Sind Migranten ebenso kriminell wie Deutsche?

Gelegentlich hilft ein Blick in die Statistik: Das zunehmende Gefühl der Bedrohung findet teilweise seine Berechtigung in den Zahlen der Statistik des Bundeskriminalamtes. In diesem Beitrag nur, was die Statistik hergibt. Keine Ursachenanalyse und Lösungsansätze.

Seit der Silvesternacht 2015 entstanden in Deutschland zwei unterschiedliche, scheinbar unvereinbare Ansichten zur Kriminalität von Migranten. Aus sehr verschiedenen Motiven jonglieren beide Lager mit Vermutungen, Argumenten, Zahlen und Statistiken.

So beispielsweise spricht eine Seite von Einzelfällen, wenn Migranten Straftaten begehen, während die andere Seite diese Einzelfälle summiert und aggregiert auf einer Deutschlandkarte darstellt. Die Neigung zu Sexualdelikten von Migranten aufgrund ihrer kulturellen und religiösen Prägung wird thematisiert, während umgekehrt auf hohe Dunkelziffern in deutschen Familien und auf Volksfesten verwiesen wird.

Derartig geäußerte Vermutungen und Zahlenspielereien sind nicht besonders hilfreich, wenn man eine Abweichung vom Normalzustand identifizieren, als Problem erkennen und als solches lösen möchte.

Die polizeiliche Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland als Jahrbuch 2015 bietet auf knapp 400 Seiten eine umfangreiche, verlässliche und belastbare Datenbasis zum Kriminalitätsverhalten der Einwohner Deutschlands.

Wie kriminell verhalten sich Migranten im Verhältnis zu anderen Gruppen? Im Folgenden werden ausgewählte Segmente der BKA-Statistik zur Beantwortung dieser Frage herangezogen. Zunächst wird das Verhalten über alle Straftatbestände hinweg interpretiert, dann der gesellschaftlich besonders sensible Bereich der Sexualdelikte. Abschließend wird die Analysemethode erklärt, um die getroffenen Aussagen nachvollziehbar darzustellen. Dieser Artikel präsentiert jedoch weder eine Ursachenanalyse noch Lösungsansätze.

Vorbemerkungen:

Die folgenden Aussagen beziehungsweise Auswertungen beziehen sich ausschließlich auf die bei aufgeklärten Straffällen ermittelten Tatverdächtigen (Straftäter). Auch werden ausländerrechtliche Verstöße von der Betrachtung ausgenommen. Alles andere würde zu Verfälschungen führen, so man der Frage nachgeht, ob es Unterschiede bei der Kriminalitätsquote zwischen Deutschen und Nichtdeutschen gibt. Zudem dürfte die deutsche Bevölkerung solche Straftaten nicht als Bedrohung wahrnehmen.

Migranten werden in der BKA-Statistik nicht gesondert geführt, sondern der Gruppe der Nichtdeutschen zugeordnet. Nichtdeutsche sind Personen ausländischer Staatsangehörigkeit und Staatenlose. Migranten sind eine Teilmenge der Gesamtmenge Nichtdeutsche.

Tatverdächtig ist jeder, der nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte verdächtig ist, rechtswidrig eine (Straf-)Tat begangen zu haben. Dazu zählen auch Mittäter, Anstifter und Gehilfen.

Resultate:

I. Sind Migranten krimineller als Nichtdeutsche?

1_Tatverdaechtige

Die Gesamtkriminalitätsquote der Deutschen lag 2015 bei 1,98%, die der Nichtdeutschen bei 6,42%.

Die Gesamtkriminalitätsquote der Deutschen lag 2014 bei 2,07%, die der Nichtdeutschen bei 6,68%.

Gegenüber 2014 sank die Quote der Deutschen und sanke die Quote der Nichtdeutschen – jedoch nicht wesentlich.

Die Quote bei Sexualdelikten betrug 2015 0,0054% für Deutsche und 0,0226% für Nichtdeutsche. Insgesamt nahm die Zahl der Sexualdelikte um 19,7% ab. Zu der Verteilung dieser Abnahme auf die Gruppen gibt es, wegen fehlender Daten aus dem Jahr 2014, keine Möglichkeit der Berechnung.

2_Sexualdelikte

Wenn man der hier dargestellten Auswertungslogik folgt, die die Anzahl der Straftäter einer Gruppe in ein Verhältnis zur der Gesamtzahl der Personen dieser Gruppe setzt, dann hat der starke Zuzug von Migranten die Kriminalitätsquote der Nichtdeutschen nicht steigen lassen.

Anders formuliert: Eine möglicherweise von der Bevölkerung wahrgenommene Steigerung einer kriminellen Bedrohung durch die 2015 zugereisten Migranten kann durch die Zahlen der BKA-Statistik nicht erklärt werden. Jedoch ist die Aussage, Migranten seien ebenso kriminell wie Deutsche, so auf jeden Fall nicht haltbar.

Vorstellbar ist, dass die gefühlte Bedrohung durch Migranten auf die wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit, von dieser Gruppe kriminell angegangen zu werden, zurückzuführen ist. Dabei spielt auch die gestiegene absolute Häufigkeit von Straftatbeständen aufgrund des Zuzugs von nahezu 1 Million Menschen eine Rolle. Zumal, wenn sie relativ konzentriert untergebracht werden und auftreten. Das allerdings ist, bei der derzeitigen Integrationspraxis, nahezu unvermeidlich. Die Bevölkerung wird Relativbetrachtungen nicht wahrnehmen, sehr wohl aber die plötzliche, konzentrierte, absolute Zunahme von Strafdelikten aufgrund der kurzzeitigen aber starken Zuwanderung.

II. Die Kriminalitätsquote der Nichtdeutschen

Die Auswertung des BKA kann zur Annahme verführen, Deutsche seien sehr viel häufiger an Sexualstraftaten beteiligt als Nichtdeutsche. Richtig ist, dass der Anteil an Sexualstraftätern an der Gesamtmenge aller deutscher Straftäter wesentlich höher als der der Vergleichsgruppe ist.

Setzt man allerdings auch hier die Anzahl der Straftäter einer Gruppe in ein Verhältnis zu der Gesamtmenge ihrer Gruppe, zeigt sich wieder ein völlig anderes Ergebnis: Nichtdeutsche werden etwa dreimal so häufig kriminell auffällig wie Deutsche und begehen, im sozial sensiblen Bereich der Sexualdelikte Vergewaltigung und Nötigung, etwa viermal so häufig Straftaten.

Die Wahrscheinlichkeit einer Straftat von Nichtdeutschen ist deutlich höher als die von Deutschen. Diese Quote war zumindest in den letzten beiden Jahren relativ konstant. Die gesamte Kriminalitätsrate Deutschlands steigt, wenn eine Gruppe mit einer höheren, wenn auch konstant höheren Rate wächst und die Anzahl der Personen der anderen Gruppe gleichbleibt oder sinkt. Genau das zeigt die BKA-Statistik.

Hier zeigt sich ein Grund für die Spaltung einer Gesellschaft und an dieser Stelle muss dringend Ursachenforschung und Problemlösung von kompetenter Seite betrieben werden, will man eine langfristige Stabilisierung dieser Tendenz vermeiden.

Die Berichte aus 2016 deuten keineswegs eine Verbesserung der Situation an. Man kann bloß hoffen, dass in der 2016er BKA-Statistik keine Trendverstärkung erkennbar werden wird.

Methodik und Nachweise

Bevölkerung

  • Die deutsche Bevölkerung bestand 2015 aus 82,2 Millionen.
  • Diese verteilten sich auf 73,5 Mio. Deutsche und 8,7 Mio. Nichtdeutsche.
  • Die Bevölkerung in D stieg 2015 um 0,5% gegenüber dem Vorjahr.
  • Der Anteil der deutschen Bevölkerung sank um 0,18%, der Anteil der nichtdeutschen stieg durch den hohen Zuzug von Migranten um 14,7%.

Straftaten insgesamt

  • Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 6.330.649 Straftaten polizeilich registriert. Gegenüber dem Vorjahr stieg diese Zahl um 10,2%. (-0,6% ohne ausländerrechtliche Verstöße).
  • Die Aufklärungsquote stieg um 3,5%.
  • Im Jahr 2015 wurden 2.369.036 Tatverdächtige ermittelt. Gegenüber dem Vorjahr stieg diese Zahl um 4,1%.
  • Die Anzahl der deutschen Tatverdächtigen betrug 2015 1.457.172 (1.456.078 ohne ausländerrechtliche Verstöße). Die Anzahl der deutschen Tatverdächtigen sank 2015 um 4,9% (-4,9%).
    Die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen betrug 2015 911.864 (555.820 ohne ausländerrechtliche Verstöße). Die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen stieg um 47,7% (12,8%).

Die BKA-Statistik ermittelt bei der Zeitreihenanalyse die Veränderungen der Tatverdächtigungen zum Vorjahr. Interessanter sind die Veränderungen der Tatverdächtigen ohne ausländerrechtliche Verstöße im Verhältnis zur Bevölkerungsentwicklung der jeweiligen Gruppe.

  • Die Anzahl der deutschen Tatverdächtigen betrug 2015 1.456.078.
    Die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen betrug 2015 555.820.
  • In der Altersgruppe 18-21 Jahre betrug die Veränderung -6,4% (Deutsche) respektive 23,1% (Nichtdeutsche) ohne ausländerrechtliche Verstöße.
  • In der Altersgruppe 21-25 Jahre betrug die Veränderung -9,2% (Deutsche) respektive 20,5% (Nichtdeutsche) ohne ausländerrechtliche Verstöße.
  • Die stärksten Steigerungen zeigten sich bei den Straftatbeständen Körperverletzung, Ladendiebstahl und Bedrohung.

Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (Fallklasse: 111.000 der BKA Statistik)

  • 2015 wurden 5.896 Tatverdächtige dieser Art Delikt zugeordnet. 2014 waren es 7.345 Personen.
  • Der Anteil deutscher Tatverdächtiger an der Summe betrug 66,7% (3.944).
    Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an der Gesamtzahl der Sexualdelikte betrug 33,1% (1.952).

Die Statistik 2014 differenziert bezgl. FK 111000 nicht zwischen diesen Bevölkerungsteilen.

Die Auswertung des BKA weist zusätzlich den Anteil dieser Sexualdelikte in Höhe von 0,3% für Deutsche und einen Anteil Nichtdeutscher von 0,2% aus. Hier allerdings bezieht sie die Berechnung auf die Gesamtzahl der Straftaten der jeweiligen Gruppe.

Diese Berechnungsmethode könnte zu der Annahme verleiten, dass Deutsche häufiger Sexualdelikte begehen als Nichtdeutsche. Tatsächlich muss man die Anzahl der Delikte zu der jeweiligen Bevölkerungszahl ins Verhältnis setzen. Dann betrug die Quote bei Sexualdelikten 0,0054% für Deutsche und 0,0226% für Nichtdeutsche.

Quellen:

https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2015/pks2015Jahrbuch.pdf?__blob=publicationFile&v=4

https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2014/pks2014ImkBericht.pdf;jsessionid=5DCA4F462EC967891D746D82041DDC03.live0612?__blob=publicationFile&v=1

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen_/lrbev02.html

Heribert Krautscheid

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