CSA-Verordnung – Die große Überwachung

Was wie ein Schutzgesetz klingt, ist in Wahrheit der Einstieg in die digitale Massenüberwachung. Die CSA-Verordnung stellt alle Bürger unter Generalverdacht – noch bevor sie überhaupt kommunizieren.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Kenzo Tribouillard

Es klingt nach Science-Fiction, doch es ist bittere Realität in der Europäischen Union: Eine Verordnung, die Millionen Menschen unter Generalverdacht stellt, ihre private Kommunikation durchleuchtet und die Grundfesten digitaler Freiheit erschüttert, steht kurz vor dem Durchbruch.

Die sogenannte CSA-Verordnung („Verordnung zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern“) wird in Brüssel als Beitrag zum Kinderschutz verkauft – doch hinter der humanitären Fassade verbirgt sich ein Projekt, das in seiner Tragweite nichts Geringeres als den flächendeckenden Lauschangriff im Digitalen bedeutet.

Am 14. Oktober kommt es im Rat der Europäischen Union zum Schwur: Die Innen- und Justizminister der Mitgliedstaaten sollen festlegen, wie weit die nationalen Regierungen bereit sind zu gehen. Es handelt sich um die sogenannte „Allgemeine Ausrichtung“ – noch kein Gesetz, aber die Blaupause für die kommenden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission.

Was steht zur Debatte?

Nicht weniger als die Einführung des Client-Side-Scannings: einer Technologie, die Inhalte auf privaten Geräten schon vor der Verschlüsselung durchsucht – also bevor sie überhaupt verschickt werden. Damit wird jeder EU-Bürger zum potenziellen Verdächtigen. Privatsphäre? Gelöscht.

Apropos gelöscht: Das Vorhaben mutet wie ein Treppenwitz an, wenn man sich an die nicht mehr auffindbaren SMS von Ursula von der Leyen zum sogenannten „Pfizer-Gate“ erinnert. Aber das hier nur am Rande.

Angebliche Sicherheit im Vordergrund

Befürworter wie die ehemalige EU-Kommissarin Ylva Johansson reden von „Sicherheit“ und „Kinderschutz“. Doch wer auf diesem Wege Vertrauen und Freiheit opfert, bekommt am Ende weder das eine noch das andere. Vor allem: Kindesmissbrauchs-Netzwerke agieren längst im Verborgenen – sie nutzen nicht die gängigen Messenger, sondern spezialisierte Plattformen und das Darknet. Die Chatkontrolle trifft nicht die Täter – sie trifft die Bürger.

Still und leise: Zustimmung im Parlament

Was besonders beunruhigt: Das EU-Parlament hat sich in der vergangenen Legislatur fast lautlos mit dem Projekt arrangiert. Inzwischen regt sich Widerstand – aber ob dieser rechtzeitig und entschieden genug ist, bleibt offen.
Die deutsche Bundesregierung hat sich zu dem Vorhaben bislang kritisch gezeigt – doch wird sie standhalten? Oder kippt die Haltung am 14. Oktober – still, heimlich, technokratisch?

Wie wird die Abstimmung ausgehen?

Niemand kann vorhersagen, wie und worauf sich der Rat einigen wird. Möglich ist auch, dass es keine Einigung geben wird. Dann wird das Vorhaben über Jahre hinweg auf den Tagesordnungen auftauchen, ohne wirklich abgeschlossen zu werden.

Kommt es jedoch zu einer Einigung, beginnt die letzte Etappe der Gesetzgebung: der berüchtigte Trilog – eine Verhandlungsrunde hinter verschlossenen Türen, in der Abgeordnete, Kommissare und Minister über Details entscheiden, die später kaum noch veränderbar sind. Hat sich der Rat einmal positioniert, lässt sich die Richtung kaum noch korrigieren.

Nach dem Trilog hat das Parlament allerdings weiterhin die Möglichkeit, das Vorhaben vollständig zu stoppen – wenn sich eine Mehrheit der Abgeordneten dazu durchringt.

Kinderschutz als Vehikel zur Massenüberwachung

Es steht viel auf dem Spiel – nicht nur für Datenschutz-Aktivisten, sondern für alle, die auch im digitalen Raum nicht wie Untertanen behandelt werden wollen. Wer den Schutz von Kindern als Hebel für die Normalisierung von Massenüberwachung nutzt, spielt ein gefährliches Spiel. Es ist an der Zeit, diesem Übergriff eine Grenze zu setzen.

Privatsphäre ist kein Luxus. Sie ist ein Grundrecht. Noch.

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Kommentare ( 51 )

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51 Comments
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BKF
1 Monat her

„Die deutsche Bundesregierung hat sich zu dem Vorhaben bislang kritisch gezeigt – doch wird sie standhalten? Oder kippt die Haltung am 14. Oktober – still, heimlich, technokratisch?“ Ist das nicht eigentlich egal? Die EU ist keine Staat, hat also auch keine eigene Souveränität. Deutschland dagegen ist ein Staat mit eigener Souveränität und kann das auf seinem Staatsgebiet im Endeffekt auch selbst entscheiden, egal was die EU sagt. Sollte die EU deshalb irgendwelche Strafen verhängen wollen, kann Deutschland von seiner Souveränität Gebrauch machen und auch aus der EU austreten, das kann die EU nicht verbieten, da sie selbst eben kein Staat… Mehr

BKF
1 Monat her

wenn man sich an die nicht mehr auffindbaren SMS von Ursula von der Leyen zum sogenannten „Pfizer-Gate“ erinnert.“ Hat schon mal jemand bei Pfizer gesucht? Eine Kommunikation hat ja mindestens zwei Seiten.

Edwin Rosenstiel
1 Monat her

Man muss den Leute die Dinge nur richtig „kommunizieren“, das heißt im Klartext, sie gekonnt einseifen, verar…en, dann schlucken sie alles ohne Murren. Hier die Nummer „Kinder und kleine Tiere ziehen immer“, also wird das ganze als „Schutz unschuldiger Kinder“ verkauft. Hatte Uschi nicht vor Jahren schon mal so ein Programm in der Pipeline, unter etwas anderem Namen, wo sie auch „das Internet sperren“ wollte gegen Kinderpornographie, das damals grandios in die Hose ging? Muss 2009 gewesen sein, und trug ihr den Spitznamen „Zensursula“ ein: „Internetsperren für Kinderpornografie“: „Ursula von der Leyen, Bundesfamilienministerin:Mit symbolträchtigen Stoppschildern möchte die Bundesregierung Kinderpornografie im Internet bekämpfen.… Mehr

Dellson
1 Monat her

Ein klar erkennbares aufgesetztes System das unter ganz anderen Vorzeichen gedacht, sich zu einem autarken, nicht demokratisch durch die Bürger, in der EU gewählten Systems entwickelt hat,muss durch eine starke Opposition kontrolliert werden.Nicht die Bürger müssen im Focus sein,sondern immer die Politiker, die sich erheben, angeblich im Namen der Bürger ihr Bestes zu wollen. Alles was beleidigend und strafrechtlich belangt werden kann, wird bereits national von den jeweiligen Staaten verfolgt.Warum übergeordnet eine EU glaubt sich hier als Instanz aufspielen zu müssen zeugt nur von abgehobener Bügerferne! Das kennen Geschädigte noch genau so von ihren tollen Banken in der Niedrigzinsphase. Hoch… Mehr

prague
1 Monat her

Vieleicht ist das eine Verschwörungstheorie, aber ich glaube, wir werden schon überwacht, aber jetzt will man das kompletieren. Die meisten Verschwörungstheorien haben sich als Wahrheiten entpuppt, aber viele sind selbstschuld, man giebt überall seine Daten, ob in Supermarkt(Punkte), EC Karten, überall wo man was gewinnen kann und bei vielen anderen. Ich zahle z.B. nur bar, wenn ich einkaufe, aber man muss vorher das Geld abheben und das ist „schwerste Arbeit“.

Will Hunting
1 Monat her

Damit erwischt man vermutlich einige der ganzen ganz Doofen unter den Schändern. Die Profis fungieren doch ganz anders und belächeln diese Iniative. Vielleicht verstärkt das eher die Bemühungen unentdeckt zu bleiben. Das Vorhaben ist grotesk. Auch der Beifang steht in keinem Verhältnis. Die EU ist ein schreckliches Desaster für Deutschland. Aber wir wirtschaften uns solange runter bis wir Nettoempfänger werden. Auch eine Möglichkeit die EU zu legitimieren.

Brauer
1 Monat her

2 Frauen die auf der dunklen Seite der Macht stehen.

bfwied
1 Monat her

Denkweise von Machtbesessenen: Das Grundgesetz ist aus der Zeit gefallen, muss zum Schutz der Machtbesessenen umgebaut werden – man kann ja, nach neuer Richterbesetzung, den Wortlaut lassen, aber eben modern interpretieren, auch es so machen, wie beim Klimaurteil, dass man die Grünen zurate zieht -, freie Meinungsäußerung darf nicht zulässig sein, dazu muss die Privatsphäre in den Mülleimer geworfen werden – könnte ja gefährlich werden -, dafür muss die Barzahlung verboten werden, es muss KI zur Totalüberwachung und Auswertung trainiert und eingesetzt werden, die Computer müssen von eingeschleuster KI-Programmierung überwacht werden, alles, was den Computer verlässt, muss nochmals von KI… Mehr

Teiresias
1 Monat her

Ich halte die „kritischen Stimmen“ für Fake.
Die wissen genau, wo sie landen, wenn Meinungsfreiheit, Vernunft und die Interessen der Bürger der europäischen Staaten Oberhand gewinnen.

bfwied
1 Monat her
Antworten an  Teiresias

Daher verteidigen sie ständig brüllend „unsere Demokratie“.
Herr, vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun.

Bernd Geiss
1 Monat her

Wenn das kommt dann heißt es Rückbesinnung dahin gehend wie es früher gemacht wurde wenn es niemanden etwas anging. Absprachen unter 4 Augen keine Zeugen keine Beweise.

bfwied
1 Monat her
Antworten an  Bernd Geiss

Dazu ist die Welt zu kompliziert geworden, zu verstreut die Partner. Man kann nicht zurück in die Welt von1850! Eine Stasi hat grundsätzlich kein Lebensrecht.