Freispruch für Oberst Klein

Von einem hohen deutschen Offizier erreicht uns folgende Darstellung. Sie wirft ein Licht darauf, wie Medien mit Soldaten umgehen - und sich auch durch höchstrichterliche Entscheidungen von ihrem Vorurteil nicht abbringen lassen.

© Sion Touhig/Getty Images

Den Sachverhalt, um den es geht, dürften Sie kennen: Der Abwurf von zwei Bomben auf die Tanklastwagen im Flussbett von Kunduz in Afghanistan durch amerikanische Flugzeuge im September 2009. Angefordert hatte den Luftschlag der damalige Oberst Klein. Anlass war die Kaperung der Tanklaster durch Taliban nahe dem damaligen deutschen Feldlager in Kundus. Klein befürchtete, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen das Feldlager eingesetzt werden könnten. Auf Anforderung der Bundeswehr griffen US-Kampfjets die Tanklaster an. Durch den Angriff wurden wahrscheinlich (die Opferzahlen variieren je nach Quelle) bis zu 100 Menschen, darunter auch Kinder, getötet oder verletzt. Die Aufklärung hatte ergeben, dass sich auch die Talibankommandeure Mullah Siah, Mullah Nasruddin, Mullah Abdul Rahman und Maulawi Naim, die damals den Hauptteil der Aufständischen im Aliabad-Distrikt führten, bei den Tanklastern befanden. Danach ging in Deutschland ein beispielloses mediales Gewitter nieder mit Verschwörungstheorien und allem was dazu gehört. Der Spiegel hat dazu einen Artikel geschrieben, der unter der Überschrift lief: Ein deutsches Verbrechen.

Darin hieß es unter anderem:

„Der Luftschlag von Kunduz, befohlen von Deutschen, macht solch leichtfertiges Reden künftig unmöglich. Er markiert einen neuerlichen Wendepunkt in der deutschen Geschichte, weil er die lange gepflegte Illusion, man könne an Kriegen teilnehmen und dabei Pazifist bleiben, beendet. Schlimmer noch: Während die Deutschen weiter glauben wollten, man könne Panzer in die Welt schicken, aber nur um Brücken zu bauen, machten sich ihre Soldaten draußen in der Welt eines Verbrechens schuldig.

Nichts anderes war der Luftschlag von Kunduz, und zwar ungeachtet dessen, ob juristische Prüfungen am Ende zu anderen Schlüssen kommen, ungeachtet dessen auch, dass den befehlshabenden Offizieren, allen voran Oberst Klein, der Vorsatz, gezielt Zivilisten zu töten, nicht zu unterstellen ist. Wo aber im Zuge einer tödlichen militärischen Operation derart fundamentale Einsatzregeln gebrochen werden, wo letztlich ohne Not, ohne eine unmittelbare Gefahr Bomben auf eine Menschenmenge abgeworfen werden, ist ein Verbrechen anzuzeigen.“

Ungeachtet dessen, dass die Aussagen in den obigen beiden Absätzen polemisch gemeint sind, ist doch einmal festzuhalten, dass Verbrechen ein rechtstechnischer Begriff ist. Er bezeichnet alle Straftaten, die mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

Die Strafverfahren gegen Oberst Klein sind alle lange eingestellt. Der BGH hat am 6. Oktober 2016 in einer Entscheidung letztinstanzlich über die Schadensersatzansprüche von Angehörigen der Kunduz-Toten geurteilt und die Klage abgewiesen. Dabei ging es um die Frage, ob Oberst Klein wenn schon nicht strafrechtlich, so doch zivilrechtlich haftbar gemacht werden kann, weil er zum Beispiel fahrlässig gehandelt hat. Dazu schreibt der BGH:

„Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des deutschen Amtshaftungsrechts scheitert ein hierauf gestützter Schadensersatzanspruch der Kläger im Streitfall jedenfalls daran, dass im Zusammenhang mit dem Luftangriff auf die beiden entführten Tanklastwagen keine Amtspflichtverletzungen deutscher Soldaten oder Dienststellen im Sinne konkreter schuldhafter Verstöße gegen Regeln des humanitären (Kriegs-)Völkerrechts zum Schutze der Zivilbevölkerung festgestellt sind. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass für den PRT-Kommandeur nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten die Anwesenheit von Zivilpersonen im Zielbereich des Luftangriffs objektiv nicht erkennbar war. Die getroffene militärische Entscheidung war daher völkerrechtlich zulässig.“

Das ist ein Freispruch erster Klasse. Das bedeutet, dass sich Klein an alle Vorschriften gehalten hat. Mehr geht im Grunde nicht.

Aber statt nun etwas reflektiert mit dem letztinstanzlich festgestellten Sachverhalt umzugehen, kommentiert Spiegel online:

„Nun sind die Geschehnisse jener Septembernacht des Jahres 2009 auf einer Sandbank nahe Kunduz durch Recherchen des SPIEGEL seit Langem gut dokumentiert: Ein überforderter deutscher Oberst namens Georg Klein schwang sich damals zum großen Krieger auf, bestellte ohne akute Not einen durch zweifelnde US-Piloten ausgeführten Bombenangriff, und so mussten etwa 100 Menschen verbrennen, ersticken, ertrinken und in Stücke gerissen werden, darunter viele Zivilisten, viele Kinder.“

Sie wollten eine nüchterne Betrachtung. Das ist mir nicht ganz gelungen. Es ist diese Mischung aus Hybris, Besserwisserei und Uninformiertheit, die so abstoßend ist.

Der damalige Oberst Klein ist damals wirklich durch die Hölle gegangen für eine Entscheidung, die er im Rahmen seines Jobs zu treffen hatte.Wenn man schon von einem „Verbrechen“ schwadroniert und für diesen Artikel auch noch den Henri-Nannen-Preis bekommt, sollte man doch vielleicht nach diesem BGH-Urteil etwas demütig und selbstkritisch auftreten. Angemessen wäre eine Entschuldigung, nicht eine weitere Beschuldigung.

Stattdessen legt eine Redaktion, unbelehrbar wie sie ist, einfach nach. Wenn ich mir das anschaue, ist das ein typisches Beispiel für die Gründe, warum die Leute „Lügenpresse“ schreien.

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