Umgeben von Feinden und missverstanden

Oberflächlich kritisch, im Kern gefällig – im neuen ÖRR-Format „ttt-Talk“ präsentierte sich Kulturstaatsminister Wolfram Weimer als Opfer einer rechten Kampagne und liberaler Vorkämpfer der Kulturschaffenden. Eine Rezension.

Screenprint: ARD / ttt

Aus Erfahrung wissen wir: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht im unmittelbaren Diskurs mit der Politik, den Ton für die politische Debatte zu setzen. Zur Premierensendung von Titel Thesen Temperamente Talk, kurz „ttt-Talk“, mit Moderatorin Siham El-Maimouni bot sich Kulturstaatsminister Wolfram Weimer im Bauhaus Museum Dessau nach anhaltender Kritik an seiner Geschäftspraxis die Gelegenheit zur medialen Hygiene.

Zeitpunkt und Format sind klug gewählt, um dem Skandalminister der Regierung von Friedrich Merz eine Bühne zu geben, auf der er sich – ohne störende Kritiker – von den Vorwürfen der geschäftsmäßigen Plagiatur und der Vermittlung entgeltlicher Ministergespräche an interessierte Lobbyisten reinwaschen konnte.

Unter dem Titel »Wie viel Staat braucht die Kultur, Herr Weimer?« versuchte die Moderatorin gleich zu Beginn, das kritische Skandalthema abzuräumen, um im weiteren Verlauf der Sendung zerstreuende, schöngeistigere Kulturfragen darüberzulegen.

Anhaltende Kritik

Seit Monaten brodelt es um Weimers Media Group, die im großen Stil durch die unerlaubte Publikation fremder Autoren Geschäfte gemacht hat. Die Frage nach Weimers Geschäftsethik stand damit im Raum – eine Ethik, von der sich sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder innerhalb der Unionsparteifamilie öffentlich distanzierte.

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Weimers Verteidigungslinie folgte dem in den Medien verankerten Muster: Er sei neu in der Politik, habe als Unternehmer mit Eintritt ins Ministeramt alle Compliance-Vorgaben erfüllt, die Geschäftsführung seiner Media Group abgegeben und lediglich seine Anteile behalten. Trotz mehrfacher Nachfrage nach seinem ethischen Verständnis und möglichen Interessenkollisionen gelang es Weimer, genau an dieser heiklen Stelle einen Teppich aus Wortbrei über die im Raum schwebenden Vorwürfe zu legen.

Genau hier trat das kritische Momentum dieser Sendung zutage – das Zusammentreffen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dessen politischer Führung. El-Maimouni konkretisierte die Plagiatsvorwürfe nicht einmal, sodass uninformierte Zuschauer weder über die Schwere des Problems noch über den rechtlichen Hintergrund des schwelenden Konflikts informiert waren. Nach wenigen Minuten war klar: Diese Sendung würde Weimer keinen Köder vorhalten, an dem er sich verhaken könnte. Stattdessen schien die Angel im Wasser zu verschwinden – die ideale Bühne, um den gesamten Problemkomplex im weiteren Verlauf über einen medialen Blitzableiter zu zerstreuen.

Immer wieder die AfD

Und dieser Blitzableiter stand bereit: In den vergangenen Wochen hatte Weimer wiederholt betont, eine von der AfD gesteuerte und von rechten Medien ausgeführte Kampagne richte sich persönlich gegen ihn. Mit diesem Narrativ ist für einen Großteil der Zuschauer, denen die Hintergründe der Affäre unbekannt sind, die Reinwaschung im Grunde vollzogen.

Skurril wurde es, als Weimer behauptete, die AfD lasse Drohnen über seinem Haus kreisen und verschicke Videoschnipsel an seine Familie sowie an Mitarbeiter seiner Firma – selbstverständlich ohne jeden Beleg. Doch es klang wirkungsvoll, weil Deutschland seit Wochen über eine angeblich drohende russische Drohnengefahr an Flughäfen in Atem gehalten wird.

Und da war sie wieder: die Verbindung AfD–Russland und Russland–Deutschland, das angeblich unmittelbar vor einer Invasion stehe. Eine Lächerlichkeit, die die Moderatorin erwartbar nicht weiter vertiefte.

Man fragt sich, was den Mann geritten hat, auf ein derart infantiles Argument zurückzugreifen, um von seinen Geschäftspraktiken abzulenken. Die politische Rechte strebe nach kultureller Oberhoheit, so Weimer. Putin, Weidel, rechte Medien – sie alle sollen dem Kulturstaatsminister eine Falle stellen. Er selbst sei das Opfer einer Verschwörung, so die Erzählung. Dass die Kritik jedoch längst auch aus wohlgesonnenen Medienhäusern wie taz und FAZ sowie aus Reihen von SPD und Grünen kommt, wird von Weimers Verteidigungslinie vollständig zerstreut.

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Weimars jüngster Skandal: Der Vorwurf, der von ihm organisierte alljährliche Ludwig-Erhard-Gipfel sei nichts anderes als eine Verkaufsbörse für Politikerkontakte in die obersten Kreise, wurde selbst von LobbyControl scharf kritisiert. Und auch hier zeigte sich Weimer bestens vorbereitet. Er konterte mit dem Hinweis, er habe die Geschäftsführung längst abgegeben – und stellte die zynische Frage in den Raum, ob nun seiner Frau ein Berufsverbot erteilt werden solle, die inzwischen die Leitung übernommen hat.

Eine berechtigte Frage, kein Zweifel. Doch die Sendung ging weder auf die Hintergründe noch auf die tatsächliche Praxis dieses Kongresses ein.

Damit war im Grunde bereits nach wenigen Minuten der eigentliche, für das öffentliche Interesse zentrale Kern dieser Sendung erledigt. Der investigative Wert: gleich Null. Das Fragedesign der Sendung erlaubte es Weimer, sich weitestgehend reinzuwaschen und sich als Opfer zu stilisieren. Ein Muster, das vom ÖRR seit Jahren wie matrixartig über jeden kritischen Diskurs mit der politischen Führung gelegt wird – und bei „ttt-Talk“ mustergültig repliziert wurde.

Man fragt sich wirklich, warum dieser Mann für die Regierung von Friedrich Merz von einer derart hohen Bedeutung ist, dass er unter allen Umständen gehalten werden muss – ganz gleich, wie schwerwiegend die Vorwürfe gegen seine Geschäftspraktiken ausfallen mögen.

Kein journalistischer Wert

Der Talk hätte Weimer damit konfrontieren können, was Politik überhaupt im Kulturleben zu suchen habe. Man hätte fragen können, wie es in Deutschland zum Wiederaufflammen des Antisemitismus kommen konnte, und man hätte über den importierten Islamismus debattieren können. Doch selbstverständlich würde man sich im Staatsfernsehen niemals auf dieses dünne Eis wagen – das ist klar.

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Stattdessen folgte eine Stellvertreterdebatte über das korrekte Gendern, also über den Versuch kulturpolitischer Sprachhygiene der Linken. Weimer neutralisierte das Thema mit dem Hinweis, er sei seit jeher ein Vorkämpfer eines liberalen Regelwerks. Jeder könne so sprechen, wie er wolle; sein Haus halte sich lediglich an die vorgegebenen Sprachregelungen des Deutschen Kulturrats. Was der Moderatorin – wie naturgemäß allen Vertretern des ÖRR – übel aufzustoßen schien, war jedoch Weimers Gebrauch des Wortes „Zwangsbeitrag“, wenn es um den Rundfunkbeitrag ging.

Weimers Hinweis, dies gehöre zu einer ehrlichen Debatte, es handele sich nun einmal um einen zwangsweise erhobenen Beitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, erwies sich als maximaler Aufreger für die Vertreterin des Staatsfunks. Mehrfach drängte sie darauf, doch bitte die „korrekte“ Sprache zu verwenden, wie es allgemein üblich sei – und nicht zu insinuieren, der Bürger sei zur Finanzierung dieser Medienangebote verpflichtet.

Möglicherweise war dies sogar das Highlight der Sendung, weil es direkt an den Kern des Verhältnisses zwischen Souverän, Staat und Medien andockte. Doch auch hier führte es – wie so oft – zu keinem echten Konflikt, es zerfloss im Nebel des Oberflächlichen – eine weitere Scheindebatte, Schattenboxen zwischen Vertretern derselben Machtstruktur.

Team Brandmauer

Der „ttt-Talk“ ist eine Sendung mit Live-Publikum, und Weimer erntete seinen ersten Applaus etwa zur Mitte der Sendung – nach einem längeren Monolog voller Kulturprosa und seinem Hinweis, Schwarz-Rot-Gold stehe für Weltoffenheit, für ein gutes und liberales Klima. Weimer liefert in solchen Momenten ein bisschen Steinmeier: präsidial, weichgekocht, nur ohne die inzwischen üblichen Pöbelangriffe auf die Bevölkerung.

Ein schöner Monolog. Man fühlte sich zurückversetzt in die 60er Jahre, nur eben queer und bunt. Er sei „100 von 100 Punkten“ auf der Seite des Queeren und habe immer liberale Positionen vertreten, so Weimer. Damit legte er kurzerhand die vom woken Zeitgeist des ÖRR scharf kritisierte natürliche Ordnung zwischen Mann und Frau ad acta – um der Debatte über den kulturmarxistischen Angriff auf die Familie grundsätzlich aus dem Weg zu gehen. Und El-Maimouni ließ ihn auch hier selbstverständlich vom Haken. Alles wurde in einer Einheitssoße des Gefälligen und Wohlklingenden ertränkt.

Deutscher Kolonialismus

Im Folgenden erlebte das Publikum eine kurze Debatte über die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus und über den Versuch, diese Epoche in das Gedenkstättenkonzept des Kulturstaatsministers zu integrieren. Eine schräge Platzierung – gerade vor dem Hintergrund des aufkeimenden Antisemitismus im Zuge massiver islamischer Zuwanderung. Ein Herumdribbeln um die eigentlichen Probleme des Landes.

Auch hier konterte Weimer pathetisch, er sei Team Brandmauer, und die AfD beanspruche historische Orte wie Hambach, um dort mit Fahnen aufzumarschieren; die Demokratie dürfe man nicht der AfD überlassen. Die permanente Rekursion auf den politischen Gegner offenbarte, wo die eigentliche Problemzone liegt: Man weiß im etablierten Lager schlicht nicht mehr damit umzugehen, dass diese Partei systematisch die eigenen Wähler einfängt.

Zum Abschluss der Sendung wurde es dann wirtschaftspolitisch. 2,57 Milliarden Euro – dies ist der diesjährige Etat des Kulturstaatsministers. Und Weimer wolle, so seine Ankündigung, Milliarden aus amerikanischen Streamingdiensten in Investitionen am deutschen Filmstandort mobilisieren. Wie er das bewerkstelligen will, blieb sein Geheimnis.

GRANITE ACT
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Gerade vor dem Hintergrund der amerikanischen Dominanz im Bereich der Künstlichen Intelligenz herrscht ohnehin allgemeine Verwirrung. Für die deutsche Politik scheint die Sache klar: Eine Digitalabgabe soll her. Denn die US-Konzerne, Meta, X und Co., hätten – so Weimer – in einem „großen Raubzug“ das kreative Potenzial der Kulturschaffenden weltweit absorbiert. Und der einzige, der dieser Abgabe, die selbstverständlich den Kulturschaffenden zugutekommen soll (man möchte fast eine Träne verdrücken), noch im Wege stehe, sei ein Mann hinter einem großen Schreibtisch in Washington.

An dieser Stelle wird Kulturpolitik plötzlich geopolitisch. Denn eines ist klar: Hinter Weimers Angriff auf die US-Konzerne steht mitnichten ein schöngeistiger Kampf um ein buntes Kulturleben. Da hat der Staat nun einmal überhaupt nichts verloren. Nein, es geht um etwas anderes: um die Rückeroberung der Oberhoheit über die öffentlichen Diskurse auf freien Medienplattformen wie X. Weimers Haus ist Bestandteil der Zensurstrategie Brüssels, deren Angriff auf die Meinungsfreiheit in diesen Wochen verschärft vorgetragen wird – und von der amerikanischen Regierung mit maximalem Einsatz zurückgewiesen wird.

Hier kollidieren Interessen und Ideologien. Und Weimers wohlfeile Rhetorik und sein liberales Weltbild enden exakt an der Stelle, an der die Interessen des Staates berührt werden.

Weimer ist ein uneinsichtiger Etatist, der es versteht – und der Talk zeigte es exemplarisch –, seine wahren Absichten mit schöngeistiger Kulturprosa mehr schlecht als recht zu übermalen.

Für alle, die sich die Sendung vielleicht aus der Konserve ansehen möchten, ein kleiner Ratschlag: Folgen Sie einfach der stichpunktartigen Debattenlage um Weimers Skandale und die Auseinandersetzung um die Digitalplattformen durch eine präzise Suche auf einer der amerikanischen Digitalplattformen. Das spart viel Zeit. Und Sie müssen sich nicht darüber ärgern, dass Ihre „Demokratieabgabe“ lediglich zur Finanzierung einer politischen Schaubühne dient.

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Kommentare ( 3 )

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tiptoppinguin
50 Minuten her

80.000 Euro für ein Vier-Augen-Gespräch mit einem Minister, das klingt irgendwie nach den politischen Gepflogenheiten einer Bananenrepublik.

U.S.
59 Minuten her

SCHWARZ ROT GRÜN – Klüngel :

man kennt sich, man hilft sich, keiner stürzt ab, jeder/ alle fallen weich… man wird nach seinem Sturz wieder von ihm hören, er wird wieder auftauchen:
UN in NY City bei Annalena B, i im Bier/ Rotwein Späti mit Kevin Kue…, im Sauerland Tourismus Verband bei BK Friedrich M/ Arnsberg, in der Verwaltung der 900 Milliarden zusätzliche Staatsschulden bei Lars Kl..beil,

eisenherz
1 Stunde her

Noch nicht lange her, da wurden im TV, ob über das Kochen, der Zoo oder die Botanik im Kleingarten. Immer war bei solchen Sendungen einer mit dabei, der auf verschlungenen Wegen diese Themen mit dem Nationalsozialismus oder Hitler zu verbinden wusste.
Wie mein 90zig-jährige Schwiegervater, der zu jedem Inhalt immer von seiner Zeit in der Ukraine im 2. Weltkrieg zu berichten wusste.
Heute muss anstatt Hitler die AfD herhalten (Weimar).