Die Zeitung als Meldestelle

Anstatt ein Interview abzudrucken, meldet die Lippische Landeszeitung Aussagen eines AfD-Politikers "den verantwortlichen Behörden". Doch die finden gar nichts potenziell Strafbares und lehnen Ermittlungen ab. Ein Redaktionsflur im Jahr 2025, in dem sich Erich Mielkes Geist heimisch fühlt.

IMAGO

Sie kennen die Lippische Landeszeitung nicht? Kein Problem, die kannte der Autor dieses Beitrags bisher auch nicht. Nun allerdings hat sich die kleine Lippische Landeszeitung bundesweit bekannt gemacht. Wer hätte das gedacht? Da ist Chefredakteur Dirk Baldus doch ein journalistischer Clou gelungen.

Eigentlich hatte die Lippische Landeszeitung Interviews im Rahmen der Kommunalwahlen in NRW mit den Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, geführt. Das ist nicht ungewöhnlich – und gehört sich für eine ortsansässige Zeitung, für ein Regionalblatt auch. Schließlich soll sie die Bürger informieren.

Dabei gehört es zum Interview, dass der Journalist auch unbequeme Fragen stellt, nachhakt, den Interviewten mit Fakten oder anderen Ansichten konfrontiert, auch ihn Bedrängnis bringt. All das kann man im Interview, im Gespräch machen – und es wird auch gemacht.

Nur nicht von der Lippischen Zeitung. Routiniert und auch, wie es scheint, uninteressiert, arbeitet die Interviewerin ihre Fragen im Stakkato ab. Denn dieses Interview muss sie mit dem Kandidaten der AfD für den Ort Extertal führen. Und für Interviews mit AfD-Kandidaten hat der Chefredakteur der Lippische Landeszeitung, Dirk Baldus, die Richtung vorgegeben.

Sein Chef-Redakteurs-Kommentar trägt die verräterische Überschrift: „Das Kreuz mit der AfD. Unsere Regeln im Wahlkampf“. Befindet sich also die Lippische Zeitung im Wahlkampf? Im Wahlkampf gegen die AfD? Stellt sie die Regeln für den Wahlkampf auf? Der Titel der Richtlinie unter der Rubrik Kommentar des Chefredakteurs legt diese Interpretation nahe.

Baldus stellt bedauernd fest, dass die „AfD … aus rein juristischem Blickwinkel nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft“ ist, doch das Bundesamt für Verfassungsschutz „sieht das anders“. Baldus erwähnt natürlich nicht, dass dieses „Gutachten“ unter dubiosen Umständen zu Stande gekommen ist und sich das Bundesamt damit bis auf die Knochen blamiert hat. Aber vielleicht ist von der allgemeinen Diskussionslage im Kreis Lippe, in der Redaktion dort auch nichts angekommen.

Wer informieren will, sollte sich allerdings zuvor selbst informieren.
Dass ein Gerichtsurteil aussteht, ist zwar schade, macht aber nichts, dann muss also das Gutachten des Bundesamtes als Urteil gelten. Chefredakteur Baldus räumt großzügig den AfD-Kandidaten ein, „ihre Sicht der Dinge äußern“ zu „können“. Aber wenn „sie nachweisbar lügen oder das Fundament unserer Demokratie verlassen…dann werden sie umgehend ausgeschlossen.“ Warum gilt das nur für die AfD? Ist es völlig ausgeschlossen, dass Kandidaten anderer Parteien lügen, dass sie gelegentlich das „Fundament unserer Demokratie verlassen“?

Deshalb gilt bei der Lippischen Landeszeitung die Lex AfD, denn die Interviews mit AfD Kandidaten, und zwar nur mit diesen, werden „gegebenenfalls kommentiert“ veröffentlicht. „Wir werden alle Aussagen inhaltlich auf ihren Wahrheitsgehalt checken und diese – wenn sie falsch sind – in einem danebenstehenden Text widerlegen.“ Dumm nur, dass dem AfD Kandidat nicht das Recht zur Widerlegung der Widerlegung eingeräumt wird.

Blickt man auf das Interview mit Jirka Möller (AfD) stellt sich die Frage nach dem handwerklichen Können der Journalistin, denn sie hätte nachfragen können.

Vielleicht hätte der Kandidat sich dabei selbst bloßgestellt, stattdessen spult sie lustlos die Fragen ab, denn der Zweck des Interviews besteht nicht im Interview, sondern in dem Faktencheck der Redaktion, der übrigens selbst einen Faktencheck nötig gehabt hätte, denn er erweist sich als Meinungscheck. Auf die etwas plumpe Frage, ob Möller „eine stärkere Abgrenzung der Bevölkerungsgruppen für sinnvoll halte“, antwortet der Kandidat von der AfD zugegeben etwas verallgemeinernd: „Wie in der Schweiz bei den Freibädern? Ja. Die lassen jetzt nur noch Schweizer rein mit einem Schweizer Pass. Das können Leute mit Migrationshintergrund sein. Das ist kein Problem. Aber sie müssen Schweizer sein.“

Im Faktencheck bestätigt die Redaktion sogar ungewollt noch Möllers Aussage – und da schönste ist, es fällt ihr nicht einmal auf, denn, so der Faktencheck: „Die angesprochene Einlassregelung ist in der Schweiz eine Ausnahme.“ Auch wenn es eine Ausnahme ist, findet sie dennoch Anwendung, oder? TE wird Chefredakteur Baldus einmal – ausnahmsweise – helfen. Hätte hier nicht der „Faktencheck“ zur Nachfrage dienen müssen?  Z.B. hätte die Interviewerin fragen können: Was hat das Freibad mit der Schulpolitik zu tun? Um die es eigentlich ging. Oder wenn man sehr auf Angriff aus ist: „Sie wissen schon, dass es sich hierbei um eine „Ausnahme“ handelt?“

In einem anderen „Fakteneck“ wird dem Interviewten in Antifa-Manier unterstellt: „Die Aussage bedient sich Verschwörungsmythen über die „Islamisierung“ Europas und projiziert dabei eine externe Steuerung durch den Iran.“ Also keine roten Dreiecke der Hamas in Berliner Universitäten? Keine Freudenfeste von Hamas-Anhänger auf den Straßen Berlins über das Massaker an Juden am 7. Oktober? Kein wachsender Antisemitismus in Deutschland von islamistischer Seite? Alles nur „Verschwörungsmythen“? Den Faktencheck über Orwell übergehen wir hier aus purem Mitleid.

All das aber lässt sich unter der Rubrik „fehlendes journalistisches Handwerk“ abheften. Wie wenig müssen Journalisten aber von ihren Lesern halten, wenn sie ihnen nicht zutrauen, selbst zu urteilen. Woher nimmt Chefredakteur Baldus die Selbstgewissheit, Handwerksmeister, Lehrer, Ärzte, Postboten, Unternehmer zu belehren, einzuschätzen, welche Information ihre Intelligenz verkraftet und welche nicht? Man kennt dieses Bild vom Menschen aus Diktaturen, wo „unseren Menschen“ diese Information und diese Wahrheit nicht zugemutet werden kann, denn „unsere Menschen sind noch nicht soweit“. Okay, das müssen die Leser wissen. Wer es mag, soll es haben, wer es bezahlen will, soll es bezahlen.

Empörend ist etwas ganz anderes, wie es im Eingang des Artikels heißt: „Im Original-Interview fielen zudem Aussagen, die unserer Meinung nach verfassungswidrig sein oder rechtsextremistische Tendenzen des Interviewten offenbaren könnten. Wir werden diese nicht veröffentlichen und haben diese Aussagen an die verantwortlichen Behörden zur Prüfung weitergeleitet.“

Eine Zeitung, die sich als Hilfssheriff, als Hilfspolizist, die sich als IM (Informeller Mitarbeiter), die sich als GI, als Gesellschaftlicher Informant empfindet, tritt die Werte, für die Journalismus steht, mit Füßen. Im deutschen Vormärz, nach den Karlsbader Zensurbeschlüssen, als es um Einigkeit und Recht und Freiheit ging, machte der Vers die Runde: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“. Selbst die Kommunistin Rosa Luxemburg postulierte kurz vor ihrer Ermordung in ihrer Kritik an Lenins Revolution als Randnotiz: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Und gleich darunter: „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit.“

Nun ergab eine Anfrage der Jungen Freiheit, dass die Staatsanwaltschaft Detmold keine strafrechtlich relevanten Aussagen in einem Interview mit dem AfD-Lokalpolitiker Jirka Möller gefunden habe. „Die Aufnahme von Ermittlungen ist abgelehnt worden“, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Zeitung mit.

Es kann aber sein, dass Chefredakteur Baldus nur weitsichtig auf Geld aus Berlin und aus Brüssel hofft, denn Ursula von der Leyen hat ja bereits angekündigt: „Wir müssen also mehr tun, um unsere Medien und unsere unabhängige Presse zu schützen. Aus diesem Grund werden wir ein neues Programm für Medienresilienz auf den Weg bringen – zur Unterstützung des unabhängigen Journalismus und der Medienkompetenz. Aber wir müssen auch investieren, um einige der Ursachen dieses Trends anzugehen. Deshalb haben wir vorgeschlagen, die Mittel für die Medien im nächsten Haushalt deutlich aufzustocken. Wir müssen auch die private Beteiligung ermöglichen. Wir werden daher unsere Instrumente nutzen, um unabhängige und lokale Medien zu unterstützen.“

Doch sind Medien, die von Regierungen oder von der EU-Kommission finanziert werden, wirklich „unabhängig“? Unabhängig von der Unabhängigkeit vielleicht. Spricht Ursula von der Leyen nicht doch zurecht von „unseren Medien“, als ihren Medien?

Denn wie bereits die Minnesänger wussten: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“.


 

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Kommentare ( 60 )

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60 Comments
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Epouvantail du Neckar
1 Monat her

Die deutsche Presselandschaft ist gut versorgt mit Provinzblättchen wie der Lippischen. Sagt ein ehemaliger Leser der „Heilbronner Stimme“.

weihnachtsmann_frau_lein
1 Monat her

PS: es sei jetzt zum x-ten (!!!) male darauf hingewiesen, daß wir seit vielen (!) monaten „Kommentar-Benachrichtigung“ und „Kommentar freigeschaltet“ immer doppelt erhalten …

Asurdistan
1 Monat her

Afd Politiker sollten vielleicht dazu übergehen keine Interviews mehr mit Schmierenblatt Journalisten oder solchen die sich dafür halten zu führen.Das wird sicher nicht dazu führen das die AfD in Bedeutungslosigkeit versinkt,und potentielle Wähler nutzen diese Informationsquellen mit Sicherheit sowieso nicht.

Manfred_Hbg
1 Monat her

Nun ja, was soll man auch zu diesen Einzelfall noch anderes sagen als:
auch Chefredakteur Baldus mit sein Revolverblatt „Lippische Zeitung“, ein wahrer Demokrat & „Qualitätsjourno“ wie er im Buche steht. (Sark/Zynism off)

puke_on_IM-ERIKA
1 Monat her

Die linksgrünen „Schaum-vorm-Mund“-Denunzianten einer dummlinken Postille haben sich malwieder mit Furor nicht entblödet, ihre antidemokratische Gesinnung zu offenbaren.
Mieses Drecksblatt diese linkslippische Landes-Denunzianten-Schmierzeitung!

Leroy
1 Monat her

Die verkaufte Auflage“ der Lippischen Landeszeitung“ beträgt 25.217 Exemplare, ein Minus von 44,5 Prozent seit 1998.
Wie soll man davon ordentliche Journalisten bezahlen?

Last edited 1 Monat her by Leroy
puke_on_IM-ERIKA
1 Monat her
Antworten an  Leroy

Was sollen „ordentiche Journalisten“ in einer Antifa-Nebenstelle ?

Epouvantail du Neckar
1 Monat her
Antworten an  Leroy

Naja, die übernehmen ja DPA. Den Rest mit den überfahrenen Dorfhunden erledigen schreibfehlerstrotzend die Volontäre.

Ornhorst
1 Monat her

Vielen Dank für die kritische Nachlese!
Diese „lex AfD“ gibt es doch bei den meisten Zeitungen, kann auch kaum anders sein, da es ja nur eine Handvoll Verlagsgruppen gibt.
Die Lippische Landeszeitung ist eine Landeszeitung und kein Regionalblatt. Es ist in Niedersachsen leider in der Regel so, dass man das (Teil-)Land Schaumburg-Lippe unter den Tisch kehrt.

Johann Conrad
1 Monat her
Antworten an  Ornhorst

Ist das denn nicht die Zeitung für den Raum Detmold (also NRW)? In Schaumburg gibt es doch die Schaumburger Zeitung. Die lippische Landeszeitung ist übrigens eine der ältesten Zeitungen Deutschlands.

Silverager
16 Tage her
Antworten an  Ornhorst

Die „Lippische Landeszeitung“ ist ein reines Regionalblatt für die Landkreise Detmold und Lemgo, also für das Land Lippe, einem ehemaligen Duodez-Fürstentum.

Klaus Uhltzscht
1 Monat her

Der Begriff Käse- bzw. Wurstblatt kommt daher, daß in der DDR Käse bzw. Wurst darin eingewickelt wurde.
In die SED-Zeitung „Neues Deutschland“ haben wir bei der Armee die leergetrunkenen Wodkaflaschen eingewickelt, mit der Bohnerkeule plattgeschlagen und einer sinnvollen Verwendung im Müll zugeführt.

Epouvantail du Neckar
1 Monat her
Antworten an  Klaus Uhltzscht

Waren denn leere Wodkaflaschen nicht im SERO-System abgabepflichtig?

bfwied
1 Monat her

Eine Zeitung bzw. Redakteure, die Aussagen in Interviews beurteilt, um sie nicht zu veröffentlichen und/oder einer Behörde zu melden, und das in einem Staat, der sich „freiheitliche Demokratie“ nennt??!! Wo gibt es so etwas außerhalb von kommunistischen Diktaturen – oder nationalsozialistischen, jedenfalls sozialistischen? Ein solches Ekel-Vorgehen kennt man aus Nordkorea, Venezuela, allenfalls China.
Diese sogenannten Journalisten sind Denunzianten und Propagandisten übelster Sorte, oder wie könnte man sie beurteilen? Wer kauft solche Blätter? Ihre Blase? Wahrscheinlich.

Der Ingenieur
1 Monat her
Antworten an  bfwied

Wer kauft solche Blätter?“

Vermutlich bald wohl niemand mehr …

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  bfwied

Sie erfinden ja sogar passende Nachrichten! U.a. über Drohnen!
Erich Kästner schrieb davon schon in seinem „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ aus einer Zeit Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts.

P.Z.
1 Monat her
Antworten an  bfwied

Waren Sie schon mal in Nordkorea, Venezuela oder China und wenn ja, wüsste ich zu gerne,was genau Sie dort veranstaltet haben. Offensichtlich kennen Sie sich in diesen Ländern ja wirklich gut aus. Zitat: „Ein solches Vorgehen KENNT man aus……… Also ehrlich,ich kenne so etwas nicht, weil ich diese Länder leider noch nicht bereist habe und deswegen keine Aussage diesbezüglich machen könnte. Und Sie wahrscheinlich auch noch nicht , könnte ich mir vorstellen. Vielleicht gibt es eine Menge Menschen in diesen Ländern,die dort gern und glücklich leben. Die dortigen „Verhältnisse“ unsererseits zu bewerten und zu maßregeln ist ganz bestimmt nicht unsere… Mehr

bfwied
1 Monat her
Antworten an  P.Z.

Es gibt etwas, das man „Lernen“ nennt, es gibt „sogar“ die Tätigkeit des Studierens! Es gibt Berufsausbildungen, die sich mit u. a. mit Kulturgeographie, Ethnologie, Politologie … beschäftigen, und darüber hinaus haben manche Menschen den Drang, sich immer weiterzubilden, sogar andere auszubilden, z. B. auch Studenten!!! Und es gibt Leute, die sich mit offenen Augen u. Ohren in der Welt bewegen!! Es gibt allerdings auch andere, die unbedingt auf die glühend heiße Herdplatte fassen müssen, um zu lernen, dass die heiß ist, wenn sie glüht.

alter weisser Mann
1 Monat her

Nichtmal die Stasi-Denunzianten haben sich so frech öffentlich ihres Tuns gerühmt. Gratulation Schland!