Die Politik der Kettensäge – wie CDU, CSU und SPD sie verstehen

Der Springer-Verlag inszeniert den unbekanntesten Minister im Kabinett Friedrich Merz als deutschen Javier Milei. Der verspricht eine Politik der Kettensäge. Doch in der schwarz-roten Regierung haben sie ihre eigene Idee davon, wie die funktioniert.

picture alliance/dpa | Katharina Kausche

Das Familienministerium hat Gerd Schröder (SPD) einst als Ministerium für “Gedöns” bezeichnet. Zur Verteidigung des Altkanzlers muss man sagen, dass es damals das “Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung” noch nicht gab. Das hat erst Friedrich Merz (CDU) als Kanzler gegründet: zum Abbau der Bürokratie zusätzliche Verwaltung. Als Experte für Digitalisierung einen Manager, der mit Saturn und Media Markt das Online-Geschäft verschlafen hat – Friedrich Merz halt.

Laut Umfragen kennen die allermeisten Bürger den zuständigen Minister noch nicht. Er heißt Karsten Wildberger (CDU). Mit dem Problem beladen, blass und wirkungslos zu sein, hat sich der Staatsmodernisierungsminister an Experten gewandt. Experten mit Übung darin, einen Mann von der politischen Außenlinie als Mittelstürmer zu inszenieren: die Macher vom Springer-Verlag.

Die haben damals schon Justizminister Marco Buschmann (FDP) als harten Mann inszeniert, der versprochen hat, die Saboteure der Ostsee-Pipeline Nordstream jagen zu wollen. Und das hat er ja dann auch getan. Er hat sie gejagt. Dass er sie erwischen würde, hat der Erfinder des Selbstbestimmungsgesetzes nie versprochen. Aber dafür hat er so wunderbar entschlossen in die Kameras des Springer-Verlags geblickt – wie ein Chihuahua, der sich selbst als Dobermann liest.

Nun hat der Springer-Verlag Karsten Wildberger seinen Buschmann-Moment verschafft. Die Bild schreibt über ihn: “Digitalminister Karsten Wildberger wirft die Kettensäge an und stellt der Regierung ein Anti-Bürokratie-Ultimatum!” Extra mit Ausrufezeichen. Die Kettensäge. So wie der argentinische Präsident. Karsten Wildberger als Javier Milei, den man auf Temu bestellt. Am Rande ein Service für den Staatsmodernisierungsminister: Temu ist ein Online-Händler. Die arbeiten mit diesem Internet da.

Wildberger will die Bürokratie in Deutschland abbauen. Das ist dem Springer-Verlag eine Schlagzeile wert. Völlig zu Recht. Wie oft passiert das schon, dass in Berlin ein Politiker den Abbau der Bürokratie fordert? Doch höchstens 200-mal am Tag. Und der Staatsmodernisierungsminister hat ja auch ganz konkrete Vorschläge: Er fordert ganz konkret die anderen Minister auf, ganz konkret vorzuschlagen, was sie ganz konkret umsetzen wollen. In Berlin kreist wirklich die Kettensäge. Außerdem plant Wildberger ein “Entlastungskabinett”. Denn nichts baut Bürokratie so zuverlässig ab wie ein Arbeitskreis – gut, vielleicht noch ein zusätzliches Ministerium.

Profanere Geister als Wildberger würden aufs Geld schauen, um zu bewerten, wie die Staatsmodernisierung in Deutschland läuft. Da muss TE sich selbst korrigieren. Wir haben am gestrigen Mittwoch berichtet, dass die schwarz-rote Koalition an nahezu keiner Stelle spare. Das lässt sich so nicht halten. Die Regierung Friedrich Merz spart nämlich – in der Forschung und in der Digitalpolitik. Die sind ja auch für die Zukunft eines Landes nicht so wichtig wie der Sozialetat oder die Repräsentations-Ausgaben des Kanzlers oder des Bundespräsidenten.

Entwurf Haushalt für 2026
CDU, CSU und SPD haben das große Geldausgeben begonnen
 Der Etat des Forschungsministeriums sinkt im nächsten Jahr um 1,1 auf dann 21,3 Milliarden Euro. Die 1,1 Milliarden Euro spart die Regierung Merz laut einer Mitteilung des Bundestages explizit und ausschließlich im Bereich “Investitionen” ein. Zur Erinnerung: Ihre Schuldenorgie von 850 Milliarden Euro rechtfertigt die gleiche Regierung damit, das Geld käme Investitionen in die Zukunft zugute – und würde nicht einfach verfrühstückt.

Auch die Digitalpolitik hält die Regierung Merz offensichtlich nicht für ein Zukunftsthema. Schließlich hat sie den Staatsmodernisierungsminister Wildberger – das muss reichen. So reduziert der Bund die Ausgaben für den Breitbandausbau von 2,93 auf 2,25 Milliarden Euro. Im Mobilfunkausbau geht der Etat um 200 Millionen Euro zurück. Einen Aufwuchs gibt es im Bereich des Digitalen aber auch: in der Verwaltung. Von 18,6 auf 21,2 Millionen Euro steigen die “Verwaltungsausgaben der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft”. 14 Prozent höhere Verwaltungskosten innerhalb eines Jahres. Oder wie es der Springer-Verlag zu verkaufen sucht: In Berlin kreist die Kettensäge.

Steuern müssen die Bürger weiterhin bezahlen. 66 Milliarden Euro waren es laut Finanzministerium allein im Juli. Drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Wobei der Zuwachs vor allem aus dem Bereich der Einkommenssteuer kommt. Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sind indes zurückgegangen. Für Arbeitnehmer bedeutet das eine schlechte und eine gute Nachricht: Der Staat lässt ihnen nichts mehr von ihrem Lohn übrig, dafür müssen sie sich aber auch nicht sorgen, wie sie ihr Geld ausgeben. Staatsmodernisierung, wie sie die Regierung Friedrich Merz versteht. Deren Minister für Gedöns und Kettensägen heißt übrigens Karsten Wildberger.

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Kommentare ( 30 )

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Rasparis
3 Monate her

Ein echter Wildberger ist z.B. diese rhetorische Preziose (PR-Gespraech mit „Handelsblatt“): „Das Narrativ [der „Buerger“] ueber das Potential ‚unseres‘ Landes ist zu negativ.“ Waere das Narrativ „ueber das Potential ‚unseres‘ Landes“ also „positiv“ -das will Wildberger von den „Buergen“ offenbar hoeren-, so waere es aber immer noch ein Narrativ. Kleinigkeiten wie die Grundrechte mit Blick auf seine digitale Total-ID interessieren den Herrn schon einmal gar nicht, scheint er auch nicht zu kennen. Verwechselt „Buerger“ offenbar mit Umsatzkurven bei „Media-Markt Saturn“. I.ue. wird Merzens forscher Quix bald feststellen, dass er ohne „Sachkundenachweis“ der Buerokratie mit dem Betrieb seiner Kettensaege gar nicht… Mehr

Last edited 3 Monate her by Rasparis
Klaus Weber
3 Monate her

Der einzige Weg, Bürokratie abzubauen, ist es, Bürokraten abzubauen. Geschieht dies nicht, finden die garantiert neue Wege, ihre „Untertanen“ zu quälen.

AlpenLady
3 Monate her
Antworten an  Klaus Weber

Die „Daseins-Berechtigung“ eines Bürokraten-Beamten ist doch die Bürokratie zu erweitern und zu verkomplizieren. Sonst würde man ihn doch nicht brauchen!

Haba Orwell
3 Monate her

> Die Regierung Friedrich Merz spart nämlich – in der Forschung und in der Digitalpolitik. Die sind ja auch für die Zukunft eines Landes nicht so wichtig wie der Sozialetat oder die Repräsentations-Ausgaben des Kanzlers oder des Bundespräsidenten. Wie denn, unwichtig – sie sind die Grundlage des modernen Regierens: https://uncutnews.ch/peter-thiel-und-der-technokratische-schattenstaat-mythos-oder-stille-machtuebernahme-in-washington/ > „… Bereits 2009 ließ Thiel mit seinem Essay „The Education of a Libertarian“ aufhorchen. Darin erklärte er die klassische Demokratie für überholt – zu langsam, zu populistisch, zu ineffizient. Stattdessen setzte er auf eine von Eliten geführte Zukunft – technokratisch, datengestützt, kapitalnah. …“ Vielleicht müsste man froh sein, dass… Mehr

alter weisser Mann
3 Monate her

Digitalisierung, KI, Robotik ….. alles Felder wo die Post abgeht und die Spitze, mit USA und China ganz vorn, Deutschland mittlerweile um Jahre voraus ist. Und hier redet man über Faxgeräte, die Onlinezugänge zu Behörden u.ä. sind ein Desaster, nach jeder Systemumstellung sind Daten weg und sie dürfen sich neu anmelden mit noch mehr Sicherheitsschlüsseln usw.. So Großprojekte wie die Elektronische Patientakte werden absehbar ein Desaster, weil 80% der Kunden da nicht mitmachen oder nur unstrukturiert pdf-Dateien abstapeln. Zumal der Arzt ja den Arztbrief des Kollegen eh bestenfalls im Termin kurz anschaut, der hat doch weder Zeit noch Bock, auch… Mehr

NochNicht2022
3 Monate her

Der Tralala-Minister – hatte sich gerade rechtzeitig bei seinem Hightech-Unternehmen (= Elektro-Handelshaus) „vom Acker gemacht“, da die Chinesen mittlerweile seinen früheren Arbeitgeber mehrheitlich übernehmen – hat selbst keinen Plan: Seine Ministerkollegen sollen ihm melden (!), wo sie „an Bürokratie einsparen wollen“. Dümmer geht’s nimmer! So einen Taugenichts braucht niemand: Er hat immer noch nicht kappiert, daß der Gesetzgeber (!), also eben seine Ministerkollegen, seit Jahrzehnten die tatsächlichen Bürokratietreiber und -verursacher (!) sind, sonst niemand im Lande. Und was ist bereits in 2025 schon wiederum passiert: Dutzende neuer Gesetze, sprich Bürokratie-Monster, in nahezu allen Politikfeldern. Sprachlich muß man „Gesetze“ besser als… Mehr

Haba Orwell
3 Monate her
Antworten an  NochNicht2022

> Er hat immer noch nicht kappiert, daß der Gesetzgeber (!), also eben seine Ministerkollegen, seit Jahrzehnten die tatsächlichen Bürokratietreiber und -verursacher (!) sind

Dabei muss man nur auf längst vorhandenes Wissen zurückgreifen: https://de.wikipedia.org/wiki/Parkinsonsche_Gesetze

Dazu noch allerlei Typende:innen vom Stamm Nimm, die warme Posten als irgendwelche Climate-Gender-Antirassismus-Koordinierende:innen anstreben. Mit der fallenden Bildung können viele „Bio-Michels“ keiner richtigen Arbeit nachgehen – wozu denn, wenn „Deutschland sooooo reich“ sei?

Freiheit fuer Argumente
3 Monate her

Gestern in der Tagesschau:

Demnächst 125 Mio./Jahr zur ‚Förderung‘ von Computerspielen.

Andere verdienen richtig Geld damit. Wenn da etwas ‚gefördert‘ werden muss, dann handelt es sich um Produkte, die der Kunde nicht will. Zum Beispiel weil sie ideologisch verseucht sind.

Oder das Ganze ist lediglich ein Vorwand zur staatlichen Alimentierung von Akteuren aus dem eigenen Vorfeld..

Juergen Schmidt
3 Monate her

Ich verstehe jetzt nicht ganz die Verwunderung oder die Empörung?
Wozu jetzt noch investieren in Bildung und Forschung in einem lediglich besetzten Gebiet, in dem seit vielen Jahren der Morgenthau- und der Hooton-Plan umgesetzt werden?
Ganz aktuell gilt zusätzlich: plündern was geht, und den Rest dann zum passenden Zeitpunkt nochmal ins Feuer schicken gegen Russland. Der Blackrock-Mann im Kanzleramt arbeitet völlig offensichtlich und zielstrebig daran.

Last edited 3 Monate her by Juergen Schmidt
corsen
3 Monate her

Ich mag Ihren Humor, Herr Thurnes!👍🏼

Alf
3 Monate her

Der Staat ist nicht die Lösung, der Staat ist das Problem.
Übertragen auf Deutschland:
CDU, CSU und SPD – die Koalition der Wahlverlierer – sind das Problem.
Viva la libertad, carajo!

Orlando M.
3 Monate her

Die machen schon eine Politik der Kettensäge, allerdings wird die an die Kehle der Bürger gesetzt, aus denen noch etwas herauszusägen ist und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Die Kettensäge als passendes Symbol einer zutiefst leistungsfeindlichen Politik.