundeskanzler russische Guthaben enteignen. Wer so mit dem Geld anderer Staaten umgeht – wie geht der wohl erst mit dem Geld der eigenen Bürger um?

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Deutschlands Bundeskanzler hat nicht bekommen, was er wollte. Dafür hat er etwas bekommen, was er ziemlich sicher nicht haben wollte: eine weithin hörbare Ohrfeige von seinen Kollegen im Europäischen Rat. Mit abgewatscht wurde gleich auch noch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Die Ukraine…

bekommt für die kommenden beiden Jahre einen zinslosen Kredit in Höhe von 90 Milliarden Euro. Präsident Wolodymyr Selenskyi hatte immer und immer wieder erklärt, dass sein Land ohne das Geld in wenigen Monaten bankrott sei. Dass das auch am Ausmaß der staatlichen Korruption bei ihm zuhause liegen könnte, sagte er nicht. Es wurde beim Gipfel in Brüssel auch nicht angesprochen.

Für den Kredit an die Ukraine will die EU nun selbst einen Kredit aufnehmen. Der soll über den EU-Gemeinschaftshaushalt abgesichert werden. Mit anderen Worten, dafür haftet vor allem der deutsche Steuerzahler. Die EU tut für die Ukraine außerdem etwas, was ihr nach den EU-Verträgen verboten ist: Sie vergemeinschaftet Schulden.

Gipfel des Scheiterns
Nach Euroclear-Entscheidung kommen nun Eurobonds
Nicht alle Mitgliedsländer machen bei diesem Rechtsbruch zur Verlängerung eines Krieges mit. Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben ausgehandelt, nicht an den Kosten beteiligt zu werden. Man ist schon etwas neidisch auf Staaten, deren Regierungen sich noch den eigenen Bürgern verpflichtet fühlen.

Bundeskanzler Merz hatte sich massiv dafür eingesetzt, in der EU eingefrorene russische Vermögenswerte einfach an die Ukraine auszuschütten. Vor allem beim belgischen Finanzinstitut Euroclear lagern hohe Beträge, sogar Teile der russischen Staatsreserven.

Gegen Merz’ kühnen Griff nach anderer Staaten Geld gab es von Anfang an großen Widerstand. Er hätte einen einzigartigen Präzedenzfall geschaffen. Noch nicht einmal im Zweiten Weltkrieg haben die damaligen Kriegsgegner sich gegenseitig die Währungsreserven blockiert. In vielen EU-Hauptstädten sorgte man sich ernsthaft um den Ruf der EU als verlässlicher Finanzplatz.

Vor allem Belgien war deshalb dagegen, weil es fürchtete, von Russland verklagt zu werden und irgendwann Schadensersatz zahlen zu müssen. Die EU-Nomenklatura übte offenen, geradezu schamlosen Druck aus. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas ließ sich allen Ernstes zu der Aussage hinreißen, die Belgier sollten sich mal nicht so haben. Es gebe ja gar kein Gericht, an das Moskau sich wenden könne.

Übersetzt sagte die Vizepräsidentin der EU-Kommission also: Wir wissen zwar, dass wir etwas Rechtswidriges tun – aber wo soll man uns schon verklagen?

„Dann springen wir eben gemeinsam von der Klippe“

Das erklärte Ministerpräsident Bart De Wever resigniert, als Belgien dann letztlich einknickte. Allerdings verlangte De Wever im Gegenzug, dass die möglichen Risiken der von Merz so dringend gewünschten Enteignung russischer Vermögenswerte zumindest in der EU gleichmäßig aufgeteilt werden.

Dagegen wiederum hatten nun Frankreich und Italien allergrößte Bedenken. Das Risiko nur für Belgien hätten Paris und Rom schon akzeptiert – doch ein Risiko auch für die eigenen Kassen wollten sie dann nicht mehr tragen.

Damit war der Merz-Plan gescheitert.

Mit ein paar Taschenspieler-Tricks versuchte unser Bundeskanzler danach, das zu wahren, was von seinem Gesicht übriggeblieben war. Die EU hafte ja nur dann für die Ukraine-Kredite, wenn Russland nach dem Krieg keine Entschädigung an Kiew zahle, sagte er mit bedeutungsschwerer Miene.

Doch jedermann weiß, dass Moskau im Leben keine Reparationen zahlen wird. Das war also genau das, als was es der geschätzte Kollege Fritz Goergen bei TE im „Einblick am Morgen“ bezeichnete: eine Nebelkerze.

Dass Deutschlands Regierungschef auf ganzer Linie gescheitert ist, zeigt auch der Kommentar aus Moskau: „Die Stimmen der Vernunft in der EU haben die illegale Verwendung russischer Reserven zur Finanzierung der Ukraine verhindert.“

So ist es.

Das MERCOSUR-Abkommen …

… ist ebenfalls gescheitert. Mindestens vorläufig. Seit 25 Jahren wird über den Vertrag verhandelt, der den Handel zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten (Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) vereinfachen soll. Nun will man bis zum kommenden Jahr warten. Mindestens.

Eigentlich hatte Ursula von der Leyen das Abkommen am kommenden Wochenende in Brasilien für die EU unterzeichnen wollen. Doch dazu fehlt ihr jetzt die notwendige sogenannte „qualifizierte Mehrheit“ in der EU. Unter anderem die drei großen Länder Frankreich, Polen und Italien haben einen Aufschub durchgesetzt. Dort, wie zum Beispiel auch in Österreich, haben die Bauern jeweils sehr erfolgreich Druck auf ihre Regierungen ausgeübt.

Auch beim – für die deutsche Landwirtschaft überaus nachteiligen – MERCOSUR-Deal war Friedrich Merz zuletzt die treibende Kraft. Nach den vielen Fehlgriffen in der Innenpolitik hat der Bundeskanzler nun also auch in der Außenpolitik keinen Erfolg mehr.

Wie sagte doch ein bekannter Fußballer so schön? „Erst hat man kein Glück, und dann kommt auch noch Pech dazu.“

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Kommentare ( 74 )

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Herbert
32 Minuten her

Dass Merz bei allen wirklich wichtigen politischen Themen im Denken und Handeln fast immer daneben liegt, ist unerklärlich.
Wenn seine ständigen Irrtümer nicht für uns alle von so dramatischer Bedeutung wären, könnte man ihn tatsächlich bemitleiden.
Wenn man etwas nicht kann, muss man es sein lassen.
Das gilt auch für Merz.

Holger Tuerm
46 Minuten her

Leider hat nicht Friedrich Merz verloren sondern die steuerzahlende Bevölkerung. Die wird immer ärmer, wogegen sich Merz mit seinen korrupten Kumpanen von Weimer bis Selensky immer mehr bereichert. Die CDU-Mitglieder stützen das, weil sie nichts begreifen oder selbst auf einen Platz am Futtertrog hoffen. Was für erbärmliche Lügner.

Stefan01
46 Minuten her

Man beachte auch wie die EU mit Zypern und Griechenland 2010 und folgende Jahre umgegangen ist. EZB, IWF haben genau geschaut wie Kredite verwendet wurden, siehe Privatisierung von Saatseigentum und Haftung privater Einlagen der Banken. In der Ukraine, einem Nicht-EU-Staat wird Geld versenkt, als gäbe es kein morgen. Damit dürfen die Verantwortlichen diesmal nicht davon kommen. Es geht dabei nicht um Rache oder persönliche Meinung, es geht um Rechtsstaatlichkeit und Souveränität der Bürger. Die EU fliegt auseinander, wenn das so weiter geht.

GefanzerterAloholiker
52 Minuten her

Zunächst fällt die Kontinuität von Kanzler Merz auf. Alles ganz linear, keine Abweichungen. Er fasst etwas an, macht alles falsch und scheitert konstant.

Enrico
55 Minuten her

EU-Gipfel: die (deutschen) Anschaffer (Nettosteuerzahler) haben verloren!
Aber nicht erst seit gestern abend.

verblichene Rose
58 Minuten her

…Wer so mit dem Geld anderer Staaten umgeht – wie geht der wohl erst mit dem Geld der eigenen Bürger um?…
Andersherum wird ein Schuh daraus. Wer nämlich bereits das Geld der Steuerzahler veruntreut, vergreift sich auch am Geld fremder Staaten. Bislang insgesamt sehr gut am Verhalten „Brüssels“ zu erkennen. Dort existiert keine „Union“, sondern es gibt nur sehr wenige Melkkühe…!

Montesquieu
1 Stunde her

Pleite ist pleite. Da kommt es auf ein paar Milliarden auch nicht mehr an. Bleibt die Dynamik ähnlich, finanzieren wir mit dem „zinslosen Kredit“ (den wir selber aufnehmen, dafür aber Zinsen zahlen müssen) in den nächsten zwei Jahren einige hunderttausend Tote Ukrainer und Russen sowie die Verstümmelung und seelische Traumatisierung einer noch viel größeren Zahl von Menschen. Diese rituellen Menschenopfermassen sollten uns das Geld schon wert sein. Die jetzt schon gigantische Verwüstung der ukrainischen Infrastruktur wird monströse Ausmaße erreichen und die dann fälligen „Reparationsleistungen“ (der EU) entsprechend ausfallen. Die Niederlage für die Ukraine wird mit jedem Monat schmerzhafter, aber der… Mehr

Dr. Rehmstack
1 Stunde her

„Dagegen wiederum hatten nun Frankreich und Italien allergrößte Bedenken. Das Risiko nur für Belgien hätten Paris und Rom schon akzeptiert – doch ein Risiko auch für die eigenen Kassen wollten sie dann nicht mehr tragen.“
Kann man „unsere Werte“, die die EU zusammenhalten, besser beschreiben?

Donostia
1 Stunde her

Deutschland war mal ein Land zu dem man aufgeschaut hat. Jetzt werden wir maximal als Geldbeschaffer gesehen. Mittlerweile verachtet man uns nicht mal mehr, nein inzwischen werden wir bemitleidet.
Die EU hafte ja nur dann für die Ukraine-Kredite, wenn Russland nach dem Krieg keine Entschädigung an Kiew zahle, sagte er mit bedeutungsschwerer Miene.
Seit wann haften Siegermächte für irgendwelche Schäden? Wann steht das Volk endlich auf?

Last edited 57 Minuten her by Donostia
verblichene Rose
53 Minuten her
Antworten an  Donostia

Bemitleidet? Viele unserer EU-„Mitbürger“ lachen bestenfalls noch über so viel Ignoranz und offensichtlichen Selbsthass der Deutschen.

Enrico
49 Minuten her
Antworten an  Donostia

„The Winner Takes It All“ (ABBA, 1980).
Hierzulande können sie alles (mit den Bürgern) machen. Solange die mediale Begleitmusik dazu mit positiver Konnotation anstimmt. Leider hat das immer noch nicht mal ansatzweise die Mehrheit verstanden. Also weiter im Kriechgang.

Der Ingenieur
1 Stunde her

„Wie sagte doch ein bekannter Fußballer so schön? „Erst hat man kein Glück, und dann kommt auch noch Pech dazu.“

Der Vergleich hinkt.

Bei Merz ist m.E. kein Pech, sondern alles Berechnung.

Der dient m.E. nicht dem „Deutschen Volke“, wie er es in seinem Amtseid geschworen hat, sondern Dritten, die an unserem Niedergang kräftig verdienen.

Last edited 1 Stunde her by Der Ingenieur