In Frankreich gibt es zum neuen Premier Sébastien Lecornu auch eine neue Protestbewegung. Obwohl der Gründer weder mit Parteien noch Gewerkschaften sympathisiert, sprangen umgehend linke Fahrensleute auf und begannen mit der Blockade des Landes. Das gab der Regierung die Chance zum harten Durchgreifen.
picture alliance / Hans Lucas | Valentin Faivre
Frankreich hat einen neuen Premier, den ehemaligen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu. Für RN-Chef Jordan Bardella lautet die Devise Macrons ganz offenbar: „Verändere nie eine Mannschaft, die verliert.“ Macron will auch weiterhin auf die schrumpfende Koalition seiner eigenen Parteiengruppe mit den Republikanern bauen. Daneben hat er die Parole ausgegeben, die Sozialisten mit ins Boot zu holen, also eine Koalition über alle politischen Gräben hinweg, auf denen Macron ohnehin seit je Platz genommen hat. Die Sozialisten wollen zwar gerne regieren, aber nicht sicher in dieser Konstellation.
Lecornu, der als enger Vertrauter Macrons gilt, sagte nun, mit ihm werde es „Brüche“ geben, und zwar „in der Sache, nicht nur in der Form oder Methode“. Der neue Premier will „kreativer“ als sein Vorgänger sein, auch „ernsthafter in der Art und Weise, wie mit den Parteien der Opposition gearbeitet wird“. So will er gar die „Kluft zwischen dem politischen und dem wirklichen Leben des Landes“ beenden. Das ist schon ein erhebliches Eingeständnis, auch wenn es nicht unbedingt Selbstkritik bedeutet. Wer weiß schon, wer an der Kluft schuld ist? Vielleicht ja auch die anderen Parteien.
Derweil hat sich eine neue Protestbewegung des Landes bemächtigt, nur einen Tag nach Lecornus Benennung. Vor dem klassischen, quasi folkloristischen Gewerkschaftstag am 18. September hatte sich für den 10. September eine neue Bewegung angesagt: „Bloquons tout“, „Wir blockieren alles“, nennt sich der Protest, den im wesentlichen Julien Marissiaux, ein Unternehmer und Familienvater aus dem Norden des Landes, angestoßen hat.
Wurde der Protest gekapert?
In dutzenden Städten und kleineren Orten haben sich „Blockierer“ in Szene gesetzt. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, da waren sie schon da. Es handelt sich offenbar um ausgeprägte Frühaufsteher, die etwa die Pariser Umgehungsstraße an mehreren Stellen lahmlegten. In Chambéry in Rhône-Alpes haben später Fahrradfahrer die Benutzung eines Kreisels verunmöglicht, unter der Parole „Streik, Blockade, Macron muss weg!“.
In Marseille zogen rund 400 Demonstranten von der Porte d’Aix zum Bahnhof Saint-Charles. Allenthalben sah man die Bilder von errichteten Barrikaden, kleinen Bränden und auch Attacken gegen die Polizei. Die reagierte teils früh mit dem Einsatz von Tränengas. Das geschah auch andernorts, weil man schlicht keine Straßensperren akzeptierte.
Dazu gab es fast 300 Festnahmen nach einem halben Tag, 171 davon in Paris. 106 Mal lösten die Beamten Blockaden auf. Auch 27 Gymnasien wurden blockiert. In Rennes, wo die Lage als besonders angespannt galt, wurde ein Bus geplündert und in Brand gesetzt.
Laut den Sicherheitskräften handelte es sich um „feindliche Gruppen“, die etwa auch in Lyon mit 200 bis 300 Personen versuchten, Autostraßen zu blockieren. Insgesamt ist das eher das Muster der linksradikalen Klima-Apokalyptiker, die sich anscheinend auf den Zug von „Bloquons tout“ gesetzt haben.
In Bordeaux und Paris wurden solche Blockaden verhindert, wie Innenminister Bruno Retailleau verkündete. Retailleau gesteht der Gruppe zu, als Bürgerbewegung begonnen zu haben, dann aber sei sie vom Linksradikalen Mélenchon und den Seinen gekapert worden: „Es wird die Bewegung der radikalen und Ultralinken sein“, sagte der Innenminister am Montag. 40.000 Gendarmen mobilisierte er dafür im ganzen Land.
Initiator steht für Frexit und Souveränität
Und dabei klangen die Forderungen des Initiators des neuen Protestes gar nicht alle nach linker Radikalität. Ins Rollen gebracht hatte die Sache Julien Marissiaux, ein Unternehmer und Familienvater aus der Region aus dem Norden des Landes. Nach lokalen Anfängen verbreitete Marrissiaux sein Programm auch landesweit, vor allem über einen Telegram-Kanal und eine Website, jeweils unter dem Namen „Les Essentiels“.
Marissiaux fordert ein „souveränes Frankreich“. Das Volk müsse die Staatsschulden in die eigenen Hände nehmen, was etwas unbestimmt, aber nicht vollkommen abwegig klingt. Daneben soll das Land „definitiv“ aus der EU austreten und die produzierende Industrie massiv gefördert werden. Ein „Schock der Lohngerechtigkeit“ ergänzt die Forderungen. Deren Gipfelpunkt: Natürlich müsse zuerst Emmanuel Macron zurücktreten, damit so ein Plan überhaupt gelingen kann. Als Vorbilder sieht der 43-jährige Marissaux auch die Gelbwesten (gilets jaunes) an, die seit Jahren gegen eine verfehlte, bürgerfeindliche Politik protestieren.
Das offizielle Frankreich blickt mit erwartbarem Argwohn auf die neue Bewegung, die eigentlich keine einheitliche Gruppe ist. Vielmehr kämen hier mehrere „Gemeinschaften“ zusammen, die sich gegen die Institutionen, gegen die Politik oder gegen die etablierten Medien richten – Gruppen, die auch schon um die Gelbwesten-Proteste aktiv waren. Eine größere Reichweite gewann Marissiaux aber erst seit François Bayrous Mehrjahres-Sparplanvom Juli, in dem der Premier unter anderem die Streichung zweier Feiertage als Opfer der Franzosen an ihren Haushalt gefordert hatte.
Gewerkschaft hatte erst Rechts-Verdacht, sprang dann aber auf
Auf den Zug sprang dann allerdings auch die wichtigste Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (CGT) auf, die anfangs eine „rechtsextreme Kerngruppe“ hinter dem Protestaufruf vermutet hatte. Am Ende forderte sie ihre Mitglieder auf, am 10. wie am 18. September „alles durch einen Streik zu blockieren“.
Laut einer Studie sollen etwa 70 Prozent der Unterstützer von „Bloquons tout“ bei den letzten Präsidentschaftswahlen für Jean-Luc Mélenchon gestimmt haben. Das Programm von Marissiaux (wenn man davon sprechen möchte) verbindet aber linke und rechte Themen. Er hat sich von Marine Le Pen ebenso wie von Jean-Luc Mélenchon distanziert, sie als „ultimativen Riegel“ und ihn als „Saugdüse des Zorns“ bezeichnet. Daneben forderte er auch die Auflösung von Parteien, Gewerkschaften und ähnlichem. Online teilte er einen Beitrag des unabhängigen Nationalkonservativen und Frexit-Souveränisten Philippe de Villiers.
Auf seiner Facebook-Seite erklärte er unlängst: „Der 10. September ist weder extrem links noch extrem rechts, sondern extrem notwendig.“ Vor allem bedauert Marissiaux die Zerstörung der Gelbwesten-Bewegung: „Wie immer, wenn ein populärer Impuls zu stark, zu verbindend, zu authentisch wird, reagiert das System.“ Maurissiaux wollte diesen Impuls neu aufnehmen, und das „ohne Vermittler, ohne Filter, ohne Partei“. Wie sich Marissiaux die Blockade der Regierung vorstellte, bleibt ungewiss, aber klar ist, dass man den Charakter einer Bewegung auch durch das Personal rasch ändern kann – und in diesem Fall scheinen die bekannten Links-Anarchisten zugeschlagen zu haben. Vielleicht hätte Marissiaux wissen müssen, dass die titelgebende „Blockade“ dem antikapitalistischen Faulenzer am nächsten liegt, erlaubt sie es ihm doch, auf fruchtbringende Arbeit zu verzichten.
Schon vor dem Protest von diesem Mittwoch warnte der Pariser Polizeipräfekt Laurent Nunez, man werde keine „Verschlechterung“ der Lage bei den Protesten hinnehmen. Das bedeutete: Die regierende Elite möchte keine Störungen, egal ob mit oder ohne Gewalt. Die Enthemmtheit der Linken erlaubte ein hartes Durchgreifen. Und so ist wieder Ruhe im Karton. Auch deshalb musste Macron so geschwind seinen Vertrauten Lecornu zum Premier machen. Jeder Protest soll auf eine in sich geeinte, stabile Exekutive treffen. Ob sie dann wirklich und auf Dauer stabil ist, ist von nachgeordneter Bedeutung.

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Es sind ganz normale Menschen, die „bloquons tout“ im Vorfeld unterstützten. Wenn Menschen von Arbeit nicht mehr leben können, gleichzeitig wenige Menschen immer reicher werden und eine Mitbestimmung nur noch Makulatur ist, interessiert die Frage „ist es links oder rechts“ doch niemand mehr. Marissiaux hat Recht: Es stimmt etwas nicht mehr. Aus meiner Sicht hat die Linke nicht verstanden, dass sie von Weltkräften instrumentalisiert wird. Denn so „links“ die Politik auch ist (so ineffizient auch manches wurde): Dem kleinen Mann hilft das alles nichts.
Macron ist gestartet, um genau diesen Zustand zu verhindern, er wusste schon seit Jahren, dass es mit Frankreichs Finanzen so nicht mehr weitergehen konnte. Und was war passiert? Die Gelbwesten protestierten und randalierten, bis Macron die Nase voll hatte, nur noch nette Außenpolitik machte und zu Hause einen Premierminister nach dem anderen verheizte und alles einfach weiterlaufen ließ. Jetzt knallt es, aber es ist nur eine von Melenchon aufgehetzte Minderheit, die derzeit auf die Straße geht. Übrigens: . Die „normalen“ Franzosen sind stinksauer, dass bei den Demos auch palästinensische Flaggen geschwenkt wurden, die damit überhaupt nichts zu tun haben.
Finnland ist pleite. Dort werden öffentlich Angestellte gefeuert, die MwSt erhöht. Die Preise steigen. Die wirtschaftliche Talfahrt geht weiter. Junge, gut Ausgebildete verlassen das Land. Die Geburtenraten fällt in den Keller.
Da kenne ich noch ein anderes Land. Geliefert, wie bestellt. Noch schlimmer als 2009.
So lange wie im höchsten französischen Staatsamt ein Schaumschläger mit flexiblem Rückgrat sitzt wird sich nichts Wichtiges ändern.
Woher soll eine Lösung kommen?
Die haben ein gewaltiges Linksproblem. Links, wo Neid und Missgunst zuhause sind, kennt keine Therapie. Da wird nie gespart, sondern mit scharfen Waffen gekämpft. Frankreich sieht dem finanziellem Ruin entgegen. Und damit wird – infolge des fatalen Euros – auch Deutschland in den Strudel gezogen.
Ich glaube nicht, dass Deutschland Frankreich braucht, um abzuwirtschaften. Das schaffen wir ganz allein. Wir sind bereits auf einem „guten Weg“.
mal sehen, wer denkt, so kann man einen Staat lenken, der irrt Gewaltig, irgendwan kommen die Barikaden…. und dann gnade….
Es lebe der Globalismus. Die EU ist ein Friedensprojekt und Frankreich ihr glorreiches Aushängeschild.
Nie gab es ein besseres Europa als jetzt.
Es lebe die EudSSR.
PS: Es kann nur besser werden , wenn sich alles ändert.
Vielleicht mal die normalen Menschen ran lassen.
Westeuropa steht und leidet unter dem Kuratel der Globalisten.
Daher wird auch der neue Premierminister Sébastien Lecornu keine Lösung finden, den Weg seines Landes in den finanzpolitischen Untergang aufzuhalten; ähnliches gilt für den deutschen Bundeskanzler.
Augenscheinlich bedarf es für einen substantiellen Kurswechsel jen- wie dieseits des Rheins eines wie auch immer gearteten Zusammenbruchs.
Entgegen der sich gegenwärtig als Wirklichkeit darbietenden Dystopie steht die anthropologische Wahrheit: Am Ende aller Tage zählen nur zwei Dinge: die Liebe und eine .45.
Wie soll er auch eine „Lösung finden“, wenn er selbst Globalist und die Abschaffung der Nationalstaaten das Ziel ist? Ähnliches gilt auch für den „deutschen“ Bundeskanzler.
> Westeuropa steht und leidet unter dem Kuratel der Globalisten.
Stimmt. Paul Craig Roberts meint sogar, der Westen entwickle sich hin zum Kommunismus – wobei er vermutlich vor allem Westeuropa meint: https://uncutnews.ch/entwickelt-sich-die-westliche-welt-zum-kommunismus/ In den USA wird es gerade ausgebremst.
Bevor sich hier wieder über die Franzosen aufgeregt wird: die tun wenigstens etwas. Und sie kennen auch ihren Feind, den Staat im Allgemeinen. Vielleicht sind sie dabei künftig sogar schlau genug, die nur der Herrschaft dienenden Spaltung von „links“ und „rechts“ zu überwinden. Deutsche werden dazu niemals in der Lage sein…
Was sehr viele Menschen nicht verstehen ist, daß Sozialleistungen keine Geschenke sind, sondern zuerst mal Leistungen, die irgendjemand zuvor erwirtschaften muß. Das funktioniert eine Weile lang, wenn nicht bemerkt wird, daß man sich eigentlich diese Leistungen selber bezahlt. Aber wenn das Geld aus verschiedenen Gründen nicht mehr ausreicht, gibt es nur zwei Lösungen:
Sozialleistungen kürzen, oder Steuern erhöhen. „Sozial“ ist beides nicht, aber das passiert nunmal, wenn man den Tatsachen nicht ins Auge schauen will und obendrauf auch noch nur all zu gerne auf Wahlversprechen herein fällt.
Ich gebe Ihnen recht, aber was hat das mit meiner Aussage zu tun?
Das ist eigentlich ganz einfach.
Der „Staat“ macht vor den Wahlen Versprechungen und das“Volk“ nimmt das gerne an.
Aber weder Staat, noch Volk denken daran, daß man den Euro nur einmal ausgeben kann.
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann sind die Franzosen gerade gegen „Sozial“leistungskürzungen und gegen Steuererhöhungen.
Das ist verständlich, nur das Geld fällt nunmal auch in Frankreich nicht vom Himmel.
Fakt ist, daß der „rosa Elefant“ einfach nicht aus dem Raum geschaffen wird, den partout keiner sehen will!
Nö, die Franzosen lieben mehrheitlich den Staat ähnlich wie die Deutschen – jedenfalls solange er das Geld der Leistungsträger zu ihren Gunsten umverteilt.
Sie Missverstehen die Mehrheit der Franzosen!
Die wollen KEINE Einschränkungen, die wollen keine Veränderungen! Da wird es KEIN „überwinden“ geben! Wieso auch… es gibt ja kaum Konservative in diesem kommunistischen Land! Haben sie sich noch nie gefragt warum die Franzosen auf dem Land in WINZIG Kleinen Häusern hausen? Die bauen Hüttchen NEU, winzig obwohl Platz ohne Ende!!!!
Ganz einfach weil das Land kommunistisch ist! Da wird das Haus nach der Grösse besteuert EGAL wo es Steht!!!!! ALLE SIND „GLEICH“!
Frankreich erleidet das Schicksal fast aller diversen Gesellschaften – es scheitert grausam. Die meisten Franzosen scheinen nicht zu ahnen, was auf sie zukommt, wenn sie den Weg Griechenlands gehen, diesmal aber ohne „Rettung“ durch die EZB. Wenn im Strudel einer Finanz- und Währungskrise Italien mit in den Abgrund gerissen wird, werden weder Gelbwesten noch RN helfen. Dann heißt es den Gürtel eng, sehr eng schnallen und viele, viele Jahre auf ein schönes Leben verzichten.
Alles schon einmal dagewesen, nachzulesen unter „Lateinische Münzunion“.
Die Erinnerung an die „Latainische Münzunion“ ist überfällig.
Auch deshalb verdient der Kommentar von Herrn „Boris G“ das Urteil: Sehr gut!